12999/J XXIV. GP

Eingelangt am 08.11.2012
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr.in Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend Mittelverwendung des Verkehrssicherheitsfonds (VSF, „Wunschkennzeichen-Fonds“)

 

Durch mehrere Medienberichte insbesondere im „Kurier“ wurde in den letzten Wochen die Frage der zweckmäßigen, sachlich wie rechtlich korrekten und nachvollziehbaren Verwendung der Gelder des Verkehrssicherheitsfonds (VSF, „Wunschkennzeichen-Fonds“) thematisiert. Insbesondere war davon die Rede, wie „über Jahre hinweg gesetzlich für die Verkehrssicherheit zweckgebundene Gelder in zweifelhafte Inserate, Kampagnen und „Medienkooperationen“ (auch mit Ministerfotos) gesteckt wurden“.

Auch im Rahmen des U-Ausschusses zur Klärung von Korruptionsvorwürfen waren Inseratenvergaben und sog. „Medienkooperationen“ des BMVIT und der ihm ein-, vor- und nachgelagerten Institutionen und Unternehmen bekanntlich ein prominentes Thema. Darunter der merkwürdige Deal, dass offenbar ein Nicht-Parteigänger in einer BMVIT-Führungsfunktion - offenbar als Gegenleistung für die dennoch erfolgte mehrjährige Verlängerung seines Spitzenbeamten-Vertrags - für fragwürdige Inseratenvergaben den Kopf hinzuhalten hat, die vom Kabinett oder anderer Stelle im Ressort veranlasst werden und daher an ganz anderer Stelle zu verantworten wären. Dazu laufen nach einem seit August 2012 mehrfach medienöffentlich diskutierten BMVIT-internen kritischen Aktenvermerk zu ablauftechnischen und finanziellen Auffälligkeiten bei der Inseratenvergabe und einer anonymen Anzeige wegen Amtsmissbrauchs Medienberichten zufolge auch Ermittlungen bzw. ein Erhebungsverfahren gegen die Ministerin selbst.

Zu den VSF-Vergaben wurde aus Kreisen ehemaliger VSF-Beirats-Mitglieder angegeben, dass einerseits seit einer Ablauf-Änderung im Herbst 2007 unter Verkehrsminister Werner Faymann den Experten-Beiräten „vieles vorenthalten“ worden wäre, die Beiräte hätten „auch plötzlich keine Einsicht mehr“ in den Geschäftsbericht bekommen. Durch die Ablauf-Änderung – den Berichten zufolge im November 2007 durch eine Verfügung des unter der Leitung des Inseraten-Auskenners Josef Ostermayer stehenden Faymann-Kabinetts – dürfe anders als zuvor auch der/die jeweilige VerkehrsministerIn auf die Fonds-Mittel zugreifen und ist nicht mehr an eine Beirats-Meinung gebunden. Nicht zuletzt seien die VSF-Ausgaben von 2008 an auf knapp das Doppelte erhöht worden, wobei diese zusätzlichen rund 3 Mio Euro pro Jahr in Medienkooperationen u.dgl. geflossen seien, offenbar mit den üblichen Verdächtigen von Österreich und heute bis zu Bohmann und SPÖ- sowie Echomedia-Produkten. Zwecks Freimachung von mehr Etat für diese „Zielgruppe“ sollen sogar die Laufzeiten der Alko-Spots gekürzt worden sein. Dabei waren die Boulevard- und Freundes-Kooperationen teilweise ohne jeden nachvollziehbaren Verkehrssicherheitsarbeits-Mehrwert, siehe dazu exemplarisch bereits die Anfrage 938/J XXIV.GP der Anfragestellerin „betreffend BMVIT-Gelder für den „Sohn von Rambow"“, eine Kino-Veranstaltung eines sehr parteinahen Wiener Gratisblättchens (bei dem allerdings ein seinerzeit im Faymann-Kabinett mit Inseraten-Angelegenheiten beschäftigter Mitarbeiter in der Chefredaktion werkte …).

Das Fondsvermögen des VSF sei infolge der exzessiven Inanspruchnahme für Inserate und Kampagnen in wenigen Jahren auf weniger als ein Drittel zusammengeschmolzen. Zugleich wären alleine 2011 nicht weniger als 52 an den VSF bzw seine Gremien herangetragene Verkehrssicherheitsprojekte, unter anderem auch aus Geldmangel, abgelehnt worden.

