13827/J XXIV. GP

Eingelangt am 31.01.2013
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ANFRAGE

 

 

des Abgeordneten Dr. Karlsböck

und weiterer Abgeordneter

 

an den Bundesminister für Gesundheit

betreffend Medikamententests in Entwicklungs- und Schwellenländern

 

 

Probanden für kostspielige Arzneimittelstudien finden Pharmakonzerne zunehmend in Entwicklungs- und Schwellenländern wie Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika.

 

Vor allem Indien gilt als besonders gefragt für klinische Studien, weil sich die medizinischen Ergebnisse leicht auf Europäer und Nordamerikaner übertragen lassen. Darüber hinaus sprechen viele indische Ärzte Englisch - ein weiterer Vorteil gegenüber den anderen Testländern. Des Weiteren bietet Indien mit seinen 1,2 Milliarden Einwohnern viele mögliche Freiwillige, die - weil oft arm und noch niemals mit einem Medikament behandelt - ideale Testkandidaten sind, da die Wirkung eines neuen Mittels bei ihnen unverfälscht erfasst werden kann.

 

Ein weiterer Hauptfaktor für die Verlagerung der klinischen Studien sind Kostenüberlegungen. Laut Expertenschätzungen können  durch niedrigere Personal- und Arbeitskosten bis zu 40 Prozent der Kosten eingespart werden.

 

Ein entsprechender online Artikel,  welcher unter der Adresse http://www.gesundheitlicheaufklaerung.de/indien-todesfaelle-bei-pharma-studien

 abrufbar  ist, behandelt die Schattenseiten und die weiterreichenden Folgen dieser Entwicklung. Der Artikel lautet in entsprechenden Auszügen wie folgt:

 

„[…] Immer mehr Pharma-Studien werden nach Indien verlagert. Die Zahl der Geschädigten nimmt von Jahr zu Jahr zu. Im Zeitraum von 2007 bis 2010 starben 1.600 Inder/innen bei klinischen Studien […]

 

Goldene Bilanzen stehen über Menschenleben. Für den schnellen Profit im Pharmageschäft müssen bevorzugt die Ärmsten der Armen grausame Schicksale erleiden – von schweren lebenslangen Gesundheitsschäden bis hin zum Tod […]


Die Testpersonen sind überwiegend extrem arm und analphabetisch; in vielen Fällen werden Einverständniserklärungen von Dritten unterzeichnet […]“

 

In diesem Zusammenhang häufen sich die Berichte, dass in den meisten Entwicklungs- und Schwellenländern keine wirksame Kontrollen, keine Anlaufstellen für Geschädigte und keine ausreichenden Offenlegungspflichten existieren.

 

Angeblich informieren Ärzte ihre häufig analphabetischen Patienten gar nicht darüber, dass sie an einer Versuchsreihe teilnehmen. Auch über die Gefahren der getesteten Wirkstoffe findet angeblich keinerlei Aufklärung statt. Diese Praxis gefährdet daher nicht nur die unwissenden Patienten in Entwicklungs- und Schwellenländern, sondern auch die Gesundheit der Menschen in Österreich, weil kein offener Austausch zwischen Patienten und dem leitenden Arzt stattfindet.

 

Diese Problematik wird noch weiter verschärft indem Pharmakonzerne immer häufiger Contract Research Organisations (CRO) beauftragen. Diese Unternehmen übernehmen die Planung und Vorbereitung klinischer Studien, samt Datenmanagement, Monitoring und der Rekrutierung der gesuchten Probanden. Hierbei besteht das grundsätzliche Problem, dass die CROs unter Druck stehen, schnell die gewünschten Ergebnisse zu liefern  und dadurch die beteiligten Ärzte und Krankenhäuser eher bereit sind, die positiven Seiten eines neuen Medikaments in den Vordergrund zu stellen.

 

 

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den  Bundesminister für Gesundheit folgende

 

ANFRAGE

 

1.    Wie beurteilen Sie bzw. Ihr Ressort, den „Outsourcingtrend“ klinischer Studien in Entwicklungs- und Schwellenländer?

 

a.   Wie beurteilen Sie bzw. Ihr Ressort die dortigen Kontrollmechanismen?

 

b.   Wie beurteilen Sie bzw. Ihr Ressort die dortigen Offenlegungspflichten?

 

c.    Wie beurteilen Sie bzw. Ihr Ressort die hohe Anzahl an Geschädigten?

 

d.   Sind Ihnen bzw. Ihrem Ressort Schadens- bzw. Todesfälle bekannt, die sich auf klinische Studien österreichischer Pharmaunternehmer zurückführen lassen?

 

e.   Wenn ja, sehen Sie bzw. Ihr Ressort angesichts dieser Schadens- bzw. Todesfälle einen Anlass zu strafrechtlichen Ermittlungen?

 

f.     Gibt es in diesem Zusammenhang eine Zusammenarbeit mit den jeweiligen Behörden, um die hohe Anzahl an Geschädigten zu verringern?


2.    Wie beurteilen Sie bzw. Ihr Ressort das stetige Wachstum der CROs die die mangelnde Transparenz auf diesem Gebiet noch weiter verschlechtert?

 

3.    Welche österreichischen Pharmaunternehmen führen derzeit klinische Medikamententests außerhalb Europas durch?

 

a.   In welchen Ländern werden diese klinischen Medikamententests durchgeführt?

 

b.   Wie viele Probanden sind an diesen klinischen Medikamententests beteiligt?

 

 

4.    Wie beurteilen Sie  bzw. Ihr Ressort die Problematik, dass durch den mangelnden Austausch zwischen den Ärzten und den Probanden im europäischen Ausland negative Auswirkungen für die Medikamentensicherheit in Österreich entstehen können?

 

5.    In der „Deklaration von Helsinki“[1] wird festgehalten, dass das Wohlergehen des Patienten über den Interessen von Wissenschaft und Gesellschaft stehen muss. Darüber hinaus sind die Bedürfnisse von ökonomisch und medizinisch benachteiligten Menschen besonders zu  berücksichtigen. Wie beurteilen Sie bzw. Ihr Ressort Arzneimittelzulassungen der Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA), wenn klinische Studien vorher gegen diese Grundsätze verstoßen haben?

 



[1] http://www.wma.net/en/30publications/10policies/b3/17c.pdf