12579/J XXIV. GP

Eingelangt am 19.09.2012
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Venier

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Gesundheit

 

betreffend sogenannte Verwandtenehen und deren Folgekosten

 

 

Sogenannte Verwandtenehen und die daraus folgende Zeugung von Nachwuchs, ist in diversen Kulturkreisen der Welt, vor allem auch im Islam, üblich. Diese Praxis wird bedauerlicherweise auch von Zuwanderern nach Europa und Österreich „importiert“

 

So berichtet etwa Antje Schmelcher in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 06.06.2011 unter dem Titel „Darüber spricht (und forscht) man nicht:

„Wenn Cousin und Cousine Kinder kriegen, steigt das Risiko eines Gendefekts. Und tatsächlich: Viele Kinder mit Erbkrankheiten stammen aus Verwandtenehen. Die sind bei Einwanderern Tradition. (…) Etwa jede vierte türkischstämmige Frau in Deutschland ist mit einem Verwandten verheiratet. Das ergab eine Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung über Familienplanung und Migration im Lebenslauf von Frauen. Im vergangenen Oktober wurde sie in Berlin vorgestellt. Befragt wurden etwas mehr als 800 türkischstämmige Frauen in Deutschland. Ergebnis: In der ersten Generation war die Verwandtenehe mit 33 Prozent weiter verbreitet als in der zweiten Generation mit zehn Prozent. Auch gingen diese Ehen häufiger niedrig qualifizierte Frauen ein und solche, die auf dem Land aufgewachsen waren. Nach dem Grad der Verwandtschaft wurde nicht gefragt.

Überhaupt nicht gesprochen aber wird über das zusätzliche Risiko, dass Kinder behindert auf die Welt kommen. Hier aufzuklären fällt besonders schwer, denn rechtlich handelt es sich in der Tat um Familienangelegenheiten. In keinem europäischen Land ist die Hochzeit zwischen Vettern und Kusinen strafbar. Deshalb darf der Staat sie auch nicht erfassen. In Deutschland ist nur die Ehe zwischen Geschwistern, zwischen Eltern und Kindern sowie zwischen Großeltern und Enkeln verboten. Dass man aber überhaupt innerhalb der Verwandtschaft heiratet, ist den Deutschen aber fremd geworden. In traditionellen islamischen Gesellschaften dagegen ist die Verwandtenehe bis heute weit verbreitet - wobei auch der Koran die Heirat innerhalb der engsten Familie verbietet. Ein prominentes Vorbild für den anerkannten Weg war Fatima, die vierte Tochter des Propheten Mohammed aus dessen erster Ehe. Fatima wurde mit dem Sohn ihres väterlichen Großonkels verheiratet. Diese Ehe hat den ethnologischen Terminus „Parallelkusinenheirat“ oder „Bint-amm-Ehe“. Durch sie konnte das Vermögen in der väterlichen Familie bleiben.


Je traditioneller eine islamische Gemeinschaft lebt, desto mehr Verwandtenehen scheint es zu geben. In der Türkei schätzt man ihre Häufigkeit auf 20 bis 30 Prozent, in Oman liegt sie um das Zwei- bis Dreifache höher, wie der Direktor des Instituts für medizinische Genetik der Berliner Charité, Stefan Mundlos, sagt. Für das kleine Land bedeute das ein immenses Problem, da bei verwandten Eltern das Risiko, Kinder mit angeborenen Krankheiten zu bekommen, doppelt so hoch sei wie bei nicht blutsverwandten Eltern.

Über das Ausmaß der Behinderungen von Kindern blutsverwandter Eltern in Deutschland gibt es nur wenige Untersuchungen mit gesicherten Zahlen. Es sei extrem schwierig, diese Fälle statistisch zu erfassen, findet Mundlos. Die oft zitierten Statistiken aus den Praxen von humangenetisch und pränatal beratenden Privatärzten, zu denen natürlich oft auch blutsverwandte Paare gehen, hätten keine Bezugsgröße und seien daher wenig aussagekräftig. Auch in wissenschaftlichen Untersuchungen wird meist sehr zurückhaltend geurteilt. So vermuten die Autoren des jüngsten Berichts des Robert-Koch-Instituts zu Migration und Gesundheit, dass Verwandtenehen der Grund dafür sein könnten, dass 2004 in einem pädiatrischen Stoffwechselzentrum in Düsseldorf ein Fünftel aller Kinder türkischer und kurdischer Herkunft gewesen seien. Angeborene Stoffwechselerkrankungen und weitere genetische Erkrankungen werden gehäuft bei türkischstämmigen Kindern, aber auch bei Kindern aus dem Mittleren und Nahen Osten und aus Nordafrika beobachtet, heißt es in dem Bericht.