Die Reaktion des BMVIT auf diese sehr detaillierten und konkreten Kritikpunkte bestand darin, diese „in aller Schärfe“ zurückzuweisen sowie von der Ressortspitze aus „klarzustellen“, „dass davon auszugehen ist, dass die Vergabe von Inseraten im BMVIT rechtmäßig und streng nach den Geboten der Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit erfolgt“ und dass die Rechtmäßigkeit der Vergabepraxis „bereits im Sommer“ (2012, also Jahre nachdem es immer wieder Kritik daran gab) „genau geprüft und als korrekt beurteilt worden“ sei.

Es ist Ihnen sicherlich bekannt, dass sich die veröffentlichte Kritik nicht primär darauf bezog, ob der formale Ablauf des Vergabeverfahrens von der Ausschreibung bis zur Vergabe selbst vergaberechtlich korrekt war oder nicht. Daran bestehen abgesehen davon gravierende Zweifel, wenn – so die Medienberichte – einer ersten Bieterrunde mit einem Bestbieter eine überraschende zweite Bieterrunde nachgeschaltet wird, bei der eine andere Agentur mit einer dem Erstrunden-Bestgebot sehr ähnlichen Arbeit (womit das Handelsgericht befasst ist) und zu einem höheren Preis (! Sparsamkeit? Wirtschaftlichkeit?) den Sieg davonträgt. Dass das letztlich siegreiche Unternehmen zu einem u.a. mit dem Verkehrsressort in guten Geschäftsbeziehungen stehenden Konglomerat gehört, bei dem unter anderem auch in höchster Not ein standesgemäßer Job für den bei den ÖBB geparkten und im ORF-Chefbüro nicht gelandeten Niko P. gefunden werden konnte, passt bestens dazu. Schließlich war einem Medienbericht zur Causa aber auch zu entnehmen, dass unter Wahrheitspflicht vor Gericht ausgesagt wurde, dass der Jurist der BBG während dieser Vergabe sogar den Raum verlassen habe, mit den Worten „da will ich nicht dabei sein“, und das Protokoll der Vergabe erst am Ende unterschrieben habe – somit dürfte durchaus auch formal einiges im Unreinen sein.

Zur Aufklärung der im Raum stehenden Kritikpunkte wird es mit Sicherheit nicht ausreichen, auf formalistische Aspekte und zugleich auf die – rein formale – Zuständigkeit der Bundesbeschaffungsgesellschaft zu verweisen, wie vom Büro Faymann und auch von der Verkehrsministerin und ihrem Umfeld gehandhabt.

Diese Verteidigungslinie ist umsomehr ungenügend, als ja aus Ihrem eigenen Hause in diesem Zusammenhang jüngst öffentlich darauf hingewiesen wurde, dass nicht die BBG, sondern eine Jury über die Vergabe der Kampagnen entscheide, in der unter anderem der Beirat des VSF vertreten sei – einem Medienbericht zufolge handelt es sich dabei allerdings um einen weisungsgebundenen Ressort-Mitarbeiter.


Ebenso ist es im Zusammenhang mit den veröffentlichten Vorwürfen unerheblich, ob die im Mittelpunkt der Berichterstattung stehende Verkehrssicherheitskampagne – wie in Reaktionen ihres Hauses mehrfach betont – „preisgekrönt“ wurde. Der Erfolg der Kampagne, der in diesen Reaktionen ebenfalls strapaziert wurde, sollte nicht an Preisverleihungen, sondern an der Entwicklung bei Alkohol-Unfällen gemessen werden. Diese bot jedoch im entscheidenden Zeitraum im Gegensatz zu einigen anderen Bereichen der Unfallbilanz wenig Anlass zu Erfolgsjubel: So gingen im Jahr 2010 (Beginn der „Erfolgskampagne“ samt ebenfalls weitgehend wirkungslosem Alko-Coaching war im Spätherbst 2009) die Alkoholunfälle nur geringfügig stärker als die Gesamtzahl der Unfälle und nur etwa halb so stark wie im gleichen Jahr in Deutschland zurück. Speziell in dieser kaum signifikanten Größenordnung ist der Rückgang zudem eher mit der Wirtschaftskrise (die Studien zufolge die Menschen in erster Linie bei Lokalbesuchen sparen ließ, womit neben der Quelle vieler Alkoholisierungen auch die zugehörigen Freizeitfahrten vermieden wurden) als mit politischen Maßnahmen erklärbar.

