10382/J XXIV. GP

Eingelangt am 19.01.2012
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ANFRAGE

der Abgeordneten Gerhard Huber,

Kolleginnen und Kollegen

 

an Herrn Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner

 

betreffend die wirtschaftlichen Auswirkungen der Enteignung von hunderten Tirolern und Tirolern und Umgestaltung zahlreicher Agrargemeinschaften in „atypische Gemeindeguts- Agrargemeinschaften“ im Bezirk Lienz/Osttirol.

 

I. In den Tiroler Bezirken werden heute mit Wissen und Willen der Tiroler Landesregierung und mit Wissen und Willen des Tiroler Landtages gegen Bürgerinnen und Bürger der Republik Österreich die einschneidensten Enteignungsmaßnahmen seit Wiedererrichtung der Republik Österreich im Jahr 1945 vollzogen. Opfer einer systematischen Enteignungspolitik sind jene Tirolerinnen und Tiroler, die Anteile an Agrargemeinschaften besitzen („Stammliegenschaftsbesitzer“, „Urhausbesitzer“). Gegenstand der Enteignungsmaßnahmen ist das historische Gemeinschaftsvermögen der Landbevölkerung, welches heute insbesondere in der Organisationsform der „Agrargemeinschaft“[1] erfasst ist. Enteignet werden soll das agrargemeinschaftliche Vermögen. Unmittelbar betroffen sind in Tirol ca 18.000 Tirolerinnen und Tiroler (und deren Familien), welche heute noch Anteile an sog. Gemeinschaftsliegenschaften besitzen.

 

Parallel zur Enteignung der Tiroler Bürgerinnen und Bürger versucht die Tiroler Landesregierung die Agrargemeinschaften in „leoninische“ Gemeindeeinrichtungen umzugestalten. Leitbild sollen jene Agrargemeinschaften sein, wo die politische Ortsgemeinde kraft Vereinbarung im Regulierungsverfahren Liegenschaftseigentümerin ist[2]. Diese Regelungsvariante schwebt der Tiroler Landesregierung als Idealtypus vor Augen. Dies, obwohl sich diese Regelungsvariante für Gemeinschaftsgut offensichtlich nicht bewährt hat und die öffentliche Hand überall mit hohen laufenden Verlusten belastet[3]. Weil die Agrargemeinschaften Forst- und Almwirtschaft meist unter schwierigsten Bedingungen leisten, sind aus dem aufgezeigten Maßnahmen der Tiroler Landesregierung tief greifende Auswirkungen zu erwarten. Die Agrargemeinschaften, die sich im Bezirk über Jahrzehnte als hoch effiziente Wirtschaftskörper erwiesen haben, werden sich vermutlich in defizitäre, die öffentliche Hand belastende  Einrichtungen, verwandeln, so wie dies bereits von den „echten Gemeindegutsagrargemeinschaften“ bekannt ist.

 

II. Ziel der Enteignungsmaßnahmen soll es offensichtlich sein, den Politikern im Bezirk größeren persönlichen Machteinfluss zu sichern. Dies erklärt auch die auffällige Einigkeit aller im Tiroler Landtag vertretenen Parteien, wenn es um die Enteignung der Stammliegenschaftsbesitzer im Bezirk geht.

 

Instrument dieser Machterweiterung für die „lokale Politik“ ist der Zugriff auf die „Substanz“ des agrargemeinschaftlichen Vermögens, vergleichbar dem Allmendregal des historischen Tiroler Landesfürsten[4]. Gegründet ist das gesamte Enteignungskonzept jedoch nicht auf den politisch offensichtlich aussichtslosen Versuch, das Herrschaftsrecht des historischen Tiroler Landesherrn über die Gemeinschaftsliegenschaften zu Gunsten der Gemeindepolitiker neu zu beleben. Gegründet ist dieses Enteignungskonzept auf der Idee, die Agrargemeinschaften als angebliches Eigentum der heutigen Ortsgemeinden zu deklarieren. Die Grundlage dafür sieht ein Teil der Verfechter solcher Ideen in der schleichenden Umwandlung der historischen Wirtschaftsgenossenschaften in die heutige moderne Ortsgemeinde[5]; ein anderer Teil setzt auf einen „Enteignungsschnitt“ bei Errichtung der modernen Ortsgemeinde im Verlauf des 19. Jahrhunderts[6]. Als Ergebnis wird das Eigentum an den historischen Gemeinschaftsliegenschaften der modernen


Ortsgemeinde zugeordnet; dies auf der Grundlage einer Verwechslung der Rechtskörper wegen Namensgleichheit[7].

 

Die Idee, dass das Eigentum an den historischen Gemeinschaftsliegenschaften auf die moderne Ortsgemeinde übergegangen wäre, ist so alt wie die moderne Ortsgemeinde selbst; diese Idee hat in praktisch allen Dt. Ländern Streitigkeiten über die Eigentumsverhältnisse am historischen Gemeinschaftseigentum motiviert[8]. Geradezu mustergültig aufgearbeitet begegnet uns die Situation in Niederösterreich aus der Sicht des Jahres 1878 in einem Bericht des Niederösterreichischen Landesausschuss an den Niederösterreichschen Landtag[9]. Carl Peyrer, der „Vater des Österreichischen Teilungs- und Regulierungsrechts“, gibt im Standardwerk „Die Regelung der Grundeigentums-Verhältnisse“ (1877)[10] einen detaillierten Überblick über die aus entstandenen Übelstände in den Österreichischen Kronländern. Selbstverständlich kann weder von einer schleichenden Verwandlung der historischen Wirtschaftsgenossenschaften, noch von einer „Quasi-Beerbung“ derselben durch die heutige, moderne Ortsgemeinde ausgegangen werden[11].

 

III. Scheinbar legitimiert - jedenfalls motiviert - durch das Verfassungsgerichtshof­erkenntnis VfSlg 18.446/2008 versucht der Tiroler Landesgesetzgeber die Enteignung der Tiroler Agrargemeinschaften per Gesetz zu vollziehen[12]. Zu diesem Zweck wurde vom Eigentumsrecht der „Substanzwert“ herausgelöst und zivilrechtliches Eigentum einerseits und „Substanzrecht“ andererseits unterschiedlichen Rechtsverhältnissen unterworfen. Während das Eigentumsrecht – jedenfalls in der Theorie – der Agrargemeinschaft zugeordnet bleiben soll[13], wurde der „Substanzwert“ der


agrargemeinschaftlichen Liegenschaften per Gesetz der Ortsgemeinde zugeordnet[14]. Begleitend zur Enteignung des „Substanzwertes“/der „Substanzerträge“ wurden umfangreiche Eingriffs- und Einwirkungsmöglichkeiten geschaffen[15], wodurch im Ergebnis am agrargemeinschaftlichen Vermögen „Verfügungseigentum“[16] des Staates entstanden ist. Die wesentlichen Erträgnisse dieser Vermögen werden unter dem Titel „Substanzwert“ zu Gunsten der Ortsgemeinde abgesaugt[17]. Diesem Verfügungseigentum des Staates steht das zivilrechtliche Eigentum der Agrargemeinschaft gegenüber, welches inhaltlich auf bloßes Nutzungseigentum der Agrargemeinschaft reduziert ist. Insofern erscheint das Eigentum gespalten

Gleichzeitig wurden die Agrargemeinschaften unter eine scharfe Kuratel der Ortsgemeinde gestellt: Ein „politischer Kommissar“ (der Gemeindevertreter) nimmt an allen Sitzungen des Eigentümer- und des Geschäftsführungsorgans teil[18]; den „Substanzwert“ betreffend können Organbeschlüsse nur mit Zustimmung der Ortsgemeinde gefasst werden[19]; den Substanzwert betreffend können dem Geschäftsführungsorgan der Agrargemeinschaft Weisungen erteilt werden[20].

 

Die „Politik“ sollen nach freier Willkür in den Angelegenheiten des Substanzwertes entscheiden dürfen. Handlungsmaximen zur Bindung der freien Willkür hat der Tiroler Landesgesetzgeber nicht vorgesehen. Der Widerspruch zum Legalitätsprinzip des Art 18 B-VG im modernen Rechts- und Verfassungsstaat ist offenkundig.

 

IV. Die Erwartungen der Tiroler Politik über den Zuwachs beim persönlichen Machteinfluss werden sich nicht als nachhaltig erweisen. Die Tiroler Bürgerinnen und


Bürger taugen nicht zum „Gemeindeknecht“ – insofern verkennt die Tiroler Landesregierung das Tiroler Naturell.

Eine Serie von Rechtsstreitigkeiten mit unabsehbarer Dauer ist die Folge. Den derzeit laufenden Streitigkeiten betreffend das Mitgliedschaftsrecht der Ortsgemeinde zwischen der Agrargemeinschaft und der Ortsgemeinde, folgen weitere Verfahren der Mitglieder gegen die Ortsgemeinde wegen desselben Streitgegenstandes, welchen neue Verfahren der Agrargemeinschaft und der Mitglieder folgen werden wegen der „substanzwertsteigernden Investitionen“ und wegen des Vertrauensschadens im Zusammenhang mit den rk Regulierungsverfahren. Schließlich haben die Agrargemeinschaftsmitglieder unzählige Arbeitsstunden in das Gemeinschaftseigentum investiert. Dies im begründeten Vertrauen, das im Regulierungsverfahren Gemeinschaftseigentum staatlich anerkannt wurde.

Wenn sich die Ortsgemeinden mit dem behaupteten Substanzwertanspruch  durchsetzen sollten, müssen die Ortsgemeinden mit einem Rückzug der Stammliegenschaftsbesitzer aus der „Verwaltung der Substanz“ rechnen. Dies wird unabsehbare laufenden Kosten aus der Liegenschaftsverwaltung für die Ortsgemeinden nach sich ziehen, so wie dies bereits in jenen Ortsgemeinden der Fall ist, welche leichtsinnig genug waren, im Regulierungsverfahren das Eigentum zu übernehmen. Der Musterfall der Ortsgemeinde Sölden, welche auf den Stichtag 31.12.2010 aus der Verwaltung des Liegenschaftseigentums einen Schuldenberg von rund EURO 1,65 Mio aufgehäuft hat[21], spricht für sich.

 

Die politisch Mächtigen wollen freilich ihren Einfluss kurzfristig erweitern; die Kosten der neuen Gemeindewirtschaft sollen künftige Generationen schultern.

 

V. Die absehbaren Kosten dieser grundlegenden Umgestaltung des Rechts der Gemeinschaftsliegenschaften und die grundlegenden Auswirkungen auf die lokale Wirtschaft wurden weder vom Verfassungsgerichtshof, noch vom Tiroler Landesgesetzgeber auch nur ansatzweise bedacht oder kalkuliert. Der Tiroler Landesgesetzgeber glaubt nämlich, mit dem Wirtschaftskörper „atypische Gemeindegutsagrargemeinschaft“ das ideale Organisationsmodell gefunden zu haben,


um für die Tiroler Politik ein „Körberlgeld“ zu beschaffen; dies außerhalb von Finanzausgleich, Staatsquote und Steuergesetzen.

