11515/J XXIV. GP

Eingelangt am 08.05.2012
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Mag. Johann Maier

und GenossInnen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend „Europäischer Haftbefehl und Übergabeverfahren - Anwendung durch die Mitgliedstaaten bzw. Österreich im Jahr 2011“

 

Mit der AB 7794/XXIV.GP vom 06.05.2011 wurden die Fragen des Fragestellers Abg. Mag. Maier zur gleichlautenden Anfrage beantwortet.

 

Insgesamt gab es in den EU-Mitgliedsstaaten 9.270 Europäische Haftbefehle in diesem Jahr. Österreich hat im Jahr 2010 454 Europäische Haftbefehle (EuHb) erlassen. In Österreich hat die Erlassung von europäischen Haftbefehlen im Jahr 2010 gegenüber 2009 um 55% zugenommen.

Länder wie Belgien, Bulgarien, Dänemark, Portugal, Rumänien, Ungarn und das Vereinigte Königreich haben als Ausstellungsstaaten für das Jahr 2009 keine diesbezüglichen Zahlen bekanntgegeben. Irland, Italien und Niederlande haben für 2010 keine Zahlen zur Ausstellung eines Europäischen Haftbefehles vorgelegt.

 

Die von EU-Mitgliedstaaten ausgestellten Europäischen Haftbefehle führten auch zu Festnahmen von Personen in den Vollstreckungsstaaten. So wurden 2010 - soweit die Zahlen bekanntgegeben wurden - insgesamt 4.084 Personen in diesem Zusammenhang festgenommen.

 

Allerdings fehlten für 2009 von 11 Staaten (von insgesamt 27 Staaten) die Zahlen über dabei erfolgte Festnahmen. Belgien, Bulgarien und Italien haben von 2005 – 2009 überhaupt keine Meldung abgegeben. Für das Jahr 2010 fehlten entsprechende Meldungen von Irland, Belgien, Italien und den Niederlanden.


 

Aufgrund fehlender Zahlen von einigen Mitgliedsstaaten ist eine über Jahre fundierte umfassende Betrachtung und Analyse der Anwendung des Europäischen Haftbefehlsweiterhin nur mit Einschränkungen möglich, insbesondere ob dieser jeweils ordnungsgemäß angewendet wurde. So auch, welche strafbaren Handlungen dem EuHb zugrunde lagen, wobei dann eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit möglich wäre. Die Verfolgung von Alltagskriminalität wie beispielsweise eines Hendldiebes darf jedenfalls nicht Grundlage für einen Europäischen Haftbefehles sein.

An Österreich wurden von anderen Mitgliedsstaaten (Vollstreckungsstaaten) 63 Personen im Jahr 2010 übergeben. Die meisten kamen aus Deutschland (23).

Österreich hat als Vollstreckungsstaat 2010 insgesamt 240 Personen an die Staaten übergeben, die einen Europäischen Haftbefehl ausgestellt haben. Davon wurden 185 Personen 2010 in Österreich festgenommen und dann übergeben.

Kein Österreicher hat sich im Jahr 2010 mit seiner Übergabe einverstanden erklärt.

 

Der Europäische Haftbefehl hat sich nach den mit den Anfragebeantwortungen übermittelten
Zahlen (Ausstellung, Verhaftung, Übergabe etc.) und aus Sicht des BMJ in Österreich bewährt. Der Auslieferungsverkehr zwischen den Mitgliedsstaaten wurde erheblich verbessert. Einige justizpolitische Defizite und offene Fragen wurden aber auch öffentlich bekannt. Dazu anhängigen Verfahren beim EuGH werden möglicherweise zu Änderungen bei der Anwendung des Europäischen Haftbefehls führen.

 

Aber: Statistiken über die Staatsbürgerschaft der mit Europäischen Haftbefehlen gesuchten Personen und über die den Haftbefehlen zugrunde liegenden strafbaren Handlungen werden bedauerlicherweise noch immer nicht geführt. Auch Daten über die Staatsangehörigkeit der auf Grund Europäischer Haftbefehle in den Mitgliedstaaten festgenommenen Personen werden von den Mitgliedstaaten nicht erhoben. Es liegen keine diesbezüglichen statistischen Daten der Mitgliedstaaten vor.

Bedauerlicherweise ist nach Mitteilung des BMJ eine Änderung der Statistik auf EU-Ebene derzeit noch nicht beabsichtigt. Die Kritik an fehlenden vergleichbaren Daten der Mitgliedsstaaten (Anfrage 1677/J XXIV.GP) muss daher aufrechterhalten werden. Die Evaluierung des Europäischen Haftbefehls im Rahmen der vierten gegenseitigen
Evaluierungsrunde hätte - so das BMJ - nämlich keinen Bedarf für eine geänderte Statistik festgestellt(Anmerkung: Wurde auch danach gefragt?).

