138/J XXIV. GP

Eingelangt am 11.11.2008
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Van der Bellen, Brunner, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

 

betreffend Espoo-Verfahren zur MVA Heiligenkreuz

 

 

 

 

 

Österreich hat das Übereinkommen über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen im Jahre 1997 ratifiziert (BGBl III Nr 201/1997). Diese Espoo-Konvention sieht vor, dass auf Wunsch des von Auswirkungen eines Projektes betroffenen Staates auch Alternativen zum geplanten Projekt, einschließlich der Unterlassung, sowie mögliche Maßnahmen zur Verminderung erheblicher, grenzüberschreitender nachteiliger Auswirkungen geprüft werden. Die Stellungnahme des Nachbarstaates und das Ergebnis der Konsultationen ist in der Entscheidung über den Genehmigungsantrag zu berücksichtigen. Siehe hiezu Art 5 und Art 6 der Konvention:

 

„Artikel 5

 

Konsultationen auf Grundlage der Dokumentation zur Umweltverträglichkeitsprüfung

 

Nach Fertigstellung der Dokumentation zur Umweltverträglichkeitsprüfung führt die Ursprungspartei ohne unnötige Verzögerung Konsultationen mit der betroffenen Partei, unter anderem über die möglichen grenzüberschreitenden Auswirkungen des geplanten Projekts und über deren Verminderung oder Vermeidung. Gegenstand der Beratungen können sein:

a) mögliche Alternativen zu dem geplanten Projekt, einschließlich der Unterlassung, sowie mögliche Maßnahmen zur Verminderung erheblicher, grenzüberschreitender nachteiliger Auswirkungen und zur Überwachung der Folgen solcher Maßnahmen auf Kosten der Ursprungspartei;

b) andere Möglichkeiten für eine gegenseitige Unterstützung bei der Verminderung erheblicher, grenzüberschreitender nachteiliger Auswirkungen des geplanten Projekts und

c) sonstige geeignete Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem geplanten Projekt. Bei der Aufnahme der Konsultationen vereinbaren die Parteien einen angemessenen zeitlichen Rahmen. Die Konsultationen können in einem allenfalls bestehenden gemeinsamen Gremium geführt werden.“

 


„Artikel 6

 

Endgültige Entscheidung

 

(1) Die Parteien stellen sicher, dass bei der endgültigen Entscheidung über das geplante Projekt das Ergebnis der Umweltverträglichkeitsprüfung einschließlich der Dokumentation zur Umweltverträglichkeitsprüfung, die gemäß Artikel 3 Absatz 8 und Artikel 4 Absatz 2 dazu übermittelten Stellungnahmen sowie das Ergebnis der Konsultationen gemäß Artikel 5 angemessen berücksichtigt werden.

(2) Die Ursprungspartei übermittelt der betroffenen Partei die endgültige Entscheidung über das geplante Projekt zusammen mit den für die Entscheidung maßgebenden Gründen und Überlegungen.

..........“

 

Das Nachbarland Ungarn hat zum Projekt der Müllverbrennungsanlage in Heiligenkreuz, zum Untersuchungsrahmen und zur Umweltverträglichkeitsprüfung am 16. Juli 2007 und am 26. März 2008 ausführliche Stellungnahmen abgegeben. Insbesondere wird nach den technologischen und räumlichen Alternativen zum gegenständlichen Projekt gefragt, die schon jetzt hohe Luftschadstoffbelastung geltend gemacht, die Beeinträchtigung der Lafnitz durch die beabsichtigten Einleitungen thematisiert und der Widerspruch des Projekts zum Naturpark vorgebracht. Die Grünen teilen in hohem Maße diese Bedenken. Zusätzlich verstößt das Projekt auch noch gegen das europarechtliche Prinzip der entstehungsnahen Entsorgung von Abfall. Während das Restmüllaufkommen 2006 im Burgenland bei 33.000 Tonnen im Jahr lag, soll die geplante Anlage über eine Kapazität von 325.000 Tonnen verfügen.

 

Um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Einwänden des Nachbarlands Ungarn sowie die Information der Öffentlichkeit über den von der österreichischen Bundesregierung resp dem zuständigen Regierungsmitglied gegenüber Ungarn eingenommenen Standpunkt sicherzustellen, stellen die unterfertigten Abgeordneten vor dem Hintergrund der von Ungarn abgegebenen Stellungnahme daher folgende

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

1.             Alternativenprüfung

a)            Wurde die Alternative „Verdoppelung des geplanten Hilfskessels“ (geplante Brennstoffwärmeleistung: 99 MW) geprüft? Wenn ja, aus welchen Gründen wurde sie verworfen?

b)            Aus der Wirkungsstudie geht hervor, dass die Lenzing AG gar nicht die gesamte Abwärme der MVA verwerten könnte. Wurde die Alternative einer Redimensionierung des Projekts geprüft? Wenn ja, warum wurde sie verworfen?

c)             Welche alternative Technologien und Standorte wurden zum eingereichten Projekt geprüft? Aus welchen Gründen wurden sie verworfen?

d)            Wurden gemäß dem Prinzip der entstehungsnahen Entsorgung von Abfall Alternativen geprüft (siehe ungarischer Einwand Nr 20)?

