835 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Außenpolitischen Ausschusses

über den Antrag 44/A(E) der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend Volksabstimmung über den Ausstieg Österreichs aus dem Euratom-Vertrag

Die Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 25. November 2008 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Im Jahr 1956 wurde die Österreichische Studiengesellschaft für Kernenergie gegründet. Die Aktivitäten dieser Gesellschaft führten zum Beschluss der Bundesregierung über einen Energieplan, der drei Kernkraftwerke in Österreich vorsah. Das erste davon sollte in Zwentendorf gebaut werden. Am 5. November 1978 haben sich die Österreicher im Rahmen einer Volksabstimmung klar gegen die Nutzung von Kernkraft ausgesprochen. Zwentendorf wurde nicht in Betrieb genommen. Im Herbst dieses Jahres jährt sich diese Volksabstimmung zum 30. Mal.

Unabhängig davon fließen viele Millionen aus dem österreichischen Staatshaushalt an Euratom. Damit finanziert Österreich über diesen Umweg die europäische Atomenergie. Ein Ausstieg aus dem Euratom-Vertrag und die Verwendung der dafür bisher gebundenen finanziellen Mittel für den Bereich Forschung und Entwicklung wären daher ein Gebot der Stunde. Im Geiste des Ergebnisses der Volksabstimmung über Zwentendorf und des Mitspracherechts der Österreicher wäre eine Volksabstimmung über den Ausstieg Österreichs aus dem Euratom-Vertrag zielführend.

Der Salzburger Völkerrechtsexperte Univ.-Prof. Michael Geistlinger hat den bedeutungsvollen Hinweis geliefert, dass es "Kraft des Völkergewohnheitsrechts, das durch Art. 56 der Wiener Vertragskonvention (WKV) kodifiziert wurde" möglich ist, aus dem EURATOM-Vertrag auszusteigen ohne die EU-Mitgliedschaft in Frage zu stellen. Ein Umstand, der andersmeinende Gutachten obsolet werden lässt.“

 

Der Außenpolitische Ausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 01. Juli 2010 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Werner Neubauer Wolfgang Großruck, Petra Bayr, Univ.-Prof. Dr. Alexander Van der Bellen, Herbert Scheibner, Dr. Wolfgang Schüssel, Dr. Johannes Hübner.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Dr. Josef Cap und Wolfgang Großruck einen Entschließungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Zum inhaltlichen Zusammenhang: Der Antrag 44/A(E) betrifft materiell die Mitgliedschaft Österreichs zum EURATOM-Vertrag, der Teil der Europäischen Verträge ist. Der Außenpolitische Ausschuss hat auch drei weitere Anträge betreffend die KKW Temelín, Mochovce und Krško unter einem in Verhandlung genommen. Der vorliegende Entschließungsantrag behandelt die gleiche Thematik im Gesamt-Kontext der österreichischen Anti-Atom-Politik.

Die Bundesregierung hat in diesem Zusammenhang in ihrem Programm für die XXIV. Gesetzgebungsperiode  festgelegt, die Bemühungen für eine Reform des EURATOM-Vertrags fortzusetzen. Im Rahmen der Regierungskonferenzen 2003/2004 und 2007 konnte Österreich gemeinsam mit Deutschland, Irland, Schweden und Ungarn durchsetzen, dass im Rahmen einer Erklärung (Nr. 54) zum Vertrag von Lissabon festgehalten wurde, dass der EURATOM-Vertrag seit seinem Inkrafttreten in seiner Substanz kaum verändert wurde und er daher einer Aktualisierung unterworfen werden muss. Eine Konferenz der Vertreter der Regierungen sollte daher so rasch wie möglich einberufen werden.

Die erwähnte Erklärung (Nr. 54) zum Vertrag von Lissabon hat einerseits gezeigt, dass Österreich mit seinem Bestreben, den EURATOM-Vertrag zu reformieren, nicht alleine ist, zeigt aber andererseits ganz deutlich, dass die gemäß Art. 48 EUV für die Einsetzung einer Regierungskonferenz erforderliche einfache Mehrheit (das sind derzeit  14 Mitgliedstaaten), insbesondere aber die für eine Änderung des EURATOM-Vertrags erforderliche Einstimmigkeit, noch nicht gegeben ist. Österreich wird sich daher in der laufenden Legislaturperiode bei jedem passenden Anlass für die Durchführung der in der Erklärung Nr. 54 des Vertrages von Lissabon erwähnten Revisionskonferenz einsetzen, insbesondere um den Förderzweck zu eliminieren, den Schutzzweck auszubauen, einen fairen Wettbewerb der Energieträger herzustellen und die Entscheidungsprozesse zu demokratisieren.