Das private Gemeinschaftseigentum, das von alters her nicht in Einzeleigentum aufgeteilte Gemeinschaftsland[22], soll zu Gunsten der staatlichen Gemeinwirtschaft ausgebeutet werden, indem Arbeit und Auslagen der Bewirtschaftung privatisiert, alle wesentlichen Erträgnisse hingegen kommunalisiert werden. Dieser neue Typus von Agrargemeinschaft soll eine leoninische Ausbeutung der beteiligten Privatpersonen als Arbeitsgesellschafter und Vollhafter ermöglichen; die Ortsgemeinde soll jeden Ertrag aus diesem Wirtschaftskörper absaugen[23].

 

Die Idee des Tiroler Landesgesetzgebers, alle Verwaltungskosten und das Risiko aus dem Eigentum zu privatisieren, während die Erträgnisse kommunalisiert werden sollen, wird freilich kurzfristig scheitern. Alle „Substanzerträgnisse“ werden abhanden kommen. Dies ist ein natürlicher Prozess, der in sämtlichen kommunistischen Gesellschaftssystemen nachgewiesen werden kann. Selbst wenn die lokalen Akteure bei Installation dieser Systeme ideologisch hoch motiviert waren („Helden der Arbeit“ usw), war diesen Systemen keine Nachhaltigkeit bestimmt.

Die Gemeindegutsagrargemeinschaft besitzt in dieser Hinsicht die denkbar schlechtesten Voraussetzungen. Durch das Eigentumsrecht und ein Mehrheitsvotum der Miteigentümer legitimierte Akteure im eigenen Interesse, sollen in „Hausmeister der Ortsgemeinden“ („Gemeindeknechte“) umfunktioniert werden. Es ist absehbar, dass dies kein Erfolgsmodell werden kann und dass kurzfristig beträchtliche Verwaltungskosten auf die öffentliche Hand zukommen würden. Parallel kommen alle Wirtschaftsaktivitäten der Agrargemeinschaften zum Erliegen.


Dieser Prozess wird zwangsläufig einsetzen, sobald die Agrargemeinschaftsmitglieder die Hoffnung aufgeben, den laufenden Verstaatlichungsprozess noch umkehren zu können. Die Verwaltungskosten für das „atypische Gemeindegut“ werden zwangsläufig sukzessive auf die Ortsgemeinden übergehen; dies mit allen negativen Konsequenzen[24].

 

VI. Anknüpfungspunkt für all diese Enteignungsmaßnahmen sind Rechtsinstitute, welche inhaltlich unmittelbar bei der historischen Grundherrschaft anknüpfen. Weil die Landbevölkerung in alten Zeiten – neben dem landesfürstlichen Obereigentum – nur Nutzungsrechte besessen habe („Nutzungseigentum“), versucht man in Tirol das Gemeinschaftseigentum (= Privateigentum der jeweiligen Nachbarschaft) mit Gemeindeeigentum (= Staatseigentum der jeweiligen Gebietskörperschaft) zu verwechseln. Die Tiroler Landbevölkerung hätte immer nur „Nutzungsrecht“ besessen. Die politischen Ortsgemeinden verstehen sich als Rechtsnachfolger des Landesfürsten und Obereigentümer. Am neuen Gemeindeeigentum sollen der Landbevölkerung – so wie vor Jahrhunderten – bloß Nutzungsrecht zustehen. Dies alles so, als habe in Tirol die historische Grundentlastung, mit der das Obereigentum der Feudalherren abgeschafft wurde, nie stattgefunden.

 

In einer äußerst umstrittenen Mehrheitsentscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 11. Juni 2008 VfSlg 18.446/2008 hat der Gerichtshof die Situation beim Gemeinschaftseigentum, welches fälschlich der Ortsgemeinde zugeordnet wird, auf eine Tiroler Agrargemeinschaft übertragen. Die Gedankengänge des Erkenntnisses sind selbst für Spezialisten nur schwer nachvollziehbar: Ziviles Eigentum der Agrargemeinschaft[25] wird angeblich zu gemeinschaftlichem Eigentum der Ortsgemeinde und der Mitglieder[26]. Aus diesem gemeinschaftlichen Eigentum der Ortsgemeinde und


der Mitglieder soll in weiterer Folge Alleinsubstanz der Ortsgemeinde[27] entstehen. Völlig unverständlich soll von diesem „gemeinschaftlichen Eigentum“ der nutzungsberechtigten Mitglieder und der Ortsgemeinde nur dem Anteil der Ortsgemeinde Eigentumsschutz kraft Verfassung[28] zukommen.

In Konsequenz sollen jetzt die Bürgermeister im Bezirk kraft „Substanzrecht der Ortsgemeinde“ ein neues Allmendregal[29] nach dem Vorbild der historischen Grundherren ausüben.

 

VII. Die Konsequenz sind wirtschaftlicher Stillstand und eskalierende Rechtsstreitigkeiten in den betroffenen Gemeinden im Bezirk.

 

a) Die Agrargemeinschaften führen keine Liegenschaftstransaktionen mehr durch, es sei denn, die Ortsgemeinden würden auf den „Substanzwert“ aus der betreffenden Transaktion verzichtet. Den Gemeinderäten wird seitens der Agrargemeinschaftsgegner mit Strafanzeige gedroht, wenn diese solche Forderungen erfüllen wollten. Weil Gemeinschaftseigentum üblicher Weise leicht als Baulandreserve mobilisiert werden kann und diese Alternative nun in vielen Tiroler Gemeinden ausfällt, können an einigen Orten geplante Baumaßnahmen nicht mehr durchgeführt werden.

 

b) Teilweise fordern die Ortsgemeinden astronomische Summen von den Agrargemeinschaften zur Bereinigung der Vergangenheit, ohne dass dafür eine Rechtsgrundlage genannt werden könnte. Zur Erstellung der entsprechenden Fantasie-Abrechnungen (teilweise über fünfzig Jahre zurück in die Vergangenheit) engagieren Ortsgemeinden „Abrechnungsexperten“, die sich auf derartige „Substanzwertberechnungen“ spezialisiert haben (in einer Gemeinde im südlichen Mittelgebirge bei Innsbruck wurde eine Abrechnung bekannt, wonach die Agrargemeinschaft mehrere Millionen EUR schulde!). Ganze Gemeinderäte träumen den Traum von Millioneneinnahmen aus der Agrargemeinschaftskasse.

 


c) Verschiedene Ortsgemeinden budgetieren – angeblich über Vorgabe der Bezirksverwaltungsbehörden – (fiktive) Einnahmen aus der Agrargemeinschaftskasse. Dies auch ungeachtet der Tatsache, dass den betreffenden Ortsgemeinden entsprechend den seit Jahrzehnten rechtskräftigen Bescheiden über die Anteilsrechte gerade kein Anteilsrecht an der Agrargemeinschaft zukommt. Alle Prinzipien kaufmännischer Vorsicht sind in Tirol diesbezüglich außer Kraft. Der Tiroler Gemeindeverband lässt hier jedwede staatstragende Verantwortung vermissen: Gute Bürgermeister sind nach Auffassung des Tiroler Gemeindeverbandspräsidenten diejenigen, welche Fantasierforderungen bis auf den Zeitpunkt der Gründung der Agrargemeinschaft berechnen lassen.

 

d) Die Agrargemeinschaften verweigern in aller Regel jede Zahlung, weil es sich um Geld der Mitglieder handelt, welches nur den Mitgliedern im Verhältnis der Anteilsrechte gemäß rechtskräftigem „Bescheid über die Liste der Parteien und deren Anteilsrechte“ zusteht. In über 50% der Fälle von (angeblichen) „Gemeindeguts- Agrargemeinschaften“ ist die jeweilige Ortsgemeinde gemäß rechtskräftigem historischem Bescheid kein Mitglied der Agrargemeinschaft.

 

Es ist absehbar, dass in einem solchen Wirtschaftsköper sich die privaten „Arbeitsgesellschafter“ sich kurzfristig abwenden werden. Die Ortsgemeinden als Träger der Substanz würden mit den Kosten und dem Risiko der Verwaltung dieser Liegenschaften belastet.

Jede Privatinitiative wird zusammenbrechen, weil Systeme, welche Arbeitsgesellschaftern jede Aussicht auf Gewinn verweigern, bekanntlich keine Nachhaltigkeit aufweisen.

 

VIII. Die offensichtlichen Konsequenzen aus dieser Judikatur sind

* ein absehbarer wirtschaftlicher Niedergang der Agrargemeinschaften,

* der Wegfall nachhaltiger Waldpflegemaßnahmen mit allen Negativkonsequenzen für Umwelt und Wirtschaft,

* der Wegfall nachhaltiger Wegbaumaßnahmen mit negativen Auswirkungen auf die Erholungslandschaft und den Tourismus,

* der Wegfall nachhaltiger Investitionen in eine nachhaltige Waldwirtschaft,

* der Wegfall jeder Privatinitiative, um wertsteigernde Nutzungsformen des Gemeinschaftslandes umzusetzen,

* die Blockade in der Wirtschaftsführung durch die politische Gemeindeführung einerseits und die Miteigentümer als Nutzungsberechtigte andererseits,

* eine Verknappung von Bauland und damit eine Behinderung der Wirtschaftsaktivitäten, weil aus den Gemeinschaftsliegenschaften keine Flächen mehr zum Verkauf gelangen.

 

IX. Es drohen unabsehbare negative Folgen für die lokale Wirtschaft im Bezirk, welche die aktuellen Sparbemühungen der Österreichischen Bundesregierung konterkarieren. Negatives Beispiel ist die Verwaltungsführung der Gemeinschaftsliegenschaften von Sölden.


Die Agrargemeinschaft Sölden ist gemäß Regulierungsvereinbarung „typische Gemeindegutsagrargemeinschaft“ mit der Ortsgemeinde Sölden als Eigentümerin der Gemeinschaftsliegenschaften.

Bürgermeister Mag. Ernst Schöpf, Präsident des Tiroler Gemeindeverbandes, erwirtschaftet „in Anwendung der Gemeindeordnung“ mit der Verwaltung der Agrargemeinschaft jährliche Abgänge.

Zum Stichtag 31.12.2010 hafteten rund EURO 1,687.000,-- an Bankschulden unberichtigt aus.

Weder im Wirtschaftsjahr 2009 noch im Wirtschaftsjahr 2010 wurde ein einziger EURO für „Aufforstung, Pflegemaßnahmen und Forstgärten“ ausgegeben. In beiden Jahresrechnungen ist zur Position „Aufforstung, Pflegemaßnahmen und Forstgärten“ „0,00“ EURO an Ausgaben ausgewiesen. Offensichtlich wurden auch keine waldwirtschaftlichen Maßnahmen gesetzt, wie Forstwegebau usw.

Ungeachtet offensichtlicher Mängel bei der Waldpflege und dem Fehlen von forstwirtschaftlichen Investitionen wird der Gemeindehaushalt der Ortsgemeinde Sölden durch die Wirtschaftsführung bei den Gemeinschaftsliegenschaften unerträglich belastet. Dieses Geld fehlt für wirtschaftsunterstützende Maßnahmen der Ortsgemeinde.

