1341/J XXIV. GP

Eingelangt am 13.03.2009
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ANFRAGE

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

 

betreffend Elektronische Zugsicherungssysteme – ETCS (2)

 

 

 

Elektronische Zugsicherungssysteme dienen einerseits der Sicherheit, anderseits einer intensiveren Streckennutzung und steigern die Streckenkapazität und Fahrgeschwindigkeit. Außerdem soll europaweit ein möglichst einheitliches Zugbeeinflussungssystem verwendet werden. Deshalb hat unter anderem auch die Schweiz bereits auf ETCS Level 2 umgestellt. Insgesamt handelt es sich um ein erhebliches Investitionsvolumen in der Größenordnung von mindesten einer halben Milliarde Euro, das letztlich auch zu einer Ersparnis bei der Wartung des derzeitigen, teuren Indusi-Systems führt.

 

Seit 1994 beschäftigen sich die ÖBB mit der Umstellung des Zugsicherungssystems. Ohne ersichtliches Gesamtsystem wurden 2006 Balisen für ETCS Level 1 auf der Ostbahn gelegt, wahrscheinlich um in den Genuss von EU-Fördergeldern zu kommen. Derzeit wird ETCS laut Beilage auf der gesamten Stecke Wien Südbahnhof – Hegyeshalom wegen Bauarbeiten nicht in Betrieb genommen. Derzeit ist also in Österreich kein Zugbeeinflussungssystem auf Basis von ETCS in Einsatz. Von den 13 für ETCS vorbereiteten Lokomotiven der Reihe 1116 wurden nur vier Lokomotiven tatsächlich umgebaut und besitzen auch eine behördliche Betriebsgenehmigung.

 

Über den Einsatz von ETCS Level 1 oder Level 2 dürfte in den ÖBB derzeit Uneinigkeit herrschen. Obwohl intensive Analysen der ÖBB-Arbeitsgruppe und der Beratungsfirma Basler und Partner ergaben, dass Level 2 im Vergleich zu Level 1 bei höheren Investitionen, aber niedrigeren Wartungskosten „sowohl betriebs- als auch volkswirtschaftlich vorteilhafter“ ist (Zitat ÖBB Holding AG Konzernstrategie ETCS 12.8.2008), entschieden sich die ÖBB für ein Mischsystem von Level 1 und Level 2. Technisch ist es eindeutig möglich, die sicherungstechnischen Voraussetzungen in die ETCS Level 2-Umgebung einzubinden. Besonders die Strecke Wels – Passau verfügt über modernste Stellwerke und gute Voraussetzungen für die Einführung von GSM-R.

Die technisch-funktionalen Systemabhängigkeiten bei Level 1 sind mindestens so hoch oder höher als bei Level 2 (speziell die Erhaltung). Die in der ÖBB-Strategie dargestellten Mindestanforderungen von Spurplanstellwerken oder Elektronischen Stellwerken (ESTW) entsprechen nicht den Tatsachen, denn technisch sind VGS80 Stellwerke mit Spurplanstellwerken ident, nicht jedoch deren Funktionsumfang. Bei Schaffung entsprechender Schnittstellen (vgl. Tirol) kann dieselbe Technik auch in Ober- und Niederösterreich angewandt werden.


 

Gerade deshalb ist es nicht nachvollziehbar und völlig unerklärlich, dass - entgegen der Empfehlungen der bereits zitierten Zusammenfassung der ÖBB Holding AG Konzernstrategie ETCS 12.8.2008 - die ÖBB ein Mischsystem von Level 1 und Level 2 anstreben. Wird doch in der Zusammenfassung ÖBB Holding AG Konzernstrategie ETCS 12.8.2008 empfehlend festgestellt:

 

„Es zeigt sich in der Abbildung 2, dass ein Kostenvorteil über 50 Jahre von rund 120'000 EUR (ohne Berücksichtigung der Restbuchwerte) je Normkilometer für ETCS Level 2 gegenüber Level 1 zu erwarten ist. Nach 22 Jahren ist ETCS Level 2 vorteilhafter als Level 1.

Wenn man die Systemvorteile von Level 2 (z.B. Möglichkeit zur reduzierten Signalausrüstung) ausschöpft, ist dieser Punkt bei Anpassung des bestehenden Signalsystems bereits nach 4 Jahren erreicht ist (siehe Abbildung 3).“ (S.4)

 

„Es zeigt sich hierbei, dass sowohl bei betriebswirtschaftlicher als auch volkswirtschaftlicher Betrachtungsweise

* insgesamt der Planfall 52 (Level 2) am Ende des Betrachtungszeitraums deutlich günstiger abschneidet als der Planfall 51 (vorwiegend Level 1),

* unter Betrachtung sämtlicher betriebswirtschaftlicher Zielbeiträge der Planfall 52 gegenüber dem Planfall 51 ein um ca. 620 Mio. EUR besseres Ergebnis erzielt.