Dass Verkehrssicherheitskampagnen dennoch fraglos Menschenleben retten „können“ (!), bedeutet jedoch – anders als von BMVIT-Seite dargestellt - keineswegs, dass dadurch jede Verkehrssicherheitskampagne wirksam wäre und schon gar nicht, dass jede Kampagne in ihrer konkreten inhaltlichen und darstellerischen Gestaltung, in jeder Dotierung und in jeder Art der Auftragsentstehung und –vergabe automatisch „zweckmässig“ oder gar sakrosankt wäre. Die grundsätzliche Sinnhaftigkeit von Kampagnen schließt nicht aus, dass Kampagnen – auch solche konkret sinnvollen Inhalts – primär oder gänzlich zu anderen Zwecken zustande kommen, wie zur Alimentation befreundeter bzw. für wichtig befundener Medien oder befreundeter Organisationen und Unternehmen. Ebensowenig schließt dies aus, dass Kampagnen schlicht in ungeeigneter Form, in unangemessen hoher Dotierung oder in nicht nachvollziehbarer Auftragnehmer-Konstellation (siehe auch zB Rettungsgassen-Kampagne) zustande kommen.

Kampagnen mit derartigen „Begleitgerüchen“ sind daher sehr wohl, unter anderem im Hinblick auf den sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Umgang mit öffentlichen Geldern (in diesem Fall: Autofahrer-Geldern), in Zweifel zu ziehen und im Rahmen der parlamentarischen Kontrolle der Regierung zu hinterfragen.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Trifft es zu, dass bei der Vergabe der aus VSF-Mitteln finanzierten, ab Herbst 2009 durchgeführten „Alkohol am Steuer“-Kampagne trotz eines nach der ersten Runde des Vergabeverfahrens gefundenen Bestbieters überraschend eine zweite Runde angesetzt wurde?

2)    Wenn nein, in welcher anderen Weise stellen sich Ablauf und Ergebnis dar?

3)    Trifft es zu, dass in dieser zweiten Runde ein neuer, in der ersten Runde unterlegender Bieter trotz höherer Kosten als Bestbieter festgelegt wurde?

4)    Wenn ja, wie erklären Sie dies im Sinne ihrer vehementen Ausführungen, wonach hier alles „sparsam, wirtschaftlich und zweckmäßig“ abgelaufen sein soll?


5)    Wenn nein, in welcher anderen Weise stellen sich Ablauf und Ergebnis dar?

6)    Trifft es zu, dass dessen Gewinner-Idee der des Bestgereihten aus der ersten Reihe erstaunlich ähnlich war?

7)    Wenn nein, in welcher anderen Weise stellt sich dies dar?

8)    Ist es richtig, dass solcherart letztlich eine Agentur aus einer in intensiven Geschäftsbeziehungen zum BMVIT stehenden Gruppe, in der auch die SPÖ-Personalie Niko P. nach dem Scheitern beim Anlauf aufs Vorzimmer des ORF-Generals versorgt werden konnte, zum Zug kommen konnte?

9)    Ist es richtig, dass eine Jury über die Vergabe der VSF-Kampagnen entscheidet, in der unter anderem der Beirat des VSF - allerdings durch einen weisungsgebundenen Ressort-Mitarbeiter - vertreten ist?

10) Wenn ja, wie passt dies zur wiederholt bemühten, formalistischen Verteidigungslinie, dass das BMVIT mit dieser Vergabe nichts zu tun habe, weil alles bei der BBG liege?

11) Trifft es zu, dass die Rechtmäßigkeit der Vergabepraxis „bereits im Sommer“ (2012, also Jahre nachdem es immer wieder Kritik daran gab) „genau geprüft und als korrekt beurteilt worden“ sei?

12) Trifft es zu, dass genau derjenige hohe Beamte des BMVIT diese Prüfung und Beurteilung selbst vorgenommen hat, der die vom Kabinett veranlassten Inseratenschaltungen etc abzusegnen hatte?

13) Was können Sie dem Eindruck entgegenhalten, dass diese von höchster BMVIT-Ebene präsentierte Rechtfertigung unterm Strich wenig Substanz hat, wenn ein Hauptinvolvierter letztlich seinem eigenen Handeln einen Persilschein ausstellt?

14) Ist es zutreffend, dass mit dem Amtsantritt Ihres Amtsvorgängers Werner Faymann im BMVIT der Anteil von Inseratenkampagnen u.dgl. an den (ebenfalls massiv angehobenen) Ausgaben des VSF a) sprunghaft anstieg und b)auch nach dem Wechsel an der Ressortspitze weiterhin hoch blieb?

15) Wenn ja, wie erklären Sie dies?