 

X. Durch die Kommunalisierung der Agrargemeinschaften im Bezirk droht einerseits den Ortsgemeinden ein Finanzdebakel (vgl die Situation in der Ortsgemeinde Sölden); andererseits wird die nachhaltige Wald- und Almwirtschaft der Agrargemeinschaften und auch jede sonstige Privatinitiative der Agrargemeinschaften im Bezirk zum Erliegen kommen. Diesen „Kosten“ der durch den VfGH bewirkten Änderung der Rechtslage werden durch die erhofften Vorteile offensichtlich nicht kompensiert. Die Rechtsfolgen aus dem Erkenntnis VfSlg 18.446/2008 sind Streit, Rechtsunsicherheit und wirtschaftlicher Stillstand. Dem allen ist durch eine Änderung des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951 („Sanierung nach VfSlg 9336/1982“) und nachfolgend durch eine Änderung des Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetzes entgegen zu treten.

 

Die Tiroler Landesregierung versucht derzeit diese Gesetzesnovelle unter allen Umständen zu verhindern. Angeblich verspricht man sich wirtschaftliche Impulse aus einer Enteignung der Agrargemeinschaftsmitglieder. Welche Nachhaltigkeits­überlegungen diese Annahmen der Tiroler Landesregierung rechtfertigen bleibt schleierhaft. Tatsächlich wird gerade das Gegenteil der Fall sein!

Den öffentlichen Haushalten droht aus der Verwaltung nutzungsbelasteter Gemeinschaftsliegenschaften augenscheinlich ein Finanzdebakel.

Alle Wirtschaftsinitiativen der Agrargemeinschaften sind wegen einer unkalkulierbaren Rechtslage blockiert.

Das Liegenschaftsvermögen der Agrargemeinschaften wird wegen der ungleichen Aufteilung allfälliger Verkaufserlöse zum Vermögen der „toten Hand“.

 


XI. Die Kosten-Nutzenrechung der durch den Verfassungsgerichtshof vollzogenen Umgestaltung des Teilungs- und Regulierungsrechts ist nachzuholen. Dies als Grundlage für die erforderliche Entscheidung des Bundesgesetzgebers darüber, ob die Maßnahmen des Verfassungsgerichtshofes, vom Hohen Haus als dem letztlich zuständigen Organ akzeptiert oder durch eine Gesetzesnovelle korrigiert werden sollen.

 

Auch sind die theoretischen Grundlagen des Organisationsmodells „atypische Gemeindeguts- Agrargemeinschaft“ zu durchdenken. Das Konstrukt „Gemeindegutsagrargemeinschaft“ gem Tiroler Flurverfassung kann jedenfalls keine Nachhaltigkeit aufweisen, weil sämtliche Erträgnisse entweder seit unvordenklicher Zeit den Nutzungsberechtigten zustehen und der gesamte restliche Ertrag unter dem Titel „Substanzwert“ per TFLG-Novelle 2010 der Ortsgemeinde zustehen soll. Die Ertragskraft der Gemeindegutsagrargemeinschaft ist damit per Gesetz mit NULL definiert[30].

Nach der Überzeugung der unterfertigten Abgeordneten soll hier eine Rechtsfigur in das Tiroler Wirtschaftsleben eingeführt werden, welche in dieser Form nirgends in der Welt existiert. Denkbare „Vorbilder“ finden sich allenfalls in den untergegangenen kommunistischen Wirtschaftssystemen.

Nach der Überzeugung der unterfertigten Abgeordneten soll hier eine Rechtsfigur in das Tiroler Wirtschaftsleben eingeführt werden, welche niemals die nachhaltige Bewirtschaftung von Almen und Wäldern gewährleisten kann.

Nach der Überzeugung der unterfertigten Abgeordneten soll hier eine Rechtsfigur in das Tiroler Wirtschaftsleben eingeführt werden, welche für eine gedeihliche Entwicklung des ländlichen Raumes geradezu abträglich ist.

 

Generell geben die unterfertigten Abgeordneten zu bedenken, dass das Regelwerk, welches das Bodenreformrecht für die Vertretung und Geschäftsführung von Gemeinschaftsliegenschaften (die Agrargemeinschaften) aufgestellt hat, nicht mehr zeitgemäß erscheint. In Anbetracht der Bedeutung dieser Wirtschaftskörper erscheint eine eigenständige gesetzliche Regelung des Organisationsrechts der Agrargemeinschaften, welches der Sache nach Unternehmensrecht ist, sachgerecht.

 

 

 


In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend folgende

 

 

Anfrage:

 

1.                 Wo finden sich nach dem Wissen des Herrn Bundesministers Vorbilder für einen Wirtschaftskörper, in dem die Bürger Arbeit leisten und Haftung tragen, während der Staat die Erträgnisse kassiert?

2.                 Sind dem Herrn Bundesminister Wirtschaftskörper, bei welchen die Bürger Arbeit leisten und Haftung tragen, während der Staat die Erträgnisse kassiert, aus der (historischen) Österreichischen Wirtschaftsgeschichte bekannt?

3.                 Sind dem Herrn Bundesminister aus dem OECD-Raum vergleichbare Unternehmensmodelle bekannt, welche vollhaftende Privatpersonen als Arbeitsgesellschafter voraussetzen, welche das Risiko tragen und die Arbeit leisten und wo trotzdem die öffentliche Hand alle „Gewinne“ absaugt? Wenn Ja, welche?

4.                 Sind der Bezirkshauptmannschaft aus der Wirtschaftsgeschichte des Bezirks Unternehmensmodelle bekannt, welche voll haftende Privatpersonen als Arbeitsgesellschafter voraussetzen, welche das Risiko tragen und die Arbeit leisten und wo die öffentliche Hand alle „Gewinne“ abgesaugt hat? Wenn Ja, welche?

5.                 Sind der Bezirksstelle der Wirtschaftskammer aus der Wirtschaftsgeschichte des Bezirkes Unternehmensmodelle bekannt, welche voll haftende Privatpersonen als Arbeitsgesellschafter voraussetzen, welche das Risiko tragen und die Arbeit leisten und wo die öffentliche Hand alle „Gewinne“ abgesaugt hat? Wenn Ja, welche?

6.                 Sind der Bezirksstelle der Landwirtschaftskammer aus der Wirtschaftsgeschichte des Bezirkes Unternehmensmodelle bekannt, welche voll haftende Privatpersonen als Arbeitsgesellschafter voraussetzen, welche das Risiko tragen und die Arbeit leisten und wo die öffentliche Hand alle „Gewinne“ abgesaugt hat? Wenn Ja, welche?

7.                 Entspricht es irgendeinem Rechtsprinzip der Österreichischen Rechtsordnung, dass im Bezirk Wirtschaftskörper geschaffen werden, welche voll haftende Privatpersonen als Arbeitsgesellschafter voraussetzen, welche das Risiko tragen und die Arbeit leisten und wo die öffentliche Hand alle „Gewinne“ abgesaugt? Wenn Ja, welche Rechtsprinzipien der Österreichischen Rechtsordnung unterstützen die Idee eines solchen Wirtschaftskörpers?

8.                 Ist der Österreichische Verfassungsgerichtshof berufen, bestehende Wirtschaftskörper im Bezirk, nämlich Agrargemeinschaften, die auf dem Prinzip der unbeschränkten Haftung der beteiligten natürlichen Personen gründen und voraussetzen, dass diese natürlichen Personen als Arbeitsgesellschafter tätig werden, dahin gehend umzugestalten, dass alle (!) nach Abzug der Belastung durch die land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte verbleibenden Erträgnisse[31] durch die öffentliche Hand abgesaugt werden? Wenn Ja, welche Rechtsnorm legitimiert den Verfassungsgerichtshof zu solchen Rechtsänderungen?

9.                 Ist der Tiroler Landesgesetzgeber aus Ausführungsgesetzgeber gem Art 12 Abs 1 B-VG berufen, bestehende Wirtschaftskörper im Bezirk, nämlich Agrargemeinschaften, die auf dem Prinzip der unbeschränkten Haftung der beteiligten natürlichen Personen gründen und voraussetzen, dass diese natürlichen Personen als Arbeitsgesellschafter tätig werden, dahin gehend umzugestalten, dass alle (!) nach Abzug der Belastung durch die land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte verbleibenden Erträgnisse[32] durch die öffentliche Hand abgesaugt werden? Wenn Ja, warum?

10.             Hat irgendeine Ortsgemeinde im Bezirk bereits aus dem Titel „Substanzwert“ Einnahmen von einer Agrargemeinschaft bezogen? Zusatzfragen, wenn Ja: a) Welche Agrargemeinschaft hat bezahlt? b) Welcher Betrag wurde von denjenigen Agrargemeinschaften, die bezahlt haben, für das Kalenderjahr 2010 geleistet? c) Welcher Betrag wurde von denjenigen Agrargemeinschaften, die bezahlt haben, für das Kalenderjahr 2011 geleistet?

11.             Existieren Ortsgemeinden im Bezirk, die für das Budgetjahr 2012 Einnahmen von Seiten einer Agrargemeinschaft budgetiert haben, ohne dass die allfällige Höhe einer Zahlung rechtskräftig festgestellt und entschieden ist? Zusatzfragen, wenn Ja: a) Welche Ortsgemeinden budgetieren solche Einnahmen? b) In welcher Höhe budgetieren Ortsgemeinden solche Einnahmen?

12.             Hat die Bezirksverwaltungsbehörde im Rahmen der Gemeindeaufsicht klargestellt, dass wegen ungeklärter Rechtslage zur Höhe dieser Einnahmen solche im laufenden Budget nicht berücksichtigt werden dürfen? Wenn nein, warum nicht?

13.             Welche bestehenden Agrargemeinschaften werden im Bezirk von den Verwaltungsorganen bei Mitwirkung der jeweiligen Ortsgemeinde als „Gemeindegutsagrargemeinschaften“ geführt?

14.             Welche von diesen als „Gemeindegutsagrargemeinschaften“ geführten Agrargemeinschaften stehen in zumindest einer laufenden Rechtsstreitigkeit mit der Ortsgemeinde im Zusammenhang mit den Rechtspositionen der Ortsgemeinde gem TFLG-Novelle 2010?

15.             Gibt es Agrargemeinschaften im Bezirk, bei denen geplante Investitionen wegen der Rechtsunsicherheit oder wegen Unstimmigkeiten zwischen Ortsgemeinde und Ausschuss der Agrargemeinschaft betreffend die Eigentumsverhältnisse am agrargemeinschaftlichen Vermögen bereits zurückgestellt, aufgeschoben oder abgesagt wurden? Zusatzfrage, wenn Ja:  a) Bei welchen Agrargemeinschaften war dies der Fall? b) In welcher Höhe waren diese Investitionen im Einzelfall geplant?

16.             Existieren Ortsgemeinden im Bezirk, in denen derzeit Bauvorhaben im privaten Wohnbau aufgeschoben sind, weil ein Baugrundverkauf von der Agrargemeinschaft abgelehnt wird? Zusatzfragen, wenn Ja: a) In welchen Ortsgemeinden mussten solche privaten Wohnbauvorhaben aufgeschoben werden? b) Wie viele solcher privaten Wohnbauvorhaben, deren Realisierung aufgeschoben ist, sind in den einzelnen Ortsgemeinden bekannt? c) Lehnt die Agrargemeinschaft den Grundverkauf deshalb ab, weil mit der Ortsgemeinde keine Einigung über die Aufteilung des Verkaufserlöses zustande kommt?

