10006/J XXIV. GP

Eingelangt am 30.11.2011
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Helene Jarmer, Freundinnen und Freunde

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend blinde RichterInnen in Österreich

BEGRÜNDUNG

 

In einem Beitrag in der „ZIB 2“ vom 25. Oktober 2011 über eine frischgebackene blinde Juristin wurde auch ein Schreiben des Justizministeriums an eine ebenfalls blinde Juristin, die als Richterin nicht zugelassen wurde, mit folgendem Inhalt zitiert:

„Es ist der Justiz ein Anliegen, die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um auch Menschen mit Behinderungen die Ausübung des angestrebten Berufes zu ermöglichen. Für das Richteramt gelten aber verfassungsrechtliche und prozessuale Vorschriften, die verlangen, dass der Richter/die Richterin die uneingeschränkte Fähigkeit zur eigenen Wahrnehmung auch in optischer Hinsicht aufweist. Das heißt, es ist unumgänglich, das der Richter/die Richterin, der/die in der Sache entscheidet, sämtliche Beweismittel unmittelbar, mit allen Sinnen wahrnehmen und verarbeiten kann. Aus diesen Gründen ist es in Österreich blinden Personen daher nicht möglich, das Richteramt auszuüben.“

Dieses Schreiben ignoriert jedoch, dass bereits im Jahr 2006 im Rahmen des Bundes-Behindertengleichstellungs-Begleitgesetz in § 2 Abs.1 Z 3 des Richter- und Staatsanwaltsdienstgesetzes die Wortfolge „persönliche, geistige und fachliche Eignung sowie die körperliche Eignung für den Richterberuf“ durch „persönliche und fachliche Eignung einschließlich der erforderlichen sozialen Fähigkeiten (§ 14 Abs. 2) für die mit der Ausübung des richterlichen Amtes verbundenen Aufgaben“ ersetzt wurde , um blinden RichterInnen den Weg zum Richteramt in Österreich zu ebnen.

Im Rahmen der parlamentarischen Debatte zum Bundes-Behindertengleichstellungs-Begleitgesetz wurde die Reform gelobt. Dr. Franz-Joseph Huainigg von der ÖVP sagte etwa: „Die körperliche Eignung wird aus allen Dienstrechten gestrichen und damit soll es auch möglich sein, dass zum Beispiel ein blinder Mensch Richter wird oder ein gehörloser Mensch Lehrer oder auch ein blinder oder ein Rollstuhl fahrender Mensch den Beruf eines Lehrers ausübt. Das war bis vor kurzem noch undenkbar. Ich glaube, dass damit ein ganz wichtiger Schritt gesetzt wird.“ und die damalige ÖVP-Abgeordnete Mag. Elisabeth Scheucher-Pichler meinte: „Mir ist noch sehr gut der Kampf der blinden Klagenfurter Juristin in Erinnerung, die damals quer durch die Medien darum gekämpft hat, Richterin zu werden, und die mittlerweile sehr erfolgreich im Klagenfurter Magistrat tätig ist. Hier gibt es noch viel zu tun, aber diese Regierung hat die richtigen Maßnahmen, die richtigen Schritte gesetzt. Und ich möchte mich bei allen dafür bedanken, die dazu beigetragen haben. – Danke.“ (http://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXII/NRSITZ_00153/fname_067312.pdf)

Auch die  damalige Justizministerin Dr. Maria Berger äußerte sich unmissverständlich am 25. Mai 2007 in einem Interview von „Bizeps-Info – der Nachrichtendienst“:  „Letztes Jahr wurde durch das Bundes-Behindertengleichstellungs-Begleitgesetz eine Änderung herbeigeführt. Die entscheidende Bestimmung stellt seither nur mehr auf die „uneingeschränkte persönliche und fachliche Eignung“ ab, nicht mehr auf die „uneingeschränkte körperliche Eignung“. Es ist also klargestellt, dass auch Menschen mit Sehbehinderung gleichberechtigt Zugang zum Richterberuf finden sollen“. (http://www.bizeps.or.at/news.php?nr=7844)

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Was war das Ziel des Bundes-Behindertengleichstellungs-Begleitgesetz in Bezug auf die Reform des § 2 Abs.1 Z 3 des Richter- und Staatsanwaltsdienstgesetzes?

 

2)    Ist es Ihrer Meinung nach durch das Bundes-Behindertengleichstellungs-Begleitgesetz noch möglich, blinde Menschen von der Ausübung des Richteramts grundsätzlich auszunehmen?

 

3)    Wenn ja, warum wurde bei der Verabschiedung des Gesetzes im Nationalrat vom ÖVP-Behindertensprecher behauptet, dass es damit auch möglich sein soll, dass zum Beispiel ein blinder Mensch Richter wird?

 

4)    Wenn nein, warum kommt das Justizministerium in dem zitierten Schreiben zum allgemeinen Schluss, dass es in Österreich blinden Personen nicht möglich wäre das Richteramt auszuüben?

 

5)    Wie lässt sich eine (mögliche) Ungleichbehandlung von blinden Menschen bei der Auswahl der RichteramtsanwärterInnen sachlich rechtfertigen?


6)    Wie stehen Sie persönlich als Justizministerin zum Thema „blinde RichterInnen“?

 

7)    Wie viele blinde JuristInnen sind für die Republik Österreich tätig?

 

8)    Welche Maßnahmen werden Sie als Justizministerium setzen, um die Gleichstellung behinderter Menschen in Ihrem Wirkungsbereich voranzutreiben?