10902/J XXIV. GP

Eingelangt am 01.03.2012
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Anfrage

 

der Abgeordneten Kurt Grünewald, Judith Schwentner, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Gesundheit

betreffend Verbesserung der Regelungen für die Marktzulassung  und Inverkehrbringung von Medizinprodukten

BEGRÜNDUNG

 

Durch den Skandal um gesundheitsgefährdende Brustimplantate der französischen Firma Poly Implant Prothèse (PIP) stellt sich wieder einmal die Frage, ob die Regelungen für die Marktzulassung und Inverkehrbringung von Medizinprodukten ausreichend sind. Bei Medizinprodukten handelt es sich um eine überaus heterogene Gruppe von Produkten, die von der hölzernen Zungenspatel bis zum aktiven Implantat (Schrittmacher) und zu Großgeräten, wie CT etc. reichen.

Einheitliche systematische Erprobungsverfahren wie zum Beispiel bei den Arzneimitteln (klinische Phase-1 bis Phase-3-Prüfungen) sind für Medizinprodukte nicht vorgesehen. Auch innerhalb der Gruppe der Medizinprodukte unterscheiden sich die Zulassungsanforderungen ganz erheblich. Auch ist festzustellen, dass das Anforderungsprofil für die Marktzulassung/Inverkehrbringung von Arzneimitteln wesentlich höher, gründlicher und strukturierter ist, als das für Medizinprodukte.

Ein weiterer Unterschied zwischen Medizinprodukten und Arzneimitteln liegt in den Zuständigkeiten und den Verantwortlichen für die jeweilige Zulassung. Während die Arzneimittelzulassung  sowohl national als auch auf EU-Ebene durch staatliche Behörden (AGES) bzw. EU-Gremien (EMA – European Medicines Agency) geregelt ist, werden Medizinprodukte durch akkreditierte Einrichtungen, so genannte „Benannte Stellen“ für die EU zugelassen.

„Benannte Stellen sind von den Mitgliedsstaaten akkreditierte Stellen, die im Auftrag eines Herstellers die durchgeführte Konformitätsbewertung des Herstellungsprozesses überprüfen und deren Korrektheit bescheinigen. Hersteller können sich an eine bestimmte Stelle in einem Land ihrer Wahl wenden, das Medizinprodukt ist bei erfolgreicher Prüfung für den gesamten europäischen


Wirtschaftsraum verkehrsfähig. Bei einem Verfahren, welches dem Hersteller die freie Wahlmöglichkeit der „Benannten Stellen“ (insgesamt 82 Stellen im EWR-Raum) anbietet, sind wirksame verlässliche einheitliche Qualitätsstandards und wirksame Qualitätskontrollen in Frage zu stellen.

In Österreich gibt es zwei „Benannte Stellen“ für Medizinprodukte, die Prüf- und Zertifizierstelle Graz sowie TÜV Austria Services GmbH. Bei beiden Einrichtungen handelt es sich um Einrichtungen der Technischen Universität Graz.

Die Anforderungen für Arzneimittel und Medizinprodukte dienen dem Schutz der Bevölkerung bei deren Anwendung. Im Gegensatz zu üblichen KonsumentInnen sind PatientInnen in der Praxis durch die Umstände einer Erkrankung in einem wesentlich geringeren Ausmaß fähig, frei, sachlich und objektiv Entscheidungen betreffend die Produktauswahl (z.B. Prothese oder Herzschrittmacher) zu treffen. Selbst informierte PatientInnen können keinen Einfluss darauf nehmen, welche Produkte oder Geräte zum Einsatz kommen. Umso wichtiger ist die Gewährleistung von ausreichend hohen Standards für die Marktzulassung.

Die derzeitigen für viele Frauen dramatischen Vorkommnisse bei Brustimplantaten sollte Anlass sein, die entsprechenden Regelungen auf EU-Ebene und in Österreich zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Können Sie sicherstellen, dass in Österreich im Bereich der Medizinprodukte das Wohl der PatientInnen Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen hat?

 

2)    Wann wird Österreich die Biomedizinkonvention des Europarates ratifizieren, die einen derartigen Vorrang als Grundsatz beinhaltet?

 

3)    Wie stehen Sie zur Schaffung eines Solidarfonds der Medizinproduktehersteller, um betroffenen PatientInnen  rasch zu Entschädigungen zu verhelfen?

 

4)    Wie ist der Anspruch auf Schadenersatz für defekte Medizinprodukte in Österreich geregelt?

 

5)    Werden Sie sich dafür einsetzen, dass auf EU-Ebene ein einheitliches behördliches Kontrollwesen für die „Benannten Stellen“ eingerichtet wird?

 

6)    Für die Markteinführung welcher  Medizinprodukte sind die beiden österreichischen „Benannten Stellen“ verantwortlich?

 

7)    Werden Sie sich dafür einsetzen, dass auf EU-Ebene die Verantwortlichkeit für die Inverkehrbringung/Zulassung von Medizinprodukten vom DG Enterprise and Industry zu einer der EMA entsprechenden Fachagentur wandert?