17.             Existieren Ortsgemeinden im Bezirk, in denen derzeit Bauvorhaben im gewerblichen Bereich aufgeschoben sind, weil ein Baugrundverkauf von der Agrargemeinschaft abgelehnt wird? Zusatzfragen, wenn Ja: a) In welchen Ortsgemeinden mussten solche Bauvorhaben im gewerblichen Bereich aufgeschoben werden? b) Wie viele solcher Bauvorhaben im gewerblichen Bereich, deren Realisierung aufgeschoben ist, sind in den einzelnen Ortsgemeinden bekannt? c) Lehnt die Agrargemeinschaft den Grundverkauf deshalb ab, weil mit der Ortsgemeinde keine Einigung über die Aufteilung des Verkaufserlöses zustande kommt?

18.             Gibt es Agrargemeinschaften, die derzeit ohne genehmigtes Budget und ohne genehmigten Jahresabschluss wirtschaften, weil die Agrarbehörde auf dem Standpunkt steht, dass beides die Zustimmung der Ortsgemeinde voraussetzen würde, ohne dass eine Aussicht bestünde, eine Einigungen mit der jeweiligen Ortsgemeinde zu erzielen? Wenn Ja, um welche Agrargemeinschaften handelt es sich dabei?


19.             Gibt es Agrargemeinschaften, die geplante Investitionen wegen der Rechtsunsicherheit betreffend „Substanzwertanspruch der Ortsgemeinde“ aufschieben? Zusatzfragen, wenn Ja: a) Um welche Agrargemeinschaften handelt es sich? b) Welche Investitionssumme wurde in den einzelnen Ortsgemeinden schon im Jahr 2010 zurück gestellt? c) Welche Investitionssumme wurde in den einzelnen Ortsgemeinden im Jahr 2011 zurückgestellt? d) Wie schätzt der Herr Bundesminister die weitere Entwicklung betreffend den entstehenden Investitionsstau ein?

20.             Wird sich der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend dafür einsetzen, dass die seit und durch das Erkenntnis VfSlg 9336/1982 entstandene Wirrnis in Judikatur und Gesetzgebung zum Flurverfassungsrecht und die sich daraus ergebenden Implikationen für das Unternehmensrecht der Agrargemeinschaften durch eine Novelle zum Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 behoben wird? Wenn Nein, warum nicht?

21.             Wird sich der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend dafür einsetzen, dass die Unternehmensform der Agrargemeinschaft ein modernes Organisationsrecht erhält? Wenn Nein, warum nicht?

 


Anhang: Zum historischen Hintergrund

 

Seit Inkrafttreten des Teilungs- und Regulierungs-Landesgesetzes im Jahr 1909[33]  werden in Tirol Liegenschaften in agrargemeinschaftlicher Nutzung „reguliert“. Das bedeutet, dass die Agrarbehörde festgestellt hat, wer diese Liegenschaften nutzen durfte und welches Anteilsrecht die Berechtigten besitzen.

Je nach dem, ob die jeweilige Ortsgemeinde bereits als Verwaltungstruktur implementiert war oder nicht, wurde die Gemeindeordnung um zweckmäßige und notwendige Regelungen zur Sicherstellung zweckmäßiger Verwaltung ergänzt[34] oder es wurde eine Agrargemeinschaft körperschaftlich  eingerichtet.

Das historische Gemeinschaftsland, die Wirtschaftsgenossenschaft der Nachbarn an extensiv genutzten Grund und Boden, bildete über Jahrhunderte eine wesentliche Grundlage des Gemeindeverbandes, der seit jeher einen „doppelten Beruf“ ausgeübt hat, weil dieser historische Gemeindeverband einerseits private Wirtschaftsgenossenschaft war, andererseits politisch-soziales Gebilde[35]. Aus dieser traditionellen Verknüpfung des politisch-sozialen Gemeindeverbandes mit der historischen Wirtschaftsgenossenschaft der Nachbarn (welche die historische „Gemeinde“ bildeten) resultiert die enge Verflechtung der verschiedenen Systeme.

Mit Einrichtung der heutigen Ortsgemeinden aufgrund der Ausführungsgesetze zum Reichsgemeindegesetz 1862 aus der Zeit von 1863 bis 1866 wurde die traditionelle gemeinschaftliche Verwaltung in politisch-sozialen Angelegenheiten („politische Gemeinde“) und in Angelegenheiten der gemeinsamen Wirtschaftsgenossenschaft (Wirtschaftsgemeinde = „Realgemeinde“) fortgeführt; dabei handelt es sich um ein europaweit zu beobachtendes Phänomen[36].

Die Grundbuchanlegung hat sich in allen Österreichischen Ländern streng an das Urkundenprinzip gehalten. Weil diese Urkunden die Gemeinschaftsliegenschaften seit Jahrhunderten unter der Bezeichnung „Gemeinde“ ausgewiesen haben, wurden diese allerorten auch auf diese Eigentümerbezeichnung oder ähnliche Begriffe wie Katastralgemeinde, Commune, Ortschaft, Fraktion usw einverleibt. Besonders instruktiv ist diesbezüglich ein Bericht des NÖ Landesausschusses an den NÖ Landtag aus dem Jahr 1878[37], der aufgrund von vierjährigen Erhebungen in allen Niederösterreichischen Gemeinden zu Stande gekommen war.


Der Österreichische Gesetzgeber hat sich freilich klar gegen eine Kommunalisierung (Verstaatlichung) der Gemeinschaftsliegenschaften positioniert und in §§ 26 Prov. GemG 1849[38] und 11 resp 12 der Ausführungsgesetze zum Reichsgemeindegesetz 1862 ausgesprochen, dass die Errichtung der modernen Ortsgemeinde keine Verstaatlichung der historischen Wirtschaftsgenossenschaften bewirken dürfe[39]. Eine Enteignung der historischen Wirtschaftsgenossenschaften bedürfte einer Gesetzesnorm[40]; eine solche ist gerade nicht ersichtlich, sondern ordnet das positive Recht ausdrücklich an, dass die Errichtung der heutigen Ortsgemeinden ohne Einfluss auf die Eigentumsverhältnisse geblieben ist[41].

 

Die modernen Gemeindeordnungen stellen ausdrücklich klar, dass die Gemeinschaftsliegenschaften, insoweit diese als Gemeindegut in den Strukturen der Ortsgemeinde verwaltet werden, gerade nicht nach Gemeinderecht als Eigentum der Ortsgemeinde zu gelten haben; zuständig sei vielmehr das „Flurverfassungsrecht“. Diese Klarstellung im Gemeinderecht der Länder erfolgte – naturgemäß – für jedes Land unterschiedlich durch den jeweiligen Landesgesetzgeber, zB für Tirol 1935[42], für Vorarlberg


1935[43], für Oberösterreich 1936[44], für Steiermark 1948[45].

 

Weil jedoch in den Ortsgemeinden das private Gemeinschaftseigentum und das Eigentum der Ortsgemeinden nicht leicht auseinander gehalten werden konnten und in Böhmen und Niederösterreich schon in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts zahlreiche Gerichtsstreitigkeiten über die Eigentumsverhältnisse an diesen Liegenschaften ausgebrochen waren, hat der Reichsgesetzgeber 1883 die Grundlagen für die agrarischen Operationen der Teilung oder Regulierung solcher Liegenschaften geschaffen[46]. Voraussetzung war die Schaffung eines entsprechenden Landesgesetzes[47], was in Tirol erst 1909 erfolgte, in Vorarlberg erst 1921.

 


Insoweit keine Teilung beabsichtigt war, wurde nach diesen Landesgesetzen – mit Ausnahme von Kärnten – die Verwaltung dieser Liegenschaften innerhalb der Gemeindeinstitutionen geregelt[48]. Erst das Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1932 hat die vollständige Herauslösung der historischen Gemeinschaftsliegenschaften aus der Gemeindeverwaltung ermöglicht. Voraussetzung war ein entsprechender Antrag von mindestens 25% der mitberechtigten „Teilgenossen“.

Im Regulierungsverfahren hat jedoch immer noch die Alternative bestanden, sich dahingehend zu vereinbaren, dass die Ortsgemeinde Eigentümerin bleiben sollte, wodurch ihr weiterhin die Verwaltung der Gemeinschaftsliegenschaften gesichert war.

 

In Konsequenz bestehen in Tirol drei Varianten von Gemeinschaftsliegenschaften:

a) Gemeinschaftsliegenschaften in Gemeindeverwaltung ohne jedwede agrarbehördliche Regulierung; die Verwaltung erfolgt in Anwendung der Gemeindeordnung über die Bestimmungen zur Verwaltung des Gemeindegutes (zB Gemeinde Galtür, Paznaun);

b) Gemeinschaftsliegenschaften mit agrarbehördliche Regulierung im Eigentum und Verwaltung der Ortsgemeinde und dem Bürgermeister institutionell als „Obmann der Agrargemeinschaft“ (zB Gemeinde Sölden, Ötztal);

c) Gemeinschaftsliegenschaften mit agrarbehördliche Regulierung im Eigentum und Verwaltung der körperschaftlich als juristischen Person eingerichteten Agrargemeinschaft (in Tirol ca 800 Fälle).

 

Obwohl die Tiroler Gemeindeordnung des Jahres 1935 auf der Grundlage des Bundesgrundsatzgesetzes zur Flurverfassung 1932 explizit klar gestellt hatte, dass Gemeinschaftsliegenschaften kein Gemeindeeigentum seien, sondern nur von der Gemeinde so lange verwaltet werden, bis eine agrarbehördliche Regulierung erfolgt ist[49] (gleiches war in Vorarlberg geltendes Recht[50]) und obwohl sich an dieser Klarstellung der Gemeindegesetzgeber nicht das


mindeste geändert hatte (nicht während der gewalt- und Unrechtsherrschaft der Nationalsozialisten[51] und nicht durch die Wiedererrichtung der zweiten Republik[52] und auch nicht durch die weitere Entwicklung des Gemeinderechts[53]), kam es zum Erkenntnis VfSlg 9336/1982, wo behauptet wurde, Gemeindegut sei zwingend Eigentum der jeweiligen Ortsgemeinde.

 

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[1] Zur Entstehung dieses Begriffes beispielsweise Hugelmann, Die Theorie der „Agrargemeinschaften“ im österreichischen bürgerlichen Recht, Zeitschrift für Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit, 1916, 126 ff, 134 ff, 144 ff, 153 f, 159 f und als Gegensatz dazu: Dr. S, Über Realgenossenschaften in Österreich, Zeitschrift für Notariat und freiwillige Gerichtsbarkeit in Österreich, 1886, Nr 46 ff.

