15430/J XXIV. GP

Eingelangt am 05.07.2013
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Dringliche Anfrage

 

Dringliche Anfrage

gemäß § 93 Abs. 2 GOG-NR

 

der Abgeordneten KO Strache, Dr. Hübner

und weiterer Abgeordneter

 

 

an den Herrn Bundeskanzler

 

 

betreffend den US-Totalangriff auf die Privatsphäre des „Angriffsziels“ Europa

 

 

„Eines hat die NSA genau vorausgesehen – die Richtung, aus der ihr die größte Gefahr droht. In den Unterlagen, die jetzt erstmals ans Licht kommen, bezeichnet sie Terroristen und Hacker als die größten Gefahren. Noch bedrohlicher sei es, heißt es da, wenn ein Insider auspacken sollte. Einer wie Edward Joseph Snowden.“

 

(Aus: „Der Spiegel“: „Angriff aus Amerika“, Nr. 27/2013 Seite 78-82)

 

Das Ausmaß des Spionage-Angriff aus den USA auf Europa scheint noch nicht komplett ans Licht der Öffentlichkeit gekommen zu sein, doch eines ist jetzt schon klar: Der Umfang der Spionage-Aktivitäten der Amerikaner in Europa ist ungeheuerlich groß und zerstört jegliches Vertrauen in die angeblich freundschaftlichen Beziehungen zwischen Europa und den USA.

 

Erschreckend ist die Wortwahl, die sich in einem internen Papier des amerikanischen Abhörgeheimdienstes „National Security Agency“, kurz NSA wiederfindet. Dort heißt es unverhohlen, die Europäer seien ein „Angriffsziel“ – die simple Rechtfertigung für das, was in den letzten Wochen dank des ehemaligen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden an die Öffentlichkeit geraten ist: Der wohl größte Abhör- und Spionageskandal aller Zeiten.

 


Vor der unregulierten Spionagewut der USA scheint niemand sicher – nur wenige Staaten, wie Kanada oder Großbritannien sind von derartigen Aktivitäten ausgenommen. Vor allem Europa – und da im speziellen Deutschland – ist das Hauptziel des „Cyberwar“, der hier offensichtlich tagtäglich von Washington aus geführt wird.

 

Dabei ist die Reaktion der Regierungen der angegriffenen Länder interessant. Gespielte, oder auch echte Empörung sieht man an allen Ecken, die Wahrscheinlichkeit, dass man in europäischen Regierungskreisen zumindest in Ansätzen von den US-Spionageaktivitäten wusste, und nichts dagegen unternahm, ist groß.

 

Auch wenn die Politik leugnet, von den Vorgängen überhaupt nichts gewusst zu haben, deuten insbesondere Aussagen von führenden Nachrichtendienst-Experten darauf hin, dass dem zumindest teilweise so war. Ein Beispiel dafür lieferte Gert Polli, der ehemalige Chef des österreichischen Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, als er unlängst in einem ORF-Interview feststellte, dass es immer wieder Anfragen von US-Nachrichtendiensten gab, bei Spionageaktivitäten zu kooperieren.

 

Polli stellte im O-Ton fest, dass „Nachrichtendienste nichts machen, auch nur einen Schritt, der nicht politische akkordiert ist. Das gilt für Österreich, das gilt für Russland, das gilt für die USA und das gilt für Deutschland.“ (ZiB2, am 17. Juni 2013)

 

Ob des Umstandes aber, dass der große Umfang des Spionage-Angriffs aus den USA in dieser Dimension tatsächlich allen neu sein dürfte, wie beispielsweise der Fakt, dass EU-Ratssitzungen von der NSA belauscht wurden, fallen die Reaktionen sehr zurückhaltend aus – auch in Österreich.

 

In den USA selbst versucht Präsident Obama zu beschwichtigen, und meinte im O-Ton: „Spionage unter Freunden ist nichts außergewöhnliches“. Man stelle sich vor, europäische Geheimdienste hätten in Washington Regierungssitzungen abgehört, oder chinesische Staatseinrichtungen würden im großen Stil Kommunikationsdaten aus den USA sammeln.