2.             Luftschadstoffe

a)            Für Stickstoffdioxid besteht in Ungarn ein Stunden-Grenzwert von 100µg/m3. Inwiefern wird Österreich sicherstellen, dass der ungarische Immissionsgrenzwert nicht überschritten wird?

b)            Inwiefern wird Österreich dem Wunsch Ungarns nachkommen, das Untersuchungsgebiet auf 5 km im Umkreis der Anlage zu erweitern und die prognostizierte Zusatzbelastung aus der MVA kartografisch zu visualisieren?

c)             Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Tatsache, dass das Projekt in einem Sanierungsgebiet Luft mit bedeutender Überschreitung der Feinstaubgrenzwerte geplant ist?

d)            Inwiefern wird Österreich dem Wunsch Ungarns nachkommen, „die Ergebnisse der Transmissionsberechnung – auch für die ungünstigste Emissionslage – je Stoffart der luftverschmutzenden Stoffe auf einer Karte mit Isolinien darzustellen und die Werte der Luftbelastung der Gebiete in Ungarn mit den in Ungarn geltenden Gesundheitsgrenzwerten für die Luftverschmutzung zu vergleichen“?

 

3.             Abfallwirtschaft

a)            Inwiefern kann Österreich darlegen, dass die Einstufung der Anlage als Energieerzeugungsanlage gerechtfertigt ist („Verwendung als R1 Brennstoff oder in anderer Weise erfolgende Energieerzeugung“)?

b)            Wurde Ungarn die Zusammensetzung der Abfälle, die in der MVA verbrannt werden sollen, mit Benennung der einzelnen Positionen und der EWC-Codes) mitgeteilt?

c)             Inwiefern wird Österreich den Einwänden Ungarns (unter Berufung auf EU-Recht) gegen die geplante Klärschlammverbrennung Rechnung tragen?

d)            Laut der vorläufigen Studie entstehen aus 28,5 t/Stunde verbrannten Reststoffen 6t/Stunde Abfälle wie Flugasche und Schlacke, dh rund 20% der antransportierten Abfall muss als gefährlicher Abfall wieder zu gesonderten Entsorgungsorten geführt werden. In welcher Weise wird dafür Sorge getragen, dass diese Abfälle der MVA sachgerecht zwischengelagert werden um Gewässerschäden ausschließen zu können?

 

4.             Wasser

a)            Abwässer der geplanten MVA sollen in die Kläranlage des Abwasserverbandes Bezirk Jennersdorf geleitet werden und gelangen von dort in die Lafnitz, welche nach Ungarn fließt. Inwiefern kann Österreich den Bedenken Ungarns, dass die Kläranlage die hohe Natriumkonzentration der Abwässer (ca 1 g/l NaCl) nicht beheben kann und es somit zu einer Schädigung des Gewässers kommt, begegnen?

b)            Im Fall eines Brandes oder Störfalls können stark verunreinigte Abwässer in hohen Mengen entstehen. Wie soll sichergestellt werden, dass diese Wassermengen nicht ungereinigt in die Lafnitz fließen?

 

5.             Naturschutz

a)            Ungarn rügt, dass bis dato die Auswirkungen der geplanten MVA auf die Nationalparks Fertö-Hanság und Örség nicht untersucht wurden. Aus den Unterlagen gehe hervor, dass keine konkrete Beobachtung bzw Datenermittlung vor Ort erfolgte. In welcher Weise wird Österreich diesem Erfordernis nachkommen?

b)            Eine MVA mit einem derartigem Gebäudevolumen und einem 98 m hohen Schornstein samt Abgasfahne beeinträchtigt das Erscheinungsbild des Nationalparks. Bei kaltem Wetter unter 0 Grad Celsius kann die Abgas- resp Dampffahne bis zu 175 m Höhe reichen. Welche naturverträglichen Alternativen wurden geprüft und warum wurden sie verworfen?

 

6.             Verfahren

a)            In welcher Weise werden die Konsultationen zwischen Österreich und Ungarn zum gegenständlichen Projekt ablaufen, wer verhandelt mit wem?

b)            Wer wird zu diesen Konsultationen ansonsten zugezogen?

c)             Wer erstellt den Bericht zu diesem Konsultationsergebnis?

d)            Wie findet das Konsultationsergebnis Eingang in den UVP-Akt?

 

7.             Bilaterale Abkommen

Woran liegt es, dass keine weiteren bilateralen Abkommen mit anderen Nachbarstaaten als der Slowakischen Republik zur effizienteren Abwicklung des Espoo-Übereinkommens seit 2004 abgeschlossen werden konnten?