In rechtlicher Hinsicht ist darauf hinzuweisen, dass Österreich am 1. Jänner 1995 Mitglied der Europäischen Union und Vertragspartner der die Union begründenden Verträge, nämlich des EG-Vertrags, des (damaligen) EGKS-Vertrags und des EURATOM-Vertrags wurde. Damals wie heute konnte ein Beitritt nur als gemeinsamer Beitritt zu allen Gemeinschaften bzw. zur EU und zu EURATOM erfolgen; so enthält der EU-Vertrag nur einen einzigen Artikel über den Beitritt zur Europäischen Union, die in ihrer gesamten Struktur eine administrative Einheit mit einheitlichem institutionellen Rahmen und gemeinsamem Budget bildet. Nach überwiegender Auffassung besteht aus rechtlicher Sicht – auch nach Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon - keine Möglichkeit eines einseitigen, isolierten Austritts nur aus dem EURATOM-Vertrag.

Österreich hält weiterhin daran fest, dass die Kernenergie weder eine nachhaltige Form der Energieversorgung noch eine tragfähige Option zur Bekämpfung des Klimawandels darstellt.

Von den derzeit 27 EU-Mitgliedstaaten nutzen 15 aktiv die Kernenergie zur Stromerzeugung. Im Hinblick auf die von der EU festgelegten Klimaziele (deren Erreichung erhebliche Einschränkungen der CO2-Emissionen erfordern) bestehen in einigen Mitgliedstaaten Bestrebungen, diese Ziele u. a. auch durch den verstärkten Einsatz von Kernenergie zu erreichen. Österreich hat demgegenüber bei allen Bezug habenden Anlässen immer wieder betont, dass Kernenergie keine umweltfreundliche und nachhaltige Energieform ist und daher auch kein geeignetes Mittel zur Bekämpfung des Klimawandels darstellt.

Oberste Maxime ist der optimale Schutz der österreichischen Bevölkerung und der Umwelt. In diesem Sinne bleibt die Schaffung hoher und verbindlicher Sicherheitsstandards für Nuklearanlagen ein wesentliches Ziel der österreichischen Nuklearpolitik. Vereinbarte Schließungsverpflichtungen besonders problematischer Anlagen sind strikt einzuhalten. In allen Fällen von kerntechnischen Anlagen, die negative Auswirkungen auf Österreich haben oder haben könnten, wird Österreich alle zu Gebote stehenden Möglichkeiten zur Wahrung österreichischer Sicherheitsinteressen nutzen. Dies bedeutet auch, für maximale Transparenz und Partizipation einzutreten.

Österreich wird neue nachhaltige Energie-Initiativen unterstützen, auch um die Abhängigkeit Europas von der Nuklearenergie substantiell zu verringern, und auf europäischer Ebene und global für strikteste Sicherheitsstandards für Nuklearanlagen eintreten. Die österreichische Forderung nach einer Revision des EURATOM-Vertrags wird weiter verfolgt werden. Österreich wird dabei eine engere Kooperation mit anderen atomkritischen Staaten innerhalb und außerhalb der EU anstreben.

Die unterzeichneten Abgeordneten treten daher dafür ein, dass Überlegungen betreffend einen einseitigen Austritt Österreichs aus dem Euratom-Vertrag derzeit nicht aktuell sind, weil dies einerseits schwerwiegende Nachteile für die österreichische Anti-Atom-Strategie bewirken könnte und andererseits auf wesentliche rechtliche Hindernisse stößt.“

 

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag keine Mehrheit.

 

Ein von den Abgeordneten Dr. Josef Cap und Wolfgang Großruck eingebrachter Entschließungsantrag betreffend Fortsetzung der österreichischen Anti-Atom Politik wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen.

 


Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Außenpolitische Ausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2010 07 01

                             Wolfgang Großruck                                                               Dr. Josef Cap

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann