860 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIV. GP

 

Bericht

des Gesundheitsausschusses

über den Antrag 1149/A(E) der Abgeordneten Ursula Haubner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Weiterentwicklung des Mutter-Kind-Passes zum Mutter-Kind-Jugend-Pass

Die Abgeordneten Ursula Haubner, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Entschließungsantrag am 20. Mai 2010 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Die Lebenswelt und Entwicklung von Kindern hängt von den Ressourcen ihrer Familien ab. Dabei geht es nicht nur um materielle Armut, sondern auch um soziale Armut, die zu schweren Nachteilen in der körperlichen und seelischen Grundversorgung und Gesundheit, vor allem in der das ganze weitere Leben bestimmenden Zeit der Entwicklungsphase führen kann. Nachhaltige Auswirkungen auf die spätere Bildungslaufbahn und Gesundheit sind die Folge.

Bereits bei der Inanspruchnahme der Schwangerschafts-Vorsorgeuntersuchung, dem Rauchen der Mutter in der Schwangerschaft und dem Geburtsgewicht des Neugeborenen zeigen sich soziale Unterschiede. Die Wahrscheinlichkeit, Störungen der intellektuellen und sozialen Entwicklung zu erleiden, sind bei Kindern und Jugendlichen aus sozial benachteiligten Elternhäusern höher als bei Kindern und Jugend­lichen aus besser gestellten Familien, aber nicht nur dort. Kinder und Jugendliche aus Familien, in denen die Zuwendung „Geld“ die Zuwendung „Liebe“ ersetzt, haben das gleiche Schicksal. Erfasst das Gesund­heits- und Fürsorgesystem diese Kinder erst nach Auffälligkeiten im jugendlichen Erwachsenenalter, ist es für eine Therapie zur vollständigen Gesundung meist zu spät. Die lebenslangen Folgekosten für das Gesundheits-, Arbeitslosen- und Pensionsversicherungssystem sind immanent.

Das bestehende System aus Leistungen des Bundes und der Länder zur Unterstützung der Kinder- und Jugendgesundheit wird in seiner derzeitigen Form den Anforderungen nicht mehr gerecht. Der Mutter-Kind-Pass deckt nur die Zeitspanne der frühen Entwicklung ab.

 

Der neue Mutter-Kind-Jugend-Pass:

Der bestehende Mutter-Kind Pass soll daher zu einem „Mutter-Kind-Jugend-Pass“ bis zum 18. Lebens­jahr ausgeweitet werden und den Entwicklungsverlauf jedes Kindes/Jugendlichen dokumentieren. Eltern, die in Österreich die Familienbeihilfe beziehen wollen, können nur dann dafür bezugsberechtigt sein, wenn sie ihrem Kind/ihren Kindern auch die entsprechende Obsorge angedeihen lassen.

Dazu gehört auch eine zumindest ein Mal jährliche, verpflichtende Untersuchung bei einem Kinder­arzt/Ärztin, Schularzt/Ärztin oder Arzt/Ärztin. Aus diesem Grund sollte der bestehende Mutter-Kind-Pass zu einem „Mutter-Kind-Jugend-Pass“ bis zum 18. Lebensjahr erweitert werden, der bestimmte Unter­suchungen vorsieht, deren Absolvierung an die Auszahlung der Kinderbeihilfe an die Erziehungs­berechtigten gekoppelt ist.

Die jährliche medizinische Untersuchung wird altersabhängig vom Kinderarzt/Ärztin, Schularzt/Ärztin oder Arzt/Ärztin durchgeführt. Schulärzte/Schulärztinnen werden mit Chipkarten-Terminals ausgestattet, damit die Freigabe zur Gewährung der Familienbeihilfe an den Hauptverband der Sozialversicherungs­träger und weiter zum Finanzamt erfolgen kann.

Damit soll sichergestellt werden, dass Kinder und Jugendliche bis zur Großjährigkeit die lückenlose gesundheitliche und soziale Begleitung erhalten, die ihnen das österreichische Gesundheitssystem kostenlos zur Verfügung stellt.

 

Bedingungen zur Gewährung der Familienbeihilfe:

›       Die Familienbeihilfe wird erstmalig generell für den Zeitraum von 12 Monaten gewährt

›       Die Freigabe für die jeweils nächsten 12 Monate erfolgt durch den Kinderarzt/Ärztin, Schul­arzt/Ärztin, Arzt/Ärztin mittels der Sozialversicherungskarte des Kindes/Jugendlichen über den Hauptverband an das Finanzamt

›       Wird für ein/en Kind/Jugendlichen über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten keine Kinder­beihilfe bezogen, erfolgt eine automatische Meldung an die zuständige Stelle der Fürsorge

 

Maßnahmen im neuen „Mutter-Kind-Jugend-Pass“:

A: Erweiterung des Untersuchungsprogrammes für Schwangere:

›       Kostenloses Beratungsangebot durch Hebammen während der Schwangerschaft bis nach der Geburt

›       Ausführliches Aufklärungsgespräch für Mütter mit Migrationshintergrund aus Kulturen mit einer potentiellen Bereitschaft zur Genitalverstümmelung über die Auswirkungen sowie Strafbarkeit der Genitalverstümmelung

 

B: Zeitliche Erweiterung bis zum sechsten Lebensjahr:

›       Kontrolle der motorischen Entwicklung, der Sprachentwicklung und der sozialen Integration

›       Erhebung von psychischen Störungen und Verhaltensauffälligkeiten

›       Kontrolle bei Anzeichen von Kindesmissbrauch

 

C: Einheitlicher Untersuchungskatalog, vom sechsten bis zum 18. Lebensjahr, der notwendige Fähigkeiten für ein bestimmtes Alter (Ausnahme: Behinderung) festschreibt und entsprechende Ausgleichsmaßnahmen vorsieht:

›       sprachliche Entwicklung, Artikulationsfähigkeit und motorische Entwicklung

›       sozialpädiatrische Aspekte der Entwicklung wie Verwahrlosung, Kindesmissbrauch, Aggressions­bereitschaft, Mobbing als Betroffene/r

›       gesellschaftliche Integration bei Kindern/Jugendlichen mit Migrationshintergrund

›       Sportlichkeit und Fitness

›       Ernährungsverhalten und Ernährungsberatung

›       Ausgleichsmaßnahmen in Form von Therapien mit Kontrollterminen bei Auffälligkeiten

 

Datenerfassung und Auswertung:

Der „Mutter-Kind-Jugend-Pass“ ermöglicht Daten über die frühzeitige Wahrnehmung von körperlichen, sprachlichen und sozialen Entwicklungsbeeinträchtigungen von der Geburt bis zum 18. Lebensjahr zu erfassen und den Entscheidungsträgern eine Grundlage für gesundheitsrelevante Maßnahmen zur Verfügung zu stellen.“

 

Der Gesundheitsausschuss hat den gegenständlichen Entschließungsantrag in seiner Sitzung am 01. Juli 2010 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordnete Ursula Haubner die Abgeordneten Dr. Kurt Grünewald, Dr. Sabine Oberhauser, Johann Hechtl und Karl Öllinger.

 

Bei der Abstimmung fand der gegenständliche Entschließungsantrag keine Mehrheit.

 

Als Berichterstatterin für das Plenum wurde Abgeordnete Renate Csörgits gewählt.


Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Gesundheitsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle diesen Bericht zur Kenntnis nehmen.

Wien, 2010 07 01

                                 Renate Csörgits                                              Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein

                                  Berichterstatterin                                                                           Obfrau