15326/J XXIV. GP

Eingelangt am 03.07.2013
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Dringliche Anfrage

§93 Abs 2 GOG-NR

(Klubverlangen)

 

 

der Abgeordneten Ing. Lugar, Schenk, Markowitz, Hagen, Tadler

 

an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

 

betreffend Gewerkschaft blockiert - Wirtschaft verliert

  

Die österreichische Bundesregierung will trotz massiver Proteste zahlreicher Experten – wie etwa der MTD-Austria, Dachverband und überbetriebliche Interessensvertretung von 20.000 Berufsangehörigen – die Registrierung der Gesundheitsberufe bei der Arbeiterkammer durchsetzen und am heutigen Tag im Nationalrat beschließen lassen. Insbesondere die in diesem Bereich tätigen Personen sind zu Recht empört und verunsichert und haben kein Verständnis für diese fachlich nicht gerechtfertigte Maßnahme, die aus rein politischen Gründen umgesetzt werden soll.

 

Zusätzlich wird die Situation am Arbeitsmarkt immer dramatischer. Im Juni 2013 befanden sich 314.407 Personen auf Jobsuche, um 30.770 mehr als im Juni des Vorjahres. Besonders betroffen sind die Bauwirtschaft - ein Plus von 15 Prozent auf 16.432 vorgemerkte Arbeitslose - und die Gesundheitsberufe - ein Plus von 14 Prozent auf 6.996 vorgemerkte Arbeitslose (Quelle: Sozialministerium).

 

Die Situation in der Bauwirtschaft wird sich in den kommenden Wochen und Monaten auf dramatische Weise verschärfen. Die Insolvenz der ALPINE Bau mit aktuell rund 5.000 Beschäftigten ist ein tragischer Höhepunkt. Zahlreiche Bauprojekte stehen still, wodurch ein Dominoeffekt mit Folgekonkursen droht.

Zahlreiche weitere Insolvenzfälle sind in den vergangenen Tagen und Wochen öffentlich bekannt geworden. Allein die Insolvenz der Elektronikhandelskette Niedermeyer kostete 600 Mitarbeitern ihren Job.

 

Der Schlecker-Nachfolger - die Drogeriekette Dayli - mit 3.300 Beschäftigten befindet sich aktuell in einer sehr ernsthaften Situation. Es drohen eine Insolvenz und der Verlust von tausenden Arbeitsplätzen. Mit der Chronik darüber, wie der ÖGB die Drogeriekette geknebelt und letztlich ruiniert hat, ist Österreich wohl einzigartig im europäischen Staatengefüge:

 

= November 2012: Haberleitner übernimmt Schlecker, betreibt 900 Filialen unter „Dayli“ weiter, kündigt die Schaffung weiterer 800 Arbeitsplätze an.

= Dezember 2012:    Novomatic steigt mit 50 Prozent bei Dayli ein, Haberleitner kündigt an, 2016 an die Börse gehen zu wollen.

= Jänner 2013:          Dayli erweitert in zwei Testfilialen sein Angebot mit Lebensmitteln, Haushaltsgeräten und Bürodienstleistungen. Haberleitner spricht damals noch von 80 Mio. Euro Eigenkapital.

= Februar 2013:        In einer dieser Testfilialen öffnet Haberleitner auch sonntags, die Gewerkschaft läuft sofort Sturm, GPA-Chef Proyer kündigt eine Anzeige wegen „unlauteren Wettbewerbs“ an.

= April 2013:              Weitere Dayli-Filialen öffnen am Sonntag, die GPA schaltet nun auch das Arbeitsinspektorat ein.

= Anfang Mai 2013:   Dayli muss seine Sonntagsöffnung auf Druck der Gewerkschaft und Behörden zurücknehmen, da die Gewerbeordnung diesbezüglich geändert wurde. GPA-djp-Chef Wolfgang Katzian jubelt und sagt: „Es reicht nicht aus, als Drogeriemarkt einen Getränkeautomaten aufzustellen und Leberkässemmeln zu verkaufen.“

= Ende Mai 2013:      Aufgrund der nun geringeren Gewinnaussichten zieht die Novomatic ihren Anteil an Dayli zurück. Trotzdem wollte Haberleitner 52 Mio. Euro bis Ende 2013 in die Filialkette in Österreich investieren.

= Ende Mai 2013:      Die GPA brüstet sich damit, einen Sozialplan für Dayli erarbeitet zu haben, weil erstmals im Raum steht, dass Dayli als Folge des Verbots der Sonntagsöffnung Mitarbeiterkündigungen in den Raum stellt.