[2]              Bekanntlich haben verschiedene Regulierungsverfahren in Tirol so geendet, dass die Parteien im Regulierungsverfahren vereinbart haben, dass die Ortsgemeinde Eigentümerin des Regulierungsgebietes sein soll. Der jeweilige Bürgermeister der betreffenden Ortsgemeinde ist in diesen Fällen oft „ex Regulierungsplan“ in Doppelfunktion Obmann der Agrargemeinschaft. Eine derartige Gestaltung der Eigentumsverhältnisse findet man beispielsweise in Fiss (Liegenschaft in EZ 53 GB 84103 Fiss), Sölden (Liegenschaft in EZ 195 GB 80110 Sölden), St. Anton (Liegenschaft in EZ 106 GB 84010 St. Anton am Arlberg ), Weissenbach (Liegenschaft in EZ 149 GB 86041 Weissenbach ), Nesselwängle (Liegenschaft in EZ 94 GB 86026 Nesselwängle [„Gemeinde Nesselwängle ohne Fraktion Rauth“]), Heiterwang (Liegenschaft in EZ 258 GB 86031 Reutte [„Gemeinde Heiterwang aufgrund Kaufvertrages vom 31.12.1705“]) und andere mehr.

[3]              Vgl nur: Agrargemeinschaft Sölden, ca 2700 ha Wirtschaftsfläche, ist gemäß Regulierungsvereinbarung „typische Gemeindegutsagrargemeinschaft“ mit der Ortsgemeinde Sölden als Eigentümerin der Gemeinschaftsliegenschaften. Der jeweilige Bürgermeister von Sölden führt gem Parteienübereinkommen im Regulierungsverfahren und bescheidmäßiger Genehmigung dazu die Geschäfte der Agrargemeinschaft. Bürgermeister Mag. Ernst Schöpf, Präsident des Tiroler Gemeindeverbandes, erwirtschaftet „in Anwendung der Gemeindeordnung“ mit der Verwaltung der Gemeindegutsagrargemeinschaft Sölden jährliche Abgänge. Zum Stichtag 31.12.2010 hafteten rund EURO 1,687.000,-- an Bankschulden unberichtigt aus, welche bei der Verwaltung der agrargemeinschaftlichen Liegenschaften aufgeschlagen wurden. Weder im Wirtschaftsjahr 2009 noch im Wirtschaftsjahr 2010 wurde ein einziger EURO für „Aufforstung, Pflegemaßnahmen und Forstgärten“ ausgegeben. In beiden Jahresrechnungen ist zur Position „Aufforstung, Pflegemaßnahmen und Forstgärten“ „0,00 EURO“ an Ausgaben ausgewiesen. Ungeachtet einer offensichtlich unzulänglichen Waldpflege wird der Gemeindehaushalt der Ortsgemeinde Sölden durch die Wirtschaftsführung in den Gemeinschaftsliegenschaften beträchtlich belastet.

[4]              Vgl zu dieser historischen Einrichtung, zu welcher die Tiroler Landespolitik zurückkehren will: Hermann Wopfner, Das Allmendregal des Tiroler Landesfürsten (Innsbruck, 1905).

[5] Eccher, FS Barta 213; Lang, Die Teilwaldrechte in Tirol, 58 ff.

[6] Morscher, Gemeinnutzungsrechte am Gemeindegut, ZfV 1982, 1 ff; Schiff, Österreichs Agrarpolitik seit der Grundentlastung, 202 ff.

[7]              Vgl dazu den Bericht des Niederösterreichischen Landesausschusses vom 21. September 1878 betreffend die Regelung der Besitz- und Nutzungsverhältnisse des Gemeindeeigentums, XXVII der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des niederösterreichischen Landtages, 5. Wahlperiode, Seite 8: Die alte Organisation der Nachbarschaft war zertrümmert, weil die Nachbarschaft im „modernen Staate“ den öffentlichen Charakter verloren hätte, „ohne dass man daran dachte, ihre genossenschaftliche Organisation in Bezug auf ihre Privatrechte zu erhalten“. Die ‚Gemeinde’ erschien jedoch in allen Urkunden als Eigentümerin und „so beerbte die moderne Gemeinde ihre Mutter, die Nachbarschaft, ohne dass Letztere gestorben wäre“.

[8]              Ausführlich dazu bereits Julius Weiske, Über Gemeindegüter und deren Benutzung durch die Mitglieder nach den Bestimmungen der neuen Gemeindegesetze, insbesondere in Württemberg, Hessen und Baden, nebst beurteilender Darstellung des neuen österreichischen Gemeindegesetzes, Leipzig 1849, passim; vgl auch Öhlinger/Oberhofer/Kohl, Das Eigentum der Agrargemeinschaft, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler/Raber (Hrsg), Die Agrargemeinschaften in Westösterreich, 46f.

[9]              Bericht des Niederösterreichischen Landesausschusses vom 21. September 1878 betreffend die Regelung der Besitz- und Nutzungsverhältnisse des Gemeindeeigentums, XXVII der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des niederösterreichischen Landtages, 5. Wahlperiode, Seite 8.

[10]             Carl Peyrer, Die Regelung der Grundeigentums-Verhältnisse. Nebst einem Gesetzesentwurf über die Zusammenlegung der Grundstücke, die Ablösung und Regulierung der gemeinschaftlichen Nutzungsrechte und die Ablösung von nach dem Patente vom 5. Juli 1853 regulierten Nutzungsrechten samt Durchführungsverordnung, Formularien und Motivenberichten (Wien 1877).

[11]             Ausführlich dazu: Mayer, Politische Ortsgemeinde versus Realgemeinde, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler (Hrsg), Die Agrargemeinschaften in Tirol, 196 ff, sowie Öhlinger, Das Gemeindegut in der Judikatur des VfGH, aaO, 245 ff; Öhlinger/Oberhofer/Kohl, das Eigentum der Agrargemeinschaft, in: Die Agrargemeinschaften in Westösterreich, 66f.

[12]             TFLG-Novelle 2010, (Tiroler) LGBl 7/2010.

[13]             An das Eigentum knüpfen umfangreiche Pflichten und zivil- und verwaltungsrechtliche Haftung. Diese Rechtsposition soll deshalb nicht zur Disposition stehen.

[14]             § 33 Abs 5 1. Satz TFLG 1996 idF LGBl 7/2010: „(5) Der Substanzwert eines agrargemeinschaftlichen Grundstückes ist jener Wert, der nach Abzug der Belastung durch die land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte verbleibt. Der Substanzwert steht der Gemeinde zu.

[15]             § 33 Abs 5 1. Satz TFLG 1996 idF LGBl 7/2010: „(5) Der Substanzwert eines agrargemeinschaftlichen Grundstückes ist jener Wert, der nach Abzug der Belastung durch die land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte verbleibt. Der Substanzwert steht der Gemeinde zu.§ 35 Abs 7 2. und 3. Satz leg cit.: „In Angelegenheiten, die den Substanzwert der agrargemeinschaftlichen Grundstücke (§ 33 Abs. 5) betreffen, kann ein Organbeschluss nur mit Zustimmung der Gemeinde rechtswirksam gefasst werden. Die Gemeinde kann in derartigen Angelegenheiten den Organen der Agrargemeinschaft Aufträge erteilen“.

[16]             Zu Nutzungs- und Verfügungseigentum grundlegend: Harry Westermann, Zulässigkeit und Folgen einer Aufspaltung des Bodeneigentums in Verfügungs- und Nutzungseigentum (1974); Fritz Baur, Möglichkeiten und Grenzen des Zivilrechts bei der Gewährleistung Öffentlicher und sozialer Erfordernisse im Bodenrecht, AcP 1976, 97 ff; Peter Badura, Möglichkeiten und Grenzen des Zivilrechts bei der Gewährleistung Öffentlicher und sozialer Erfordernisse im Bodenrecht, AcP 1976, 120 ff.

[17] Ausführlich dazu: Pernthaler, Verfassungsrechtliche Probleme der TFLG-Novelle 2010, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler/Raber [Hrsg], Die Agrargemeinschaften in Westösterreich (2012) 512ff.

[18]             § 35 Abs 7 „(7) Bei Agrargemeinschaften nach § 33 Abs. 2 lit. c ist dem Ausschuss und der Vollversammlung jedenfalls ein von der Gemeinde entsandter Vertreter beizuziehen.“

[19]             § 35 Abs 7 „In Angelegenheiten, die den Substanzwert der agrargemeinschaftlichen Grundstücke (§ 33 Abs. 5) betreffen, kann ein Organbeschluss nur mit Zustimmung der Gemeinde rechtswirksam gefasst werden.“

[20]             § 35 Abs 7 „Die Gemeinde kann in derartigen Angelegenheiten den Organen der Agrargemeinschaft Aufträge erteilen und, falls diese nicht befolgt werden, die Agrarbehörde anrufen.“

[21]             Vgl nur: Agrargemeinschaft Sölden, ca 2700 ha Wirtschaftsfläche, ist gemäß Regulierungsvereinbarung „typische Gemeindegutsagrargemeinschaft“ mit der Ortsgemeinde Sölden als Eigentümerin der Gemeinschaftsliegenschaften. Der jeweilige Bürgermeister von Sölden führt gem Parteienübereinkommen im Regulierungsverfahren und bescheidmäßiger Genehmigung dazu die Geschäfte der Agrargemeinschaft. Bürgermeister Mag. Ernst Schöpf, Präsident des Tiroler Gemeindeverbandes, erwirtschaftet „in Anwendung der Gemeindeordnung“ mit der Verwaltung der Gemeindegutsagrargemeinschaft Sölden jährliche Abgänge. Zum Stichtag 31.12.2010 hafteten rund EURO 1,687.000,-- an Bankschulden unberichtigt aus, welche bei der Verwaltung der agrargemeinschaftlichen Liegenschaften aufgeschlagen wurden. Weder im Wirtschaftsjahr 2009 noch im Wirtschaftsjahr 2010 wurde ein einziger EURO für „Aufforstung, Pflegemaßnahmen und Forstgärten“ ausgegeben. In beiden Jahresrechnungen ist zur Position „Aufforstung, Pflegemaßnahmen und Forstgärten“ „0,00 EURO“ an Ausgaben ausgewiesen. Ungeachtet einer offensichtlich unzulänglichen Waldpflege wird der Gemeindehaushalt der Ortsgemeinde Sölden durch die Wirtschaftsführung in den Gemeinschaftsliegenschaften beträchtlich belastet. Andere Regulierungsverfahren, die mit dem Zuspruch von Eigentum an die Ortsgemeinde endeten waren zB Fiss (Liegenschaft in EZ 53 GB 84103 Fiss), St. Anton (Liegenschaft in EZ 106 GB 84010 St. Anton am Arlberg ), Weissenbach (Liegenschaft in EZ 149 GB 86041 Weissenbach ), Nesselwängle (Liegenschaft in EZ 94 GB 86026 Nesselwängle [„Gemeinde Nesselwängle ohne Fraktion Rauth“]), Heiterwang (Liegenschaft in EZ 258 GB 86031 Reutte [„Gemeinde Heiterwang aufgrund Kaufvertrages vom 31.12.1705“]) und andere mehr.