 

Es ist aber erfreulich, dass das BMJ von sich aus nun Überlegungen anstellt, wie die Anwendung des Europäischen Haftbefehls durch die österreichischen Justizbehörden elektronisch besser erfasst und ausgeweitet werden kann.

Aus systematischen Gründen werden nun ähnliche Fragen wieder gestellt, um die aktuellen Informationen und Zahlen für das Jahr 2011 zu erhalten.

 

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Justiz nachstehende

Anfrage:

 

1.      Welche konkreten Erfahrungen mit dem Europäischen Haftbefehl und dem Übergabeverfahren liegen dem Justizressort aktuell vor?
In bzw. mit welchen EU-Mitgliedsstaaten ergaben sich im Jahr 2011 Probleme?

2.      Werden seitens der Europäischen Union bzw. des Justizressorts noch immer Defizite bei der Umsetzung des Europäischen Haftbefehls bei anderen Mitgliedsstaaten gesehen?
Wenn ja, welche Defizite bei welchen Staaten?

 

3.      Wie viele Haftbefehle wurden auf Rechtsgrundlage des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl durch „Ausstellungsstaaten“ in der EU im Jahr 2011 ausgestellt (Aufschlüsselung auf Ausstellungsstaaten)?

 

4.      Wie viele ÖsterreicherInnen waren von einem europäischen Haftbefehl dieser Ausstellungsstaaten im Jahr 2011 betroffen (Aufschlüsselung der Anzahl der gesuchten ÖsterreicherInnen auf Ausstellungsstaaten und Vollstreckungsstaaten)?

 

5.      Wegen welcher Delikte wurden diese Haftbefehle gegen ÖsterreicherInnen ausgestellt?

 

6.      Wie viele Personen wurden nach einem Haftbefehl auf Grundlage des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl durch Vollstreckungsstaaten im Jahr 2011 festgenommen (Aufschlüsselung auf Ausstellungsstaaten und Vollstreckungsstaaten)?

 

7.      Wie viele ÖsterreicherInnen waren im Jahr 2011 von einer Festnahme in Vollstreckungsstaaten betroffen (Aufschlüsselung der Anzahl der ÖsterreicherInnen auf Vollstreckungsstaaten)?


 

8.      Wie viele Personen wurden nach einem Haftbefehl auf Grundlage des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl in Österreich (Vollstreckungsstaat) im Jahr 2011 festgenommen (Aufschlüsselung auf Ausstellungsstaaten und Nationalität der festgenommenen Personen)?

 

9.      Wie viele Personen wurden im Jahr 2011 nach einem Haftbefehl auf Grundlage des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl von Österreich (Vollstreckungsstaat) dem jeweiligen Ausstellungsstaat im Jahr 2011 übergeben (Aufschlüsselung auf Ausstellungsstaaten und Nationalität der festgenommenen und übergebenen Personen)?

 

10.  Wie viele ÖsterreicherInnen, die mit der Übergabe bzw. Auslieferung einverstanden waren, befanden sich im Jahr 2011 darunter?

 

11.  Wie viele Haftbefehle wurden auf Rechtsgrundlage des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl im Jahr 2011 in Österreich ausgestellt (Aufschlüsselung auf Nationalität der gesuchten Personen)?

 

12.  Wegen welcher Delikte wurden diese Haftbefehle im Jahr 2011 ausgestellt (Aufschlüsselung der Delikte auf Nationalität der gesuchten Personen)?

 

13.  Wie viele dieser Haftbefehle wurden vollstreckt und die gesuchten Personen Österreich übergeben (Aufschlüsselung auf Vollstreckungsstaaten)?

 

14.  Wann findet die nächste gegenseitige Evaluierung über „die praktische Anwendung des Europäischen Haftbefehls und der entsprechenden Übergabeverfahren“ zwischen den Mitgliedsstaaten statt?

15.  Wie viele Verfahren zur Anwendung des Europäischen Haftbefehls liegen aktuell beim EuGH?
Welche Rechtsfragen sollen dabei geklärt werden?


 

16.  Welche Maßnahmen werden auf europäischer Ebene ergriffen, damit die Mitgliedstaaten ihrer Verpflichtung nachkommen fristgerecht die Vollzugszahlen zur Ausstellung eines europäischen Haftbefehls der EU-Kommission melden?