16) Wenn nein: Wie anders als in Frage 8 skizziert stellt sich dies dar?

17) Wie hoch waren seit 2006 bis heute a) die jährlichen Gesamtausgaben des VSF, b) der Anteil von Medienkampagnen, Inseratenvergaben, Medienkooperationen u.dgl. an diesen Gesamtausgaben? Bitte um tabellarische Darstellung.

18) Wie hoch war seit 2006 bis heute der Anteil a) der im Wege des Direktzugriffs des Ressortchefs/der Ressortchefin vergebenen VSF-Gelder, b) der im Wege von Beiratsempfehlungen vergebenen VSF-Gelder an den jährlich insgesamt ausgegebenen VSF-Geldern? Bitte um tabellarische Darstellung.

19) Welche Evaluierungsprojekte zu Erfolg und Wirkung der aus VSF-Mitteln finanzierten Kampagnen, Inseratenvergaben, Medienkooperationen u.dgl. wurden seit 2007 konkret wann, von wem und mit welchem Mittelaufwand durchgeführt? Bitte um tabellarische Darstellung.

20) Wo und seit wann sind die Ergebnisse dieser Evaluierungsprojekte im Einzelnen öffentlich zugänglich?


21) Wie gelangen höchste Kreise des BMVIT zur öffentlich vertretenen Ansicht, dass die Kampagne „äußerst erfolgreich“ gewesen sei - angesichts der Tatsache, dass die Alkoholunfälle im Umsetzungszeitraum nur geringfügig stärker als die Gesamt-Unfälle und nur halb so stark wie in Deutschland sanken, wobei dieser Rückgang überdies von fachkundigen Experten auf die Wirtschaftskrise (signifikant weniger Lokalbesuche, daher weniger Freizeitfahrten mit Alko-Risiko) zurückgeführt wird?

22) Trifft es zu, dass andere im VSF eingereichte Projekte aufgrund des stark zunehmenden Volumens der Inseratenschaltungen und Spot-Platzierungen nicht umgesetzt werden konnten, wofür offenbar auch „Geldmangel“ als Begründung genannt wurde?

23) Wenn ja, wie erklären Sie diese im Hinblick auf einen optimalen, „zweckmäßigen“ Einsatz der für Verkehrssicherheitsarbeit zur Verfügung stehenden Mittel aufklärungsbedürftige Vorgehensweise?

24) Wenn nein, ist es also nicht zutreffend, dass im VSF eingereichte Projekte abgelehnt werden „mussten“?

25) Trifft es zu, dass VSF-Beiratsmitglieder „keinen Einblick in die genauen Abrechnungen“ des VSF nehmen durften und ihnen dies vorenthalten wurde, wie von einem Ex-Beirat in der Tageszeitung „Kurier“ angegeben?

26) Wenn ja, wie erklären Sie diese Vorgehensweise?

27) Wenn nein, wie ist die Vorgangsweise bei der Offenlegung von genauen Abrechnungen für VSF-finanzierte Projekte tatsächlich?

28) Warum sind die jährlichen Tätigkeitsberichte des VSF für die Öffentlichkeit nicht ohne weiteres einsehbar?

29) Warum liegt – der BMVIT-Homepage zufolge – noch kein Tätigkeitsbericht des VSF für das Jahr 2011 vor?

30) Werden Sie eine Verbesserung in diesem Bereich, zB eine zeitnahe Download-Möglichkeit über die Ministeriums-Homepage, vorsehen? Wenn nein, warum nicht?

31) Welche Inhalte und Aussagen des medial (u.a. SN 9./10.8.2012) vielzitierten mehrseitigen Aktenvermerks zur Inseraten-Vergabepraxis im BMVIT sind konkret NICHT zutreffend?

32) Wie begründen Sie ihre angesichts der mittlerweile bekannt gewordenen, in der Anfragebegründung beschriebenen und u.a. auch gerichtsanhängigen Fakten zur Inseratenvergabepraxis der BMVIT-Spitze offenkundig falsche Antwort in einer Parl. Anfragebeantwortung von Jänner 2012 („Die Einschaltungen erfolgten zu den bestmöglichen Konditionen. Mein Ressort ist stets bestrebt, sämtliche verfügbaren Rabattmöglichkeiten auszuschöpfen, die natürlich von verschiedenen Faktoren wie Zeitpunkt der Schaltung, Platzierung und Anzahl der Schaltungen im betreffenden Medium abhängig sind bzw. auch von der Reichweite des Mediums bestimmt werden.“)?