14610/J XXIV. GP

Eingelangt am 26.04.2013
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Petra Bayr und GenossInnen

an die Bundesministerin für Finanzen betreffend die Förderung des Unternehmens Addax zur Produktion von Agro-Ethanol unter dem Vorwurf des Land Grabbings.

Die Europäische Union setzt in den vergangenen Jahren massiv auf den Anbau und die Förderung von Agro-Treibstoffen inner- und außerhalb der Mitgliedstaaten. Da der unionsinterne Bedarf an Agro- Treibstoffen bei weitem nicht durch Eigenproduktion zu decken ist (40 Prozent müssen importiert werden), werden zahlreiche Projekte und Programme in den so genannten Entwicklungs- und Schwellenländern gefördert, um Energiepflanzen auf deren Flächen anzubauen und in die EU zu exportieren. Dabei sind negative soziale, menschenrechtliche und ökologische Auswirkungen immer offensichtlicher.

Neben zahlreichen nationalen und internationalen NGOs weisen auch internationale Institutionen wie die Weltbank, die FAO, die OECD und die Europäische Kommission selbst auf Konkurrenzsituationen zwischen lokaler Bevölkerung und den Interessen der Agro-Treibstoffindustrie um Land- und Wasserressourcen hin.

So kommt es in den Ländern des globalen Südens zu Verdrängungen oder gar Vertreibungen der lokalen Bevölkerung von Land, das für viele Menschen oft seit Generationen die Lebensgrundlage dar- und Ernährungssouveränität sicherstellt. Wasserressourcen fließen statt in den Anbau von Nahrungsmitteln für den Konsum vor Ort nunmehr in die Produktion von Agro-Treibstoffen für den Export. Auch die zu verurteilende Praxis des „Land Grabbings“, also das Mieten oder Pachten von großen Landflächen über viele Jahre zu äußerst geringen Preisen tritt immer häufiger gepaart mit der Intention auf, diese Flächen unter anderem auch zur Produktion von Agrotreibstoffen zu nutzen. Dabei wird die lokale Bevölkerung häufig weder gleichberechtigt in die Entscheidungsprozesse einbezogen, noch ausreichend entschädigt. In dem Mehrparteienentschließungsantrag (Maßnahmen gegen modernen Landraub „Land Grabbing“ in Entwicklungsländern) 1118/A(E) sowie der Entschließung 280/E forderte der Nationalrat die Regierung unter anderem dazu auf, sich auf nationaler und internationaler Ebene, entsprechend den vorhandenen Möglichkeiten, gegen die Praxis des Land Grabbing einzusetzen.

Österreichische Mittel für LandGrabbing?

Anfang April 2013 wurde zum ersten Mal der Vorwurf erhoben, dass öffentliche Mittel, die für Entwicklungszusammenarbeit im Sinne des EZA-Gesetzes vorgesehen waren, zur Förderung von Land Grabbing eingesetzt wurden. Konkret wurde das Schweizer Unternehmen Addax gefördert, welches in Sierra Leone große Landflächen gepachtet hat, um auf diesen Agro-Ethanol, überwiegend für den europäischen Markt, zu produzieren.

In einer APA-Meldung vom 11. April 2013 wird die Involvierung öffentlicher Mittel folgendermaßen geschildert:

„Die Verwicklung internationaler Geber, wie eben auch der OeEB, ist einigermaßen kompliziert:

Seit Juni 2010 kooperiert die OeEB mit dem Emerging Africa Infrastructure Fund (EAIF), die Kreditlinie beträgt zehn Millionen Euro. Seither wird über den EAIF auch das Projekt von Addax finanziert. Und auch die Austria Development Agency (ADA), die staatliche Agentur für Entwicklungszusammenarbeit, ist indirekt von den Vorwürfen betroffen, denn der EAIF selbst ist im Eigentum der Private Infrastructure Development Group (PIDG), die wiederum von diversen Geberorganisationen, darunter die ADA, im Jahr 2002 gegründet worden war.“


Nicht-Regierungsorganisationen aus Sierra Leone (SiLNoRF), der Schweiz (Brot für alle) und Österreich (FIAN) werfen Addax vor, die Ernährungssicherheit der lokalen Bevölkerung zu gefährden. Addax hat große Flächen von fruchtbarem Land an sich genommen, obwohl sie versprochen haben nur “marginal lands” zu verwenden. Hinzu kommt, dass für das Projekt 4000 Hektar Buschland gerodet wurden. Die lange Dauer des Land Lease Agreement (50 Jahre + Verlängerungsoption) entzieht einer ganzen Generation den Zugang zu ihrem Land.

Die Communities wurden nicht ausreichend über die negativen Auswirkungen des Projekts informiert, daher kann nicht von einem Free Prior and Informed Consent (FPIC) der lokalen Bevölkerung ausgegangen werden. Versprechen, wie in Infrastruktur zu investieren (nämlich durch den Bau von Schulen und Gesundheitszentren) sowie sichere und nachhaltige Arbeitsplätze zu schaffen, scheinen bisher nicht eingehalten worden zu sein. Darüber hinaus würden 80 Prozent des Gewinnes, die durch das Projekt entstehen, an den Betreiber Addax gehen.

Bessere C02-Bilanz von Agro-Treibstoffen?