[22]             Zum Zusammenhang zwischen Einzeleigentum und Miteigentum am ungeteilten Gemeinschaftsland: Kohl/Oberhofer, Gemeinschaftsgut und Einzeleigentum, in Kohl/Oberhofer/Pernthaler/Raber [Hg], Die Agrargemeinschaften in Westösterreich (2012) 29ff. Vgl schon: Julius Weiske, Über Gemeindegüter und deren Benutzung durch die Mitglieder, Leibzig 1849, Seite 10: „So wären denn die Gemeinden darüber aufzuklären, wie diese Güter entstanden sind, wie die jetzt bevorzugt erscheinenden Mitglieder die rechtlichen Nachfolger derer sind, welche die heute sog. Gemeindegüter ungeteilt ließen, um sie gemeinschaftlich oder nach bestimmt festgesetzten Anteilen für sich zu benutzen. Dabei muss man in Erwägung ziehen, dass die, welche diese Einrichtung trafen, ebenso gut jene Grundstücke hätten teilen und zu ihren Äckern oder Privatgütern schlagen können. Wäre dies geschehen, so würde heute niemand behaupten: Da wir jetzt alle wirkliche Gemeindeglieder, gleichberechtigt und gleich verpflichtet sind, so darf auch kein Mitglied ein größeres Gut oder mehr Wald als ein anderes haben.“

[23]             Ausführlich dazu: Peter Pernthaler, Verfassungsrechtliche Probleme der TFLG-Novelle 2010, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler/Raber [Hrsg], Die Agrargemeinschaften in Westösterreich (2012) 512ff.

[24]             Dass die öffentlichen Einrichtungen mit Gemeinschaftsliegenschaften nicht zu wirtschaften verstehen, beweisen die „typischen Gemeindeguts- Agrargemeinschaften“ – wie Sölden ua. Agrargemeinschaft Sölden, ca 2700 ha Wirtschaftsfläche, ist gemäß Regulierungsvereinbarung „typische Gemeindegutsagrargemeinschaft“ mit der Ortsgemeinde Sölden als Eigentümerin der Gemeinschaftsliegenschaften. Der jeweilige Bürgermeister von Sölden führt gem Parteienübereinkommen im Regulierungsverfahren und bescheidmäßiger Genehmigung dazu die Geschäfte der Agrargemeinschaft. Bürgermeister Mag. Ernst Schöpf, Präsident des Tiroler Gemeindeverbandes, erwirtschaftet „in Anwendung der Gemeindeordnung“ mit der Verwaltung der Gemeindegutsagrargemeinschaft Sölden jährliche Abgänge. Zum Stichtag 31.12.2010 hafteten rund EURO 1,687.000,-- an Bankschulden unberichtigt aus, welche bei der Verwaltung der agrargemeinschaftlichen Liegenschaften aufgeschlagen wurden. Weder im Wirtschaftsjahr 2009 noch im Wirtschaftsjahr 2010 wurde ein einziger EURO für „Aufforstung, Pflegemaßnahmen und Forstgärten“ ausgegeben. In beiden Jahresrechnungen ist zur Position „Aufforstung, Pflegemaßnahmen und Forstgärten“ „0,00 EURO“ an Ausgaben ausgewiesen. Ungeachtet einer offensichtlich unzulänglichen Waldpflege wird der Gemeindehaushalt der Ortsgemeinde Sölden durch die Wirtschaftsführung in den Gemeinschaftsliegenschaften beträchtlich belastet.

[25]             VwGH Zl 2010/07/0091, Pkt 4 Abs 1 „Die Agrargemeinschaft ist zwar "bloß formale Eigentümerin", allerdings - zivilrechtlich betrachtet - Alleineigentümerin der agrargemeinschaftlichen Grundstücke. Das der Gemeinde zukommende Recht auf den Substanzwert verwirklicht sich hier nicht in einer Form des Miteigentums, sondern als agrargemeinschaftliches Anteilsrecht.“

[26] (VfSlg 18.446/2008 Pkt B II. 1. Abs 2. der Begründung:) „Wenn die Agrarbehörden in den Sechziger Jahren also das Eigentum am Gemeindegut auf die Agrargemeinschaft übertragen haben, war das durch das Vorbild der echten Agrargemeinschaften vielleicht nahe gelegt, im Blick auf das Ergebnis aber offenkundig verfassungswidrig. Ist dieser Akt jedoch - wie hier - rechtskräftig geworden, ist Gemeindegut entstanden, das nun atypischerweise im gemeinsamen Eigentum der Gemeinde und der Nutzungsberechtigten steht und als Agrargemeinschaft organisiert ist (vgl. VfSlg. 17.779/2006).“ Wie ein solches Eigentum der juristischen Person existieren kann, hat der Gerichtshof jedenfalls nicht erklärt.

[27]             ( VfSlg 18.446/2008 Pkt B. II. 2. Abs 4 der Begründung:) „Das für das Gemeindegut wesentliche Substanzrecht der Gemeinde muss hier - entgegen dem ursprünglichen (gemeinderechtlichen) Konzept des Gemeindegutes, das sie als Eigentümerin vorsieht, - als (möglicherweise im Ausmaß wechselnder) Anteil an der Agrargemeinschaft zur Geltung gebracht werden können.“ (VfSlg 18.446/2008, Pkt B II. 3. Abs 4:) „Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes verkehrt die Ablehnung der These, die Gemeinde habe ihr Eigentum nur als Treuhänder der Nutzungsberechtigten (als "Realgemeinde") inne gehabt, geradezu ins Gegenteil, wenn er daraus ableitet, das nunmehrige Eigentum der Agrargemeinschaft verbiete es einen über die Nutzungsrechte hinausgehenden Anteil am Substanzwert der Gemeinde zuzuordnen. Dass dieser - großen Schwankungen unterliegende - Substanzwert aus welchen Gründen immer seinerzeit vernachlässigt worden ist, rechtfertigt nicht, ihn dauerhaft außer Betracht zu lassen.“ Wo der Anteil an der Substanz verbleibt, der dem Anteil der Mitglieder entspricht, wird nicht erklärt. Völlig zu Recht wurde bereits von verschiedener Stelle darauf hingewiesen, dass die Mitglieder auch substanzberechtigt sein müssen.

[28]             VfSlg 18.446/2008, Pkt II B Z 4 (Seite 22 des Originalerkenntnisses unten): „Anders als die allgemein als öffentlich-rechtlich angesehenen […] Nutzungsrechte, ist der Anteil der Gemeinde an dem als agrargemeinschaftliches Grundstück regulierten Gemeindegut als Surrogat ihres ursprünglichen (durch die Regulierung beseitigten) Alleineigentums und somit auch in Gestalt des bloßen Anteils an der Agrargemeinschaft jedenfalls Eigentum im Sinne des Art5 StGG bzw. Art1 1. ZP EMRK.“

[29]             Recht auf den Substanzwert und Zustimmungs- und Einwirkungsrechte gem TFLG-Novelle LGBl 7/2010.

[30]             § 33 Abs 5 1. Satz TFLG 1996 idF LGBl 7/2010: „(5) Der Substanzwert eines agrargemeinschaftlichen Grundstückes ist jener Wert, der nach Abzug der Belastung durch die land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte verbleibt. Der Substanzwert steht der Gemeinde zu.

[31]             VfGH B 1645/10 vom 28.02.2011, Pkt III. 2.2.2.3. „Im Erkenntnis VfSlg. 18.446/2008 wurde ausgesprochen, dass der über die Summe der Nutzungsrechte hinausgehende Substanzwert des Gemeindegutes der Gemeinde zusteht und das Substanzrecht der Gemeinde als Anteil an der Agrargemeinschaft zur Geltung gebracht werden können muss. Vor diesem Hintergrund erachtet es der Verfassungsgerichtshof für sachlich gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber die Mitwirkung der substanzberechtigten Gemeinde an den Sitzungen der Organe einer Agrargemeinschaft nach §33 Abs2 litc Z2 TFLG 1996 anordnet (§35 Abs7 Satz 1 TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010).“ Pkt III. 2.2.2.4.  der Begründung: „Auch gegen die Regelungen, denen zufolge substanzwertrelevante Organbeschlüsse nur mit Zustimmung der Gemeinde gefasst werden können (Satz 2), hegt der Verfassungsgerichtshof keine Bedenken mit Blick auf das Sachlichkeitsgebot. Die beschwerdeführende Agrargemeinschaft vernachlässigt in ihrer gegenteiligen Argumentation den Umstand, dass der Substanzwert ausschließlich der Gemeinde zusteht (vgl. bereits VfSlg. 18.446/2008). Die übrigen Mitglieder der Agrargemeinschaft verfügen demgegenüber in Ansehung des Substanzwerts über keinerlei Rechte. Die Einräumung eines Zustimmungsrechts der Gemeinde ist daher sachlich gerechtfertigt.“ S auch § 33 Abs 5 1. Satz TFLG 1996 idF LGBl 7/2010: „(5) Der Substanzwert eines agrargemeinschaftlichen Grund­stückes ist jener Wert, der nach Abzug der Belastung durch die land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte verbleibt. Der Substanzwert steht der Gemeinde zu.“

[32]             VfGH B 1645/10 vom 28.02.2011, Pkt III. 2.2.2.3. „Im Erkenntnis VfSlg. 18.446/2008 wurde ausgesprochen, dass der über die Summe der Nutzungsrechte hinausgehende Substanzwert des Gemeindegutes der Gemeinde zusteht und das Substanzrecht der Gemeinde als Anteil an der Agrargemeinschaft zur Geltung gebracht werden können muss. Vor diesem Hintergrund erachtet es der Verfassungsgerichtshof für sachlich gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber die Mitwirkung der substanzberechtigten Gemeinde an den Sitzungen der Organe einer Agrargemeinschaft nach §33 Abs2 litc Z2 TFLG 1996 anordnet (§35 Abs7 Satz 1 TFLG 1996 idF LGBl. 7/2010).“ Pkt III. 2.2.2.4.  der Begründung: „Auch gegen die Regelungen, denen zufolge substanzwertrelevante Organbeschlüsse nur mit Zustimmung der Gemeinde gefasst werden können (Satz 2), hegt der Verfassungsgerichtshof keine Bedenken mit Blick auf das Sachlichkeitsgebot. Die beschwerdeführende Agrargemeinschaft vernachlässigt in ihrer gegenteiligen Argumentation den Umstand, dass der Substanzwert ausschließlich der Gemeinde zusteht (vgl. bereits VfSlg. 18.446/2008). Die übrigen Mitglieder der Agrargemeinschaft verfügen demgegenüber in Ansehung des Substanzwerts über keinerlei Rechte. Die Einräumung eines Zustimmungsrechts der Gemeinde ist daher sachlich gerechtfertigt.“ S auch § 33 Abs 5 1. Satz TFLG 1996 idF LGBl 7/2010: „(5) Der Substanzwert eines agrargemeinschaftlichen Grund­stückes ist jener Wert, der nach Abzug der Belastung durch die land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte verbleibt. Der Substanzwert steht der Gemeinde zu.“

[33]        Gesetz für die gefürstete Grafschaft vom 19. Juni 1909 LGBl 61/1909 die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der hierauf bezüglichen Benützungs- und Verwaltungsrechte.