(…) Es sind Krankheiten, die oft schwere körperliche Beeinträchtigungen verursachen wie das Familiäre Mittelmeerfieber, das chronische Entzündungen bis zum Nierenversagen hervorruft. Andere führen zu schweren geistigen Behinderungen, oder sie lassen die Kinder apathisch werden.“

 

Ein ähnlicher Bericht findet sich etwa unter http://www.rbb-online.de/kontraste/ueber_den_tag_hinaus/gesundheit/die_cousine_als_ehefrau.html, gestaltet am 31.07.2008 vom Rundfunk-Medium RBB, Sendung „Kontraste“.

 

Die gesundheitlichen Schäden für Nachwuchs aus den sogenannten Verwandtenehen werden auch von diversen Medizinern bestätigt. So schreibt etwas der Arzt Dr. Robert Maiwald dazu:

Nachkommen aus Verwandtenehen besitzen ein erhöhtes Risiko für genetische Erkrankungen. (…) Verwandtenehen, z.B. die Verbindung einer Person mit seinem/seiner Cousin/Cousine, sind im mitteleuropäischen Kulturkreis eine

eher seltene Verbindung. In anderen Ländern, wie z.B. im östlichen Mittelmeerraum, sind sie dagegen traditionell viel häufiger. Nachkommen aus solchen Verbindungen können in manchen Fällen Fehlbildungen, geistige Behinderungen und/oder Beeinträchtigungen der Sinnesorgane aufweisen. Das Risiko für diese genetisch bedingten Schäden steigt, je näher die Partner miteinander verwandt sind: Während

das Risiko bei nicht-verwandten Paaren 1-3% für schwere Fehlbildungen und 3-5% für alle Fehlbildungen beträgt, liegt es beispielsweise bei einem einfachen Paar Cousin/ Cousine 1. Grades doppelt so hoch. (…) Erbkrankheiten bei Verwandtenehen folgen in der Regel einem sog. autosomal rezessiven Erbgang. Bei diesem Erbgang müssen alle beide Ausfertigungen eines kritischen Gens defekt sein, damit es zu der Erkrankung kommt. Personen mit nur einer defekten Ausfertigung des Gens sind fast immer unauffällig, können aber den Gendefekt an die Nachkommen weitergeben. Statistisch gesehen kommt bei jedem Menschen mindestens ein Gendefekt vor. Bei verwandten Partnern ist es daher möglich, daß sie zufällig beide von einem gemeinsamen Vorfahren einen Gendefekt geerbt haben. Kommen dann beide Gendefekte bei einem ihrer Kinder zusammen, wird das Kind erkranken.“


In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Gesundheit folgende

 

Anfrage:

 

1. Ist Ihnen die Anzahl der jährlich zwischen den Jahren 2000 und 2012 geschlossenen sogenannten Verwandtenehen bekannt?

 

2. Wenn ja, um wie viele Ehen handelt es sich dabei? (Mit der Bitte um Aufschlüsselung nach Jahren und Volksgruppen.)

 

3. Wenn nein, ist Ihnen bekannt, ob solche Eheschließungen in Zukunft statistisch erfasst werden sollen, um die Folgen für das Gesundheitssystem besser einschätzen zu können?

 

4. Wenn nein, werden Sie sich für eine statistische Erfassung einsetzen, um die Folgen für das Gesundheitssystem besser einschätzen zu können?

 

5. Wie viele Minderjährige waren aufgrund nachweislich angeborener Defekte in den Jahren 2000 bis 2012 in medizinischer Behandlung und welche Behandlungskosten entstanden dadurch? (Mit der Bitte um Aufschlüsselung nach Jahren.)

 

6. Wie viele der betroffenen Minderjährigen wurden im Zuge einer sogenannten Verwandtenehe gezeugt?

 

7. Welche Maßnahmen werden seitens des BMG unternommen, um hinsichtlich der Verwandtenehen und der daraus resultierenden Gefahren im Zuge eines allfälligen Fortpflanzungsprozesses generell, insbesondere aber auch unter Zuwanderern, aufzuklären?