 

Es ist in diesem Zusammenhang beschämend, wie unterwürfig sich die meisten EU-Mitgliedsstaaten gegenüber den USA verhalten. Deutlich zu sehen war das, als Portugal, Spanien und Frankreich im vorauseilenden Gehorsam gegenüber dem wahren Täter, den USA nämlich, dem bolivianischen Präsidenten Evo Morales den Überflug verwehrt hatten, weil der falsche Verdacht bestand, Edward Snowden, Staatsfeind Nr. 1 der USA, würde sich an Bord der Maschine befunden haben.

Mindestens ebenso beschämend ist es, wie sich die EU-Mitgliedsstaaten gegenüber dem Asyl-Gesuch Snowdens verhalten – ein Asyl-Gesuch, welches in der Sache völlig legitim ist und nach den bestehenden Rechtsordnungen auch zur sofortigen Gewähr von politischem Asyl für Snowden führen müsste, so die Formalismen erfüllt


werden. Der Eiertanz, den hier Spitzenrepräsentanten von europäischen Regierungen vollziehen, deutet ebenfalls darauf hin, dass man nicht wirklich gewillt ist, in der Sache gegenüber den USA hart aufzutreten.

Denn politisches Asyl für Snowden, der nicht Hochverrat begangen hat, sondern gröbste Vergehen gegen das Völkerrecht durch die USA aufgezeigt hat, würde ebendiesen USA deutlich machen, dass ein solcher Umgang mit Partnern inakzeptabel ist.

Das mindeste, was man von den Regierungschefs europäischer Staaten verlangen muss, ist, von den Vereinigten Staaten und ihrem Präsidenten umgehend unter Androhung von entsprechenden Konsequenzen die volle Aufklärung darüber einzufordern, welche konkreten Verfehlungen geschehen, sind, welche konkreten Abhörmaßnahmen ergriffen wurden und welche Überwachungsmechanismen vorgenommen wurden, und ob gar noch solche in Durchführung befindlich sind.

Sollte diese Aufklärung durch die USA nicht schnellst möglich in vollem Umfang geschehen, müsste man umgehend sämtliche Datenaustausch-Verträge zwischen der EU, ihren Mitgliedsstaaten und den USA kündigen und die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TAFTA sofort abbrechen.

Zur Haltung Österreichs in diesem Skandal und dem durch Snowden gestellten Asyl-Gesuch ist dabei festzuhalten: Zum einen muss auch das offizielle Österreich von den USA volle Aufklärung einfordern, entsprechende Konsequenzen androhen und gegebenenfalls auch in die Tat umsetzen, zum anderen ist Edward Snowden – so er es wünscht – umgehend politisches Asyl zu gewähren – die österreichische Rechtsordnung ist in diesem Fall eindeutig und klar, die Voraussetzungen für ein solches sind gegeben.

Anstatt sich auf Formalismen auszureden, wie das die ÖVP-Innenministerin macht, wäre beispielsweise der Kanzler dazu aufgefordert, Snowden die Hochachtung der Republik auszusprechen und ihm Schutz anzubieten. Dieser Mann – Edward Snowden – ist ein Held, es gebührt ihm Dank für seinen Mut, unter Aufopferung seiner eigenen, persönlichen Sicherheit hunderten Millionen Europäern die Augen darüber geöffnet zu haben, welchem Totalangriff durch die USA auf ihre Privatsphäre, auf ihre Wirtschaftsgeheimnisse und auch ihre politischen Geheimnisse sie ausgesetzt sind.

In diesem Zusammenhang ist auch zu hinterfragen, warum zwei US-amerikanische Staatsbürger am Fliegerhorst in Zeltweg stationiert sind – es ist naheliegend, dass es auch hier einen Zusammenhang mit den US-Spionageaktivitäten gibt.

Angesichts der aktuellen, unterwürfigen und übervorsichtigen Reaktionen der österreichischen Bundesregierung, aber auch der Europäischen Union ist allerdings zu befürchten, dass man sich das unerhörte Vorgehen der USA weiterhin gefallen lassen wird – und einen Cyberwar duldet, der grundlegende Menschenrechte, aber auch wesentliche Elemente unserer demokratischen Grundordnung in Frage stellt.