[34]             Die Regulierung der Verwaltungsrechte hatte nur insofern stattzufinden, als die Verwaltung der Gemeinschaftsliegenschaft nicht schon durch die Gemeindeordnung oder andere, das Gemeindegut betreffende Vorschriften geregelt war, oder insofern innerhalb der letzterwähnten Regelungen noch besondere Vorkehrungen zur angemessenen Verwaltung notwendig erkannt wurden (§ 12 Abs 2 des Mähr-TRLG 1884; § 7 Abs 2 NÖ-TRLG 1886; § 7 Abs 2 Krain-TRLG 1887, § 12 Abs 2 Schles-TRLG 1888; § 12 Abs 2 Slbg-TRLG 1892; §§ 3 Abs 2 St-TRLG 1909 = 3 Abs 2 T-TRLG 1909 = 3 Abs 2 OÖ-TRLG 1909; § 3 Abs 2 Vlbg-TRLG 1921): „Die Regulierung der Verwaltungsrechte bezüglich gemeinschaftlicher Grundstücke findet nach diesem Gesetz nur insofern statt, als die Verwaltung solcher Grundstücke nicht schon durch die Gemeindeordnung oder andere, das Gemeindegut betreffende Vorschriften geregelt ist oder insofern innerhalb der letzterwähnten Regelung noch besondere Vorkehrungen zur angemessenen Verwaltung von als Gemeindegut benützten Grundstücken notwendig erkannt werden.“

[35]             Gierke, Deutsches Privatrecht, I, 577 f.

[36]             Grundlegend: Julius Weiske, Über Gemeindegüter und deren Benutzung durch die Mitglieder nach den Bestimmungen der neuen Gemeindegesetze, insbesondere in Württemberg, Hessen und Baden, nebst beurteilender Darstellung des neuen österreichischen Gemeindegesetzes, Leipzig 1849.

[37] Bericht des Niederösterreichischen Landesausschusses vom 21. September 1878 betreffend die Regelung der Besitz- und Nutzungsverhältnisse des Gemeindeeigentums, XXVII der Beilagen zu den stenographischen Protokollen des niederösterreichischen Landtages, 5. Wahlperiode, Seite 8. Der Bericht des NÖ Landesausschuss vom 21. September 1878 bringt eine historische Entwicklung drastisch zum Ausdruck, wenn er feststellt, dass die alte Organisation der Nachbarschaft „zertrümmert“ war, weil die Nachbarschaft im „modernen Staate“ den öffentlichen Charakter verloren hätte, „ohne dass man daran dachte, ihre genossenschaftliche Organisation in Bezug auf ihre Privatrechte zu erhalten“. Die ‚Gemeinde’ erschien jedoch in allen Urkunden als Eigentümerin und „so beerbte die moderne Gemeinde ihre Mutter, die Nachbarschaft, ohne dass Letztere gestorben wäre.“

[38]             § 26 der provisorischen Gemeindeordnung 1849 bestimmt klar und deutlich: „Die privatrechtlichen Verhältnisse überhaupt und insbesondere die Eigenthums- und Nutzungsrechte ganzer Classen oder einzelner Glieder der Gemeinde bleiben ungeändert.“

[39]             Öhlinger, Das Gemeindegut in der Judikatur des VfGH, in: Die Agrargemeinschaften in Tirol, 246: „So scharf nämlich die Zäsur ist, die das provisorische Gemeindegesetz in der Entwicklung des Gemeinderechts setzt, so klar sagt dieses Gesetz selbst in seinem § 26: `Die privatrechtlichen Verhältnisse überhaupt und insbesondere die Eigenthums- und Nutzungsrechte ganzer Klassen oder einzelner Glieder der Gemeinde bleiben ungeändert.´ Dieser Satz findet sich gleichlautend in den Ausführungsgesetzen der einzelnen Kronländer zum Reichsgemeindegesetz von 1862, mit denen der Prozess der „Schaffung“ der politischen Gemeinde zum Abschluss kommt, so in § 11 Vorarlberger Gemeindeordnung von 1864 und § 12 TGO 1866. Wenn hier explizit auf das Eigentum `ganzer Klassen´ Bezug genommen wird, so lässt sich nicht deutlicher zum Ausdruck bringen, dass auch das Eigentum der bisherigen Agrargemeinden (`Realgemeinden´) nicht verändert werden sollte.“

[40]             Heinz Mayer, Politische Ortsgemeinde versus Realgemeinde: Zur Frage des Überganges des historischen Gemeindevermögens, in: Kohl/Oberhofer/Pernthaler, Die Agrargemeinschaften in Tirol, 198 f: „Eine solche positivrechtliche Anordnung, die einen Eigentumsübergang normiert, existiert jedoch nicht; das Gegenteil ist der Fall: § 26 der provisorischen Gemeindeordnung 1849 bestimmt klar und deutlich: „Die privatrechtlichen Verhältnisse überhaupt und insbesondere die Eigenthums- und Nutzungsrechte ganzer Classen oder einzelner Glieder der Gemeinde bleiben ungeändert.“ Die Bestimmung ist eindeutig: Eine Änderung privatrechtlicher Verhältnisse wird durch das Inkrafttreten der provisorischen Gemeindeordnung nicht bewirkt und war vom Gesetzgeber auch nicht beabsichtigt. Dies bedeutet aber, dass es auch keine Rechtsnachfolge gibt.“

[41]             § 26 der provisorischen Gemeindeordnung 1849 bestimmt klar und deutlich: „Die privatrechtlichen Verhältnisse überhaupt und insbesondere die Eigenthums- und Nutzungsrechte ganzer Classen oder einzelner Glieder der Gemeinde bleiben ungeändert.“ S auch §§ 11 resp 12 der Ausführungsgesetze zum Reichsgemeindegesetz 1862.

[42]           Artikel III. Tiroler LGBl 1935/36: Bis zum Inkrafttreten des Flurverfassungs-Landesgesetzes gelten für das Gemeindegut, insoweit es aus agrargemeinschaftlichen Grundstücken besteht, folgende Bestimmungen: 1. Über Ansprüche auf Nutzungen des Gemeindegutes entscheidet in I. Instanz der Gemeindetag. 2. Die Verteilung des Gemeinde-(Fraktions)Gutes oder eines Teiles davon unter die Gemeindemitglieder ist in der Regel unzulässig. Ausnahmen bewilligt die Landesregierung, wenn besonders triftige Gründe vorliegen. 3. …; § 79 Tiroler Gemeindeordnung 1935: Die Verteilung des Gemeindevermögens und Gemeindeguts oder eines Teiles davon unter die Gemeindemitglieder ist in der Regel unzulässig. Ausnahmen bewilligt die Landesregierung, wenn besonders triftige Gründe vorliegen. Insoweit es sich beim Gemeindegut um agrargemeinschaftliche Grundstücke handelt, ist die Teilung im Flurverfassungslandesgesetz geregelt. § 114 Abs 3 TGO 1935: Die Verteilung des Gemeindevermögens und Gemeindeguts oder eines Teiles davon unter die Gemeindemitglieder ist in der Regel unzulässig. Ausnahmen bewilligt die Landesregierung, wenn besonders triftige Gründe vorliegen. Insoweit es sich beim Gemeindegut um agrargemeinschaftliche Grundstücke handelt, ist die Teilung im Flurverfassungslandesgesetz geregelt. § 117 TGO 1935: Für die Regelung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Gemeindeguts, insoweit dieses aus agrargemeinschaftlichen Grundstücken im Sinne des Flurverfassungslandesgesetzes besteht, sind die Bestimmungen des Flurverfassungslandesgesetzes maßgebend. § 120 Abs 2 TGO 1935: Nutzungsrechte haften an der Liegenschaft und können im Allgemeinen nur mit dieser rechtsgültig übertragen werden. (2) Für die ausnahmsweise Übertragung von Nutzungsrechten an agrargemeinschaftlichen Grundstücken sind die Bestimmungen des Flurverfassungslandesgesetzes maßgebend.“

[43]           § 102 Abs 3 Vlbg Gemeindeordnung 1935 (Vorarlberger) LGBl 1935/25: „Die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der als agrargemeinschaftliche Grundstücke im Sinn des § 15 Absatz 2 Punkt d des Bundesgesetzes betreffend Grundsätze für die Flurverfassung BGBl Nr 256/1932 geltenden Teile des Gemeindegutes, werden durch das Ausführungsgesetz zu diesem Bundesgesetz geregelt; bis dahin bleiben die bisher geltenden Vorschriften in Kraft.“ § 91 Abs 4 Vorarlberger Gemeindegesetz 1965 (LGBl 45/1965) = § 99 Vorarlberger Gemeindegesetz 1985: „Die Gemeinde als Trägerin von Privatrechten ist verpflichtet, Gemeindegut, dessen rechtliche und wirtschaftliche Verhältnisse noch nicht nach den Bestimmungen des II. Hauptstückes des Flurverfassungsgesetzes, LGBl Nr 4/1951, geordnet sind, vorläufig nach den Bestimmungen des Flurverfassungsgesetzes zu verwalten.“

[44]           § 67 Oö Gemeindeordnung 1948, Anlage 1 zum Gesetz vom 7. Juli 1948 LGBl 22/1949: „Die Bestimmungen dieses Gesetzes finden auf jene Teile des Gemeindegutes, die als agrargemeinschaftliche Grundstücke im Sinne des § 15, Abs (2), Punkt d, des Bundesgesetzes vom Jahr 1932, BGBl Nr 256, betreffend Grundsätze für die Flurverfassung, gelten, nur insofern Anwendung, als sie mit diesem Grundsatzgesetz und dem Ausführungsgesetze hiezu nicht im Widerspruch stehen. Bis zur Erlassung des Ausführungsgesetzes bleiben die geltenden Vorschriften in Kraft.“ § 67 Oberösterreichische Gemeindeordnung 1936. „Die Bestimmungen dieses Gesetzes finden auf jene Teile des Gemeindegutes, die als agrargemeinschaftliche Grundstücke im Sinn des § 15, Absatz 2, Punkt d, des Bundesgesetzes vom Jahre 1932, BGBl Nr 256, betreffend Grundsätze für die Flurverfassung, gelten, nur insoweit Anwendung, als sie mit diesem Grundsatzgesetz und dem Ausführungsgesetze hiezu nicht in Widerspruch stehen. Bis zur Erlassung des Ausführungsgesetzes bleiben die geltenden Vorschriften in Kraft.“ § 69 Abs 5 Oberösterreichische Gemeindeordnung 1936: „Über Ansprüche auf Nutzungen des Gemeindegutes entscheidet der Gemeindetag. Bei agrargemeinschaftlichen Grundstücken im Sinn der Grundsätze für die Flurverfassung (BGBl Nr 256/1932), entscheiden nach Inkrafttreten des Landes-Ausführungsgesetzes im Streitfalle die Agrarbehörden.“

[45]           § 61 Abs 3 des Steirischen Gesetzes vom 6. Juli 1948 über die Änderung der Gemeindeordnung, LGBl 52/1948: „§ 61. Gemeindegut. (1) Sachen, welche zum Gebrauche eines jeden Gemeindemitgliedes einer Gemeinde dienen, bilden das Gemeindegut. Insbesonders gehören zum Gemeindegut Grundstücke, welche von allen oder nur von gewissen Gemeindemitgliedern einer Gemeinde oder einer Ortschaft zur Deckung ihres Guts- und Hausbedarfes gemeinschaftlich oder wechselseitig benützt werden. (2) … (3) Nach den aufgrund des Artikels 12, Abs (1), Punkt 5, der Bundesverfassung 1929 erlassenen Gesetzen unterliegt das in Abs (1) bezeichnete Gemeindegut den Bestimmungen dieser Gesetze. Die Entscheidung über den Bestand des Gemeindegutes als agrarische Gemeinschaft im Sinne dieser Gesetze, über den Verkauf des Gemeindegutes oder von Teilen desselben, ferner über die Übertragung von Nutzungsrechten an andere Gemeindemitglieder und die Höhe der einzelnen Nutzungen steht den Agrarbehörden zu. (4) Die Gemeindebehörde hat darauf zu achten, dass die Nutzungen der Gemeindemitglieder nicht über den notwendigen Guts- und Hausbedarf hinaus in Anspruch genommen werden und diese Nutzungen der nachhaltigen Bewirtschaftung des Grundstückes, insbesondere bei Waldungen, entsprechen. Nötigenfalls ist die Entscheidung der Agrarbehörde einzuholen.“

[46]) Gesetz vom 7. Juni 1883 betreffend die Teilung gemeinschaftlicher Grundstücke und die Regulierung der hierauf bezüglichen gemeinschaftlichen Benützungs- und Verwaltungsrechte, RGBl 1883/94.