In der Betrachtung des Normkilometers (siehe Ausführungen in Kapitel 3) ist zwar ETCS Level 1 in der Investition um ca. 40% günstiger als Level 2 (nur die Ausrüstung als Zugbeeinflussungssystem pro km 2-gl. Strecke). Bei einer Netzbetrachtung und unter Berücksichtigung sämtlicher Zielbeiträge (hauptsächlich Instandhaltung) ist dies nicht mehr der Fall. Eine ausschließliche Betrachtung der Investition ist in keinem Fall als Entscheidgrundlage ausreichend. Wir empfehlen deshalb als Entscheidungskriterium das vollständige betriebswirtschaftliche Zielsystem (...).“ (S.9)

 

Im Zusammenhang mit der Frage, wie weit es zu „monetären geschäftlichen Kontakten“ zwischen den ÖBB und Anbietern gekommen sei, weicht Ihre Antwort mit dem Hinweis auf eine EU-weite Bietersuche aus. Der Auftrag für die Westbahn wurde an Siemens erteilt, jedoch zwei Monate danach einer ARGE-Bildung zugestimmt. Erklärungsbedürftig ist die Tatsache, dass die ARGE Eurocor genau eine Woche vor der Zustimmung der ÖBB bereits zwei Abschlagsrechnungen legte (eine Akonto-Zahlung und eine Werksleistung). Dieser Betrag wurde von den ÖBB an eine juristische Person gezahlt, ehe man diese Person überhaupt als Vertragspartner akzeptiert hatte.

Vergaberechtlich ist es mehr als bedenklich, eine ARGE-Bildung mit dem Zweit- oder Drittgereihten zuzulassen, da es sich um eine klassische Umgehung handelt. Außerdem erfolgt die Warenübernahme bereits rund 1,5 Monate nach der Auftragserteilung, wobei der Abrechnungsstand nur bei 28% des gesamten Auftragswertes lag. Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass beide Partner bereits vor Auftragsvergabe über eine Kooperation einig waren und die Produktion bereits stattgefunden haben musste. Damit liegt der Verdacht einer unerlaubten Absprache sehr nahe. Das Argument, dass Siemens aus Kapazitätsgründen einen ARGE-Partner suchen hätte müssen, ist unhaltbar und unzulässig, da in diesem Fall der Zuschlag an die Firma zu Unrecht erfolgt wäre und der Vergebende eine mangelhafte Angebotsprüfung zu verantworten hätte.

 

Die Beantwortung der Anfrage 403/J (408/AB) lässt Fragen offen und behandelt sie teilweise unkorrekt.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 


 

ANFRAGE:

 

  1. Was hat die ÖBB bewogen, wie aus der Beilage ersichtlich ist, ETCS auf der gesamten Stecke Wien Südbahnhof – Hegyeshalom ausser Betrieb zu nehmen (warum kam es zu Bauarbeiten, sind Fehler unterlaufen, ...)?

 

  1. Warum wurde meine Frage 1 in 408/AB nicht korrekt beantwortet, sondern der Betrieb von ETCS auf der genannten Strecke Wien – Nickelsdorf mitgeteilt?

 

  1. Aus welchen Gründen werden nur 13 Lokomotiven für den Einsatz bei ETCS umgerüstet, warum keine größere Zahl? Warum wurden bis jetzt nur 4 von 13 Lokomotiven umgebaut?

 

  1. Warum wurde im Ministerium eine Arbeitsgruppe aus eigenen Personen, Firmen- und ÖBB-Vertretern eingerichtet und nicht die eigene Kompetenz als Aufsichtsbehörde allein genützt? Bestand nicht durch die Heranziehung von Firmenvertretern die Gefahr der Beeinflussung in Richtung eines bestimmten Systems?

 

  1. Warum wurde die Frage der Ausrüstung großer Bahnknoten nicht bereits früher gelöst, nachdem seit 1994 an der Umstellung der Zugsicherungssysteme gearbeitet wird?

 

  1. Aus welchen Gründen entschieden sich die ÖBB entgegen der Empfehlungen der Zusammenfassung der ÖBB Holding AG Konzernstrategie ETCS vom 12.8.2008 auf vielen Strecken für das letztlich sowohl betriebs- als auch volkswirtschaftlich teurere Zugbeeinflussungssystem ETCS Level 1, das auch Nachteile bei Sicherheit, Streckenkapazität und Fahrtgeschwindigkeit mit sich bringt?

 

  1. Wie erfolgte die Ausschreibung für ETCS Level 1 und Level 2?

 

  1. Wann und wie erfolgte die Ausschreibung für die Fahrzeugausstattung?

 

  1. Wie soll diese finanziert und bedeckt werden?

 

  1. Wie erfolgte die Ausschreibung für die Einrichtung von ETCS für das Inntal?

 

  1. Wie erfolgte die Leistungsvergabe für die Einrichtung von ETCS beim Wienerwaldtunnel?

 

  1. Ist bei den Ausschreibungen eine X25-Schnittstelle vorhanden, wenn nicht, warum nicht?

 

  1. Wer hat das Pflichtenheft für die Ausschreibung von ETCS erstellt?

 

  1. Wer hat sich bei der Ausschreibung im Unterinntal und bei der Westbahn-Neubaustrecke Wien – St. Pölten beteiligt?

Anmerkung der Parlamentsdirektion:

 

Die von den Abgeordneten übermittelte Beilage steht nur als Image (siehe Anfrage gescannt) zur Verfügung.