10636/J XXIV. GP

Eingelangt am 21.02.2012
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Anfrage

 

der Abgeordneten Wolfgang Pirklhuber,Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

 

betreffend Regelungslücken in der Biopatentrichtlinie (98/44/EG) und des Kommissionsvorschlages für eine Verordnung „Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung“

BEGRÜNDUNG

 

Währen im traditionellen Sortenschutzrecht mit seinen klar definierten Privilegien für Landwirtinnen/Landwirte und (Pflanzen-)ZüchterInnen gesichert ist, dass Bäuerinnen/Bauern und ZüchterInnen neues pflanzengenetisches „Material“ (also neue Sorten) ohne Lizenzforderungen anbauen und für Neuzüchtungen nutzen können, ist die Nutzung von patentierten Pflanzen, Tieren oder bestimmten Eigenschaften dieser Lebewesen, ihrer Nachkommen oder der daraus erzeugten Produkte in vielen Fällen lizenz- oder genehmigungspflichtig. Das gilt auch für Neuzüchtungen, wenn die patentierte Eigenschaft im Züchtungsprozess nicht „herausgekreuzt“ werden kann. Über Patentrechte können also züchterische Innovationen blockiert und der faire Wettbewerb verhindert werden. Die Folge wäre eine weitere Konzentration im Saatgutmarkt zu Lasten kleiner und mittelständischer Akteure. Zwar sieht die EU-Biopatentrichtlinie 98/44EG vor, dass herkömmliche Züchtungsverfahren, Pflanzensorten und Tierrassen nicht patentiert werden können. Die Richtlinie lässt jedoch Interpretationsspielräume und bleibt in einigen Bereichen hinter dem österreichischen Patentgesetz zurück.

Am 13. April 2011 hat die EU-Kommission einen Vorschlag für eine Verordnung für ein neues Patentsystem, das „Europäische Patent mit einheitlicher Wirkung“ vorgelegt. Zwar bezieht sich diese Verordnung „nur“ auf die Wirkung von Patenten, die durch das Europäische Patentamt (EPA) erteilt werden, und nicht auf die Grundlage der Patenterteilung. Im „worst Case“ können jedoch trotzdem durch das Gemeinschaftspatent die in vielen EU-Staaten üblichen Privilegien für Bäuerinnen/Bauern und ZüchterInnen ausgehebelt werden, weil diese Ausnahmen vom Patentschutz eben genau den Wirkungsbereich von Patenten betreffen. Auch eine Schutzregelung für Landwirtinnen und Landwirte bei Fällen von Auskreuzung von Gentechnisch veränderten Organismen („Percy-Schmeiser-Klausel“) fehlt bisher im Verordnungsentwurf. Anders als bei der Biopatentrichtlinie geht es hier um eine Verordnung, die also in allen EU-Staaten sofort und einheitlich rechtswirksam wäre.


Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Wie bewertet die Bundesministerin die aktuelle Verhandlungssituation auf EU-Ebene und die Chancen für die Verankerung von Landwirte- und Züchterprivileg im EU-Patent?

2)    Welche Position bezieht die Bundesministerin in der aktuellen Verhandlungssituation?

3)    Wie hat die Bundesministerin den Landwirtschaftsminister in diese Verhandlungen eingebunden?

4)    Wie hat die Bundesministerin den Gesundheitsminister in diese Verhandlungen eingebunden?

5)    Tritt die Bundesministerin für die Beibehaltung nationaler Patenteinschränkungen ein?

6)    Nach unseren Informationen wirbt Deutschland für wirksame Schutzregelungen für Landwirte/Landwirtinnen und Züchterinnen. Wie unterstützt die Bundesministerin die deutschen Bestrebungen?

7)    Wann und wie werden die Verhandlungen voraussichtlich zum Abschluss geführt? Welche Akteure können nach Einschätzung der Bundesministerin den Verordnungstext noch positiv oder negativ beeinflussen?