[47]) Gesetz für die Markgrafschaft Mähren vom 13.2.1884, LGBl 31/1884 (Mähr-TRLG); Gesetz für das Herzogtum Kärnten vom 5.6.1885, LGBl 23/1885 (K-TRLG); Gesetz für das Erzherzogtum Österreich unter der Enns vom 3.6.1886, LGBl 39/1886 (NÖ-TRLG 1886); Gesetz für das Herzogtum Krain vom 26.10.1887, LGBl 2/1888 (Krain-TRLG), Gesetz für das Herzogtum Schlesien vom 28.12.1887, LGBl 13/1888 (Schles-TRLG); Gesetz für das Herzogtum Salzburg vom 11.10.1892, LGBl 32/1892 (Slbg-TRLG); Gesetz für das Herzogtum Steiermark vom 26. Mai 1909 LGBl 44/1909 (St-TRLG 1909); Gesetz für die gefürstete Grafschaft vom 19. Juni 1909 LGBl 61/1909 (T-TRLG 1909); Gesetz für das Erzherzogtum Österreich ob der Enns vom 28. Juni 1909 LGBl 36/1909 (OÖ-TRLG 1909) und das Gesetz für das Land Vorarlberg vom 11. Juli 1921 LGBl 1921/115 (V-TRLG 1921).

[48]             Die Regulierung der Verwaltungsrechte hatte nur insofern stattfinden, als die Verwaltung der Gemeinschaftsliegenschaft nicht schon durch die Gemeindeordnung oder andere, das Gemeindegut betreffende Vorschriften geregelt war, oder insofern innerhalb der letzterwähnten Regelungen noch besondere Vorkehrungen zur angemessenen Verwaltung notwendig erkannt wurden (vgl § 12 Abs 2 des Mähr-TRLG 1884; § 7 Abs 2 NÖ-TRLG 1886; § 7 Abs 2 Krain-TRLG 1887, § 12 Abs 2 Schles-TRLG 1888; § 12 Abs 2 Slbg-TRLG 1892; §§ 3 Abs 2 St-TRLG 1909 = 3 Abs 2 T-TRLG 1909 = 3 Abs 2 OÖ-TRLG 1909; § 3 Abs 2 Vlbg-TRLG 1921).

[49]           Artikel III. Tiroler LGBl 1935/36: Bis zum Inkrafttreten des Flurverfassungs-Landesgesetzes gelten für das Gemeindegut, insoweit es aus agrargemeinschaftlichen Grundstücken besteht, folgende Bestimmungen: 1. Über Ansprüche auf Nutzungen des Gemeindegutes entscheidet in I. Instanz der Gemeindetag. 2. Die Verteilung des Gemeinde-(Fraktions)Gutes oder eines Teiles davon unter die Gemeindemitglieder ist in der Regel unzulässig. Ausnahmen bewilligt die Landesregierung, wenn besonders triftige Gründe vorliegen. 3. …; § 79 TGO 1935: Die Verteilung des Gemeindevermögens und Gemeindeguts oder eines Teiles davon unter die Gemeindemitglieder ist in der Regel unzulässig. Ausnahmen bewilligt die Landesregierung, wenn besonders triftige Gründe vorliegen. Insoweit es sich beim Gemeindegut um agrargemeinschaftliche Grundstücke handelt, ist die Teilung im Flurverfassungslandesgesetz geregelt. § 114 Abs 3 TGO 1935: Die Verteilung des Gemeindevermögens und Gemeindeguts oder eines Teiles davon unter die Gemeindemitglieder ist in der Regel unzulässig. Ausnahmen bewilligt die Landesregierung, wenn besonders triftige Gründe vorliegen. Insoweit es sich beim Gemeindegut um agrargemeinschaftliche Grundstücke handelt, ist die Teilung im Flurverfassungslandesgesetz geregelt. § 117 TGO 1935: Für die Regelung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Gemeindeguts, insoweit dieses aus agrargemeinschaftlichen Grundstücken im Sinne des Flurverfassungslandesgesetzes besteht, sind die Bestimmungen des Flurverfassungslandesgesetzes maßgebend. § 120 Abs 2 TGO 1935: Nutzungsrechte haften an der Liegenschaft und können im Allgemeinen nur mit dieser rechtsgültig übertragen werden. (2) Für die ausnahmsweise Übertragung von Nutzungsrechten an agrargemeinschaftlichen Grundstücken sind die Bestimmungen des Flurverfassungslandesgesetzes maßgebend.“

[50]           § 102 Abs 3 Vlbg Gemeindeordnung 1935 (Vorarlberger) LGBl 1935/25: „Die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der als agrargemeinschaftliche Grundstücke im Sinn des § 15 Absatz 2 Punkt d des Bundesgesetzes betreffend Grundsätze für die Flurverfassung BGBl Nr 256/1932 geltenden Teile des Gemeindegutes, werden durch das Ausführungsgesetz zu diesem Bundesgesetz geregelt; bis dahin bleiben die bisher geltenden Vorschriften in Kraft.“ § 91 Abs 4 Vorarlberger Gemeindegesetz 1965 (LGBl 45/1965) = § 99 Vorarlberger Gemeindegesetz 1985: „Die Gemeinde als Trägerin von Privatrechten ist verpflichtet, Gemeindegut, dessen rechtliche und wirtschaftliche Verhältnisse noch nicht nach den Bestimmungen des II. Hauptstückes des Flurverfassungsgesetzes, LGBl Nr 4/1951, geordnet sind, vorläufig nach den Bestimmungen des Flurverfassungsgesetzes zu verwalten.“

[51]             Mit Verordnung über die Einführung der Deutschen Gemeindeordnung im Lande Österreich vom 15. September 1938, Dt RGBl 1167ff = Gesetzblatt für das Land Österreich 1938/408 Kundmachung des Reichsstatthalters in Österreich, wodurch die Verordnung über die Einführung der dt Gemeindeordnung im Lande Österreich vom 15. September 1938 kundgemacht wurde, wurde die Dt. Gemeindeordnung im „Lande Österreich“ in Kraft gesetzt. § 17 Angleichungsverordnung des Reichsstatthalters, Gesetzblatt für das Land Österreich, ausgegeben am 1. Oktober 1938 Nr 429, regelte das Verhältnis zum Flurverfassungsrecht wie folgt: „Die Bestimmungen dieser Verordnung finden auf jene Teile des Gemeindegliedervermögens, die als agrargemeinschaftliche Grundstücke im Sinn des § 15 Abs 2 d des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes, BGBl Nr 256/1932, gelten, nur insoweit Anwendung, als sie mit diesem Grundsatzgesetze und den die Flurverfassung regelnden Gesetzen der ehemaligen österreichischen Länder nicht in Widerspruch stehen.“.

[52]             Gem Art 1 und Art 2 des Gesetzes vom 10. Juli 1945 über die vorläufige Neuordnung des Gemeinderechts (vorläufiges Gemeindegesetz – VGemG), Staatsgesetzblatt 1945/66, wurden jene Bestimmungen der bis Oktober 1938 geltenden Landes-Gemeindeordnungen, welche geschaffen wurden, um das Gemeinderecht der Bundeskompetenz betreffend Bodenreformrecht, insbesondere agrarische Operationen (Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG) anzupassen, neu in Kraft gesetzt.

[53]             Vgl etwa § 61 Abs 3 des Steirischen Gesetzes vom 6. Juli 1948 über die Änderung der Gemeindeordnung, LGBl 52/1948: „§ 61. Gemeindegut. (1) Sachen, welche zum Gebrauche eines jeden Gemeindemitgliedes einer Gemeinde dienen, bilden das Gemeindegut. Insbesonders gehören zum Gemeindegut Grundstücke, welche von allen oder nur von gewissen Gemeindemitgliedern einer Gemeinde oder einer Ortschaft zur Deckung ihres Guts- und Hausbedarfes gemeinschaftlich oder wechselseitig benützt werden. (2) … (3) Nach den aufgrund des Artikels 12, Abs (1), Punkt 5, der Bundesverfassung 1929 erlassenen Gesetzen unterliegt das in Abs (1) bezeichnete Gemeindegut den Bestimmungen dieser Gesetze. Die Entscheidung über den Bestand des Gemeindegutes als agrarische Gemeinschaft im Sinne dieser Gesetze, über den Verkauf des Gemeindegutes oder von Teilen desselben, ferner über die Übertragung von Nutzungsrechten an andere Gemeindemitglieder und die Höhe der einzelnen Nutzungen steht den Agrarbehörden zu. (4) Die Gemeindebehörde hat darauf zu achten, dass die Nutzungen der Gemeindemitglieder nicht über den notwendigen Guts- und Hausbedarf hinaus in Anspruch genommen werden und diese Nutzungen der nachhaltigen Bewirtschaftung des Grundstückes, insbesondere bei Waldungen, entsprechen. Nötigenfalls ist die Entscheidung der Agrarbehörde einzuholen.“ § 67 Oö Gemeindeordnung 1948, Anlage 1 zum Gesetz vom 7. Juli 1948 LGBl 22/1949: „Die Bestimmungen dieses Gesetzes finden auf jene Teile des Gemeindegutes, die als agrargemeinschaftliche Grundstücke im Sinne des § 15, Abs (2), Punkt d, des Bundesgesetzes vom Jahr 1932, BGBl Nr 256, betreffend Grundsätze für die Flurverfassung, gelten, nur insofern Anwendung, als sie mit diesem Grundsatzgesetz und dem Ausführungsgesetze hiezu nicht im Widerspruch stehen. Bis zur Erlassung des Ausführungsgesetzes bleiben die geltenden Vorschriften in Kraft.“ § 82 Tiroler GO 1949: „Durch die Bestimmungen dieses Gesetzes werden die gesetzlichen Vorschriften über die Flurverfassung nicht berührt.“ § 91 Abs 4 Vorarlberger Gemeindegesetz 1965 (LGBl 45/1965) = § 99 Vorarlberger Gemeindegesetz 1985: „Die Gemeinde als Trägerin von Privatrechten ist verpflichtet, Gemeindegut, dessen rechtliche und wirtschaftliche Verhältnisse noch nicht nach den Bestimmungen des II. Hauptstückes des Flurverfassungsgesetzes, LGBl Nr 4/1951, geordnet sind, vorläufig nach den Bestimmungen des Flurverfassungsgesetzes zu verwalten.“