Parallel zu den Gefahren von Land Grabbing wird gleichzeitig die Sinnhaftigkeit von Agro-Treibstoffen diskutiert. Derzeit fließen hohe Geldsummen in die Subvention von Anbau, Verarbeitung und Verkauf von Agro-Treibstoffen. Das häufig strapazierte Argument „Agro-Treibstoffe hätten eine bessere C02 Bilanz als konventionelle Brennstoffe“ ist nicht haltbar. Derzeit verhandelt die Kommission einen Gesetzesvorschlag, der die Indirekten Landnutzungsänderungen (iLUC) von Agro-Treibstoffen in der C02-Bilanz behandelt. Nur wenn diese berücksichtigt werden, kann ein seriöser Vergleich mit der C02 Bilanz von konventionellen Treibstoffen vorgenommen werden. Es ist daher sehr fragwürdig, ob die C02 Bilanz von Agro-Treibstoffen tatsächlich ein besseres Ergebnis bietet, als jene von konventionellen Treibstoffen.

Die Unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an die Bundesministerin für Finanzen folgende

Anfrage:

1.)     Welche Schlussfolgerungen hat Ihr Ressort aus der Entschließung des Nationalrats sowie dem ihr zugrunde liegenden Bericht vom 6.12.2013 gezogen?

2.)     Was sind sie nächsten Schritte, die auf möglicherweise gewonnen Schlussfolgerungen aufbauen?

3.)     Welche grundsätzlichen Lehren zieht Ihr Ressort aus den in den vergangenen Wochen vor allem aus afrikanischen Ländern bekannt gewordenen Fällen (vg. Addax), in welchem Land in legitimer oder illegitimer Weise den/die BesitzerIn bzw. die Verfügenden gewechselt hat, ohne eine freie, informierte Zustimmung der Bevölkerung, es zu Vertreibungen gekommen ist, keine Entschädigungen geleistet oder Versprechungen nicht eingehalten wurden?

4.)     In welcher Weise wurde dem Bereich Landbesitz und Landnutzung in der bisherigen konkreten Resultatbetrachtung - etwa in Form von entsprechenden Indikatoren - Rechnung getragen?

5.)     Im Rahmen welcher Partnerschaften und durch Unterstützung welcher Programme wird der Bereich Landbesitz und Landnutzung in Zukunft berücksichtigt werden?

6.)     In der IFI-Strategie Ihres Ressorts gibt es mehrere Bezüge zum Thema Bereich Landbesitz und Landnutzung (z.B. Armutsminderung, Umwelt, IFAD), wie stellt Ihr Ressort sicher, dass öffentliche Mitteln nicht für Land Grabbing missbraucht werden?

7.)     Wie wird das Thema Landbesitz und Landnutzung in der aktualisierten IFI-Strategie positioniert sein?

8.)     Wie wird von Seiten ihres Ressorts der Zusammenhang zwischen den thematischen Bereichen Landbesitz und Landnutzung einerseits sowie Wirtschaftliches Wachstum andererseits gesehen?

9.)     Welche Monitoringmechanismen mit welchen menschenrechtlichen Kriterien haben Development Finance Institutions wie die Oesterreichische Entwicklungsbank (OeEB), wenn sie über Fonds privatwirtschaftliche Agrarprojekte finanziell unterstützen?


10.)  Welche Monitoringmechanismen mit welchen sozialen Kriterien haben Development Finance Institutions wie die Oesterreichische Entwicklungsbank (OeEB), wenn sie über Fonds privatwirtschaftliche Agrarprojekte finanziell unterstützen?

11.)  Welche Monitoringmechanismen mit welchen Kriterien zum Schutz der Umwelt haben Development Finance Institutions wie die Oesterreichische Entwicklungsbank (OeEB), wenn sie über Fonds privatwirtschaftliche Agrarprojekte finanziell unterstützen?

12.)  Welche Rolle spielt eine menschenrechtliche Folgeabschätzung während der Verhandlungs- bzw. Entscheidungsprozesse bei Projekte/Programmen der Entwicklungsbank und Dritten für eine Kreditvergabe/Finanzierung?

13.)  Wie stellt Ihr Ressort sicher, dass öffentliche Mittel, die über Dritte (wie den Emerging Africa Infrasturcture Fund oder die Private Infrastructure Development Group) umgesetzt werden, weder negative soziale, menschenrechtliche oder ökologische Folgen haben?

14.)  Welche neuen oder zusätzlichen ex-ante-Bewertungen bzw. Monitoring-Mechanismen sind nötig, um oben genannte negativen Folgen, die von Dritten verursacht werden, verhindern zu können?

15.)  Welche zusätzliche Mittel- bzw. personelle Ausstattung in welchen Bereichen ist zur Verhinderung negativer Folgen, verursacht durch Dritte, notwendig?

16.)  Wenn eine Gruppe sich nachteilig von OeEB unterstützten oder über multilaterale (IFI) Töpfe finanzierten Agrarprojekten oder ländlichen Entwicklungsprogrammen betroffenen sieht, in welche die Ihr Ressort bzw. die OeEB involviert ist: Welcher menschenrechtliche Beschwerdemechanismus und welche menschenrechtliche Revisionsklausel ist eingesetzt, so dass Beschwerden bearbeitet und ggf. Vertragskorrekturen vorgenommen werden können?

17.)  Wie finden die FAO Guidelines on the Responsible Governance of Tenure in den Aktivitäten Ihres Ressorts praktische Anwendung?

18.)  Die OEZA hat Schwerpunktländer und Schwerpunktregionen. Sierra Leone ist nicht darunter. Warum wurde dennoch eine Unternehmung in diesem Land unterstützt?