= Juni 2013:               Haberleitner kündigt einen Rückzug nach Deutschland und die voraussichtliche Schließung von 180 Filialen in Österreich mit insgesamt 560 Mitarbeitern an.

= Ende Juni 2013:    Dayli reduziert die Schließung auf 103 Filialen, 336 Mitarbeiter müssen zum AMS.

= 1 Juli 2013:             Die Insolvenz steht im Raum, damit sind die letzten 3000 Mitarbeiter aktuell bedroht. Und Sozialminister Hundstorfer lässt über die Medien lapidar ausrichten: „Wir stehen zur Verfügung.“

= 2. Juli 2013:            Die GPA rät den Betroffenen, mit Ihrer Hausbank zu sprechen, um etwaige Stundungen oder Umschuldungen zu erreichen – ein Zynismus der Sonderklasse!

 

 

Im Bereich der „Alpine“ stellt sich die Chronologie der sozialpartnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Dienstgeber und Gewerkschaft und der Auslegung der aktuellen Gesetzeslage wiederum durchaus semi-professionell dar:

 

= 24. April:     Im vorläufigen Jahresbericht 2012 wird ein Verlust nach Steuern von satten 449,7 Millionen Euro angeführt. Die Bauleistungen sind im Vergleich zu 2011 von 3,62 auf 3,21 Milliarden zurückgegangen, bewegen sich nach Firmenangaben noch innerhalb des Rahmens, den die Finanzierungspartner festgelegt haben sollen.

= 24. April:     Für den neu bestellten „Alpine“-Chef Arnold Schiefer ist der Megaverlust des Vorjahres ein Ergebnis von „Selbstüberschätzung kombiniert mit mangelnder Kontrolle“. Vor allem die Abwicklung von Großprojekten in Osteuropa habe den Konzern in „eine große Schieflage“ gebracht. Trotzdem betont Schiefer, dass der Österreich-Teil der Firma eine „sehr gesunde Struktur“ hätte.

= 27. April:     Offenbar als letzte Rettung holt sich die „Alpine“ gemeinsam mit der „Porr“ aus Serbien eine einbehaltene Bankgarantie von 10 Millionen Euro zurück. Nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein.

= 4. Juni:        Die „Alpine“ kann nichts mehr verzögern und veröffentlicht die Zahlen für das erste Quartal 2013. Darin ist ein Verlust von 53 Millionen Euro enthalten. Die „Hauptschuld“ wurde dem langen Winter gegeben.

= 19. Juni:      Der Ofen ist aus: Die „Alpine“ meldet Insolvenz an, der Konzern ist mit 1,9 Milliarden Euro überschuldet. 4.900 Arbeitsplätze in Österreich sind in Gefahr, hinzu kommen noch 7.500 indirekt gefährdete Arbeitsplätze bei den Zulieferern. Die liquiden Mittel der Firma betragen nur noch 5,7 Mio. Euro. Die Politik zeigt sich entsetzt, man beginnt, an Auffanggesellschaften zu basteln.

 


= 20. Juni:      Nach dem Insolvenzantrag kündigt die GBH (Gewerkschaft Bau-Holz) in Person des Vorsitzenden Josef Muchitsch (S) „Maßnahmen zur Weiterbeschäftigung“ an. Bei 36 bundesweiten Versammlungen sollen die Mitarbeiter über die Vorgangsweise der Gewerkschaft informiert werden.

= 24. Juni:      Die Suche nach Auffanggesellschaften ist gescheitert, allerdings gibt es in den Ländern zahllose Firmen, die laufende Baustellen haben und es besteht die Hoffnung dass hier Mitarbeiter übernommen werden können.

= 25 Juni:       Muchitsch bejubelt das Konjunkturpaket der Regierung und zeigt sich zuversichtlich, dass viele der Ex-Alpine-Baustellen ab 15. Juli weiterbestehen können. Faymann und Muchitsch pilgern zu den Alpine-Betriebsversammlungen und „werben“ für das in diesem aktuellen Fall völlig sinnlose Konjunkturpaket. Ein Irrtum, wie sich bereits kurz später zeigt.

= 28. Juni:      Muchitsch verkündigt, das die ÖBB 70 Alpine-Lehrlinge übernehmen würden, für die verbleibenden 72 Lehrlinge ruft er die aktuell bereits sehr angeschlagene Bauwirtschaft zur Übernahme auf.

