15220/J XXIV. GP

Eingelangt am 18.06.2013
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Anfrage

 

der Abgeordneten Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Justiz

betreffend unterlassener Verständigung der Jugendwohlfahrt bei sexuellem Missbrauch

BEGRÜNDUNG

 

Am 24.8.2011 bringt L. über ihren Rechtsanwalt eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft St. Pölten ein. Die heute 24-Jährige gibt an, zwischen 1993 und 1995 durch ihren Onkel Alexander H. schwer missbraucht worden zu sein. Hintergrund der Anzeige war der Umstand, dass L. erfahren hatte, dass ihr Onkel zu dem der Kontakt abgebrochen ist, nunmehr Vater einer Tochter geworden ist und sie Angst hatte, dass möglicher Weise auch dieses Kind Opfer sexueller Straftaten von H. werden könnte. Das wollte sie mit ihrer Anzeige verhindern.

Am 28.10.2011 kommt es zur Einvernahme von L. als Zeugin. Sie schildert detailliert schwerste sexuelle Missbrauchshandlungen an ihr im Alter zwischen 4 bis 6 Jahren durch H. und äußert ihre Angst, dass H. jetzt wieder sexuelle Übergriffe auch an seiner kleinen Tochter verüben könnte. Sie ersucht ausdrücklich das Jugendamt darüber zu informieren.

Am 3.11.2011 wird H. als Beschuldigter einvernommen. H. legt ein weitgehendes Geständnis zu den schweren sexuellen Übergriffen an seiner Nichte L. in den Jahren 1993 bis 1995 ab. Hinsichtlich seiner Tochter verneint er in der Einvernahme jede Form von sexuellen Übergriffen.

Trotz des Geständnisses sieht die Staatsanwaltschaft keinen Grund das Jugendamt zu informieren, obwohl bekannt war, dass H. Vater einer im April 2010 geboren Tochter ist.

Im Abschlussbericht der Polizei unter der Aktenzahl B5/64895/20122 (zum Staatsanwaltsakt St. Pölten 3 St 240/11x) heißt es wörtlich: „ Nach STA-Rücksprache wurde/wird ha. keine Verständigung des Magistrats der Stadt St. Pölten, Jugendwohlfahrt, durchgeführt“.


Somit ist nicht nur offensichtlich, dass eine Verständigung des Jugendamts durch die Behörden unterblieben ist, sondern hat die Staatsanwaltschaft nach Rücksprache der Polizei dies bewusst nicht vorgesehen.

In weiterer Folge stellt sich im Verfahren heraus, dass H. an seiner kleinen Tochter schwerste sexuelle Gewalt angewendet und auch kinderpornografisches Material angefertigt hat. H. wird am 19.7.2012 verhaftet. Bei seinem ersten aktenkundigen Übergriff war das letzte Opfer - seine Tochter – noch keine 6 Monate alt.

Skandalös ist im gegenständlichen Fall der Umstand, dass die mangelnde Verständigung des Jugendamts durch die Staatsanwaltschaft dazu geführt hat, dass das kleine Mädchen noch rund ein weiteres ¾ Jahr ihrem Martyrium ausgesetzt war. Die letzten verurteilen sexuellen Gewaltakte haben am 13.7.2012 stattgefunden, also fast 9 Monate, nachdem H. bereits ein Geständnis hinsichtlich der Straftaten an seiner Nichte L. abgelegt hat.

Am Ende des Verfahrens (20 Hv 5/13v LG St. Pölten) stehen fünf zum Tatzeitpunkt minderjährige ausgeforschte Opfer von H.; seine Verurteilung zu 14 Jahren Haft wegen schwerem sexuellen Missbrauch von Unmündigen, Unzucht mit Unmündigen, sexueller Missbrauch von Unmündigen, Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses, pornografische Darstellungen mit Unmündigen, sowie Blutschande. Dazu ein kleines 3‑jähriges Mädchen, dem auf Grund des Totalversagens der Behörden nicht früh möglichst geholfen wurde, das schwerst verletzt wurde und möglicherweise dauerhaft beeinträchtigt bleiben wird.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Ist es richtig, dass es im Abschlussbericht der Polizei Aktenzahl B5/64895/20122 (zum Staatsanwaltsakt St. Pölten 3 St 240/11x) heißt „ Nach STA-Rücksprache wurde/wird ha. keine Verständigung des Magistrats der Stadt St. Pölten, Jugendwohlfahrt, durchgeführt“?

2)    Wenn ja, wer trägt für die Nichtinformation des Jugendamts, trotz ausdrücklichen Hinweises, dass der dann geständige Täter H. nunmehr auch Vater eines kleines Kindes ist, die Verantwortung?

3)    Warum hat die Staatsanwaltschaft St. Pölten - offensichtlich trotz Rückfrage der Polizei - eine Verständigung des Jugendamts der Stadt St. Pölten für nicht notwendig erachtet?

4)    Teilen Sie die Einschätzung, dass eine Verständigung des Jugendamts bei einem Täter der hinsichtlich Sexualstraftaten an Kindern geständig ist und selbst Vater eines kleinen Kindes ist, angebracht ist?


5)    Gibt es einen behördeninternen Erlass, wie im Fall eines bezüglich Sexualstraftaten an Kindern geständigen Täters der selbst Vater eines Kindes ist, hinsichtlich einer Verständigung des Jugendamts vorzugehen ist?

6)    Wenn nein, werden sie als Konsequenz auf diesen Fall einen derartig Erlass herausgeben?

7)    Hat die Staatsanwaltschaft St. Pölten nach dem Geständnis des Täters H. am 3.11.2011 das Vorliegen des Untersuchungshaftgrundes Tatbegehungsgefahr geprüft, zumal die gestandenen Taten im familiären Umfeld begangen wurden und bekannt war, dass H. jetzt selbst Vater eines Kindes ist ?

8)    Wenn, nein warum nicht?

9)    Wäre der Untersuchungshaftgrund Tatbegehungsgefahr durch die StA St. Pölten zu prüfen und allenfalls zu beantragen gewesen?

10) Werden Sie von sich aus einen Schritt setzen, um dem - auch auf Grund des Behördenversagens -  schwer geschädigten Kind ein Schadensersatzangebot zu machen?

11) Wird es Konsequenzen für jenen Staatsanwalt/Staatsanwältin, der /die für die unterlassen Verständigung des Jugendamts verantwortlich war, geben?

12) Wenn ja, welche?