= 1. Juli:         Die Stadt Wien gibt bekannt, dass die Großbaustelle an der Gürtelbrücke stillgelegt und zurückgebaut werden muss. Der Grund: Laut EU-Recht - was Muchitsch als hochrangiger Gewerkschafsfunktionär nicht wusste - müssen Baustellen nach einem Konkurs eines einzigen Bauträgers zwingend neu ausgeschrieben werden. Und das dauert möglicherweise bis zu einem Jahr.

Nicht zuletzt aufgrund dieser täglichen Horror-Meldungen über Politik und heimischen Arbeitsmarkt und der wechselseitigen Einflussnahme der Sozialpartner sorgen sich die Beschäftigten in Österreich um ihren Job.

 

Das von der österreichischen Bundesregierung nach dem ALPINE-Aus angekündigte Konjunkturpaket kommt viel zu spät und ist eine reine Alibi-Maßnahme. Es ist zu spät, die Feuerwehr zu rufen, wenn das Haus bereits abgebrannt ist. Die Regierung wäre gefordert gewesen, rechtzeitig Maßnahmen zu setzen, um solche dramatischen Pleitefälle vorbeugend zu vermeiden. Dies wurde nicht getan. Daher sind auch Ankündigungen von SPÖ und ÖVP, für Joboffensiven zu sorgen, völlig unglaubwürdig und nichts anderes als Vorwahlgeschenke.

 

Insbesondere am Beispiel von Dayli kommt hier den Gewerkschaften im Zusammenspiel mit der Bundesregierung eine sehr zweifelhafte Rolle zu. Anstatt mit der Zeit zu gehen, sich der modernen Arbeitswelt anzupassen und innovative Geschäftsideen zu unterstützen, konzentriert sich der ÖGB darauf, zu blockieren und zu verhindern. Bei den Gewerkschaften steht die Verteidigung des eigenen Systems im Vordergrund, die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer scheinen sekundär. Beispielsweise hätten ohne die existenzbedrohenden Maßnahmen der Gewerkschaft gegen die Sonntagsöffnung bei der Drogeriekette Dayli möglicherweise hunderte Arbeitsplätze gerettet bzw. geschaffen werden können. Die Blockadepolitik der Gewerkschaft in Österreich wirkt wie ein Bremsklotz auf jeden Versuch, kleinen und mittelständischen Unternehmen zu besseren Chancen zu verhelfen.

 

 

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Herrn Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz nachfolgende

 

 

Dringliche Anfrage:

 

1.    Wie beurteilen Sie in Ihrer Funktion als „Arbeitsminister“ dass trotz massiver Proteste zahlreicher Experten, wie etwa der MTD-Austria, Dachverband und überbetriebliche Interessensvertretung von 20.000 Berufsangehörigen und der Kritik des Verfassungsdienstes in seiner Stellungnahme, die Registrierung der Gesundheitsberufe bei der Arbeiterkammer heute durchgesetzt werden soll?


2.    Wenn Sie der Meinung sind, dass es sich hier um kein Ignorieren der Anliegen von Berufsgruppen, und damit arbeitenden Menschen, handelt, wie begründen Sie diese Meinung?

 

3.    Über die „Alpine“ wird laufend berichtet; welche Informationen haben Sie aktuell über die Situation der Zulieferfirmen und wie viele davon haben bereits in das AMS-Frühwarnsystem gemeldet und Mitarbeiter vorgemerkt?

 

4.    Unter Berücksichtigung der Amtshilfe zur Beantwortung dieser Frage, welchen Kenntnisstand haben Sie darüber, welche Überbrückungskredite es hier für Firmen in welcher Höhe und ab welchem Zeitpunkt geben soll, da davon weitere Arbeitsplätze abhängen?

 

5.    In wenigen Tagen läuft der Schutz für die ALPINE-Mitarbeiter aus. Welche Maßnahmen haben Sie für die Mitarbeiter konkret geplant?

 

6.    Viele Baustellen der ALPINE sollen von anderen Baufirmen übernommen werden. Wie ist der momentane Stand der Verhandlungen mit möglichen Nachfolgefirmen?

 

7.    Der ÖGB fordert „Kein ALPINE-Lehrling darf auf der Straße stehen“. Wie sieht die aktuelle Situation für die nicht von der ÖBB übernommenen Lehrlinge aus?

 

8.    Das so genannte „Konjunkturpaket“ ist nicht in der Lage, ausreichende Wirkung auf die heimische Wirtschaft zu entfalten. Was plant die Regierung außer den bereits genehmigten oder vorgezogenen Projekten, um der voranschreitenden Arbeitslosigkeit gegenzusteuern?

 

9.    Studien zufolge beträgt der Sozialbetrug in Österreich (ohne Steuerhinterziehung) rund eine Milliarde Euro. Was tun Sie, um diesen zu beenden und diese Mittel dem Arbeitsmarkt zuzuführen?

 

10. Wie stehen Sie zu Mitarbeiterbeteiligungsmodellen, und werden Sie sich dafür einsetzen, dass diese gesetzlich ermöglicht werden können? Wenn nein, warum nicht?

 

11. Welche Maßnahmen setzen Sie in Ihrer Funktion als Sozialminister und wichtiger Verhandlungspartner in der Republik, um innovative Geschäftsmodelle zu unterstützen, wie z.B. dass ein Buchhändler seinen Kunden auch Kaffee anbieten kann?

 

12. Werden Sie sich zum Wohle der Menschen, die arbeiten wollen, bei Ihrem Ministerkollegen Mitterlehner für eine Entrümpelung der Gewerbeordnung einsetzen? Wenn nein, warum nicht?

 

13. Viele Betriebe nötigen aufgrund der unflexiblen und teuren Arbeitszeitenregelungen ihre Mitarbeiter dazu, sich für das Arbeitsmodell „neue Selbständige“ zu entscheiden. Was tun Sie dagegen und welche Maßnahmen setzen Sie hier um dieser Entwicklung entgegenzusteuern?

 

14. Befürworten Sie Transparenz und sind Sie bereit, am Verhandlungswege darauf Einfluss zu nehmen, dass der ÖGB seinen Streikfonds offen legt? Wenn nein, warum nicht?


15. Planen Sie durch Ihre Position als Sozialminister, wichtiger Verhandlungspartner und wichtiges Aufsichtsorgan im Sozialsystem darauf Einfluss zu nehmen, dass der Jahresgewinn des ÖGB 2011 von 10 Millionen Euro den Mitgliedern wieder zurückgezahlt wird, wenn nein warum nicht?

 

16. Weitere 3.000 Arbeitslose drohen dank der Blockadepolitik des ÖGB im Falle einer Schließung der Dayli-Drogeriekette. Welche Maßnahmen sind hier von Ihrer Seite für diese Mitarbeiter geplant?

 

17. Hatten Sie Kenntnis davon, dass die Gewerkschaft hier massiven Druck sowohl auf Mitarbeiter ausgeübt hat als auch bei den Banken vorgesprochen hat, um Kredite nicht weiter zu gewähren oder dass die Gewerkschafter gegen die Geschäftsleitung vorgegangen sind. Welche Meinung haben sie zu solchen Methoden und wie beurteilen Sie solche Vorkommnisse im Namen der Volkswirtschaft?

 

18. Innerhalb der Mitglieder der Gewerkschaften gibt es bei den Pensionen und Gehältern eklatante Unterschiede. Einfache Mitglieder bekommen ihre gesetzliche Pension bzw. normalen Bezüge, Gewerkschaftsvorsitzende erhalten Zusatzpensionen und hohe Gewerkschaftsgehälter. Welche Maßnahmen setzen Sie als ehemaliger Gewerkschaftsvorsitzender, um hier Gerechtigkeit zu schaffen und wie sieht diese Gerechtigkeit in Ihren Augen generell aus? (Bitte um Übermittlung eines anschaulichen Rechenmodells wenn zum Verständnis erforderlich)

 

19. Die Gewerkschaften sind wichtig, wenn sie ihrer Grundidee entsprechen – die Ausbeutung von Arbeitnehmern zu verhindern. Jedoch haben sich die Gewerkschaften zu weit von der Idee dahinter entfernt und zu sehr zum Selbstzweck entwickelt. Welchen Einfluss wollen Sie geltend machen, damit die Gewerkschaften wieder ausschließlich ihrer ureigenen Funktion gerecht wird?

 

20. Der internationale Wettbewerb wird immer härter. Kreative Geschäftsmodelle sind gefragt, wie werden Sie Ihren Einfluss geltend machen, um das Lippenbekenntnis von Spindelegger „zur Entfesselung der Wirtschaft“ in die Tat umzusetzen?

 

 

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs 2 GOG-NR zum frühest möglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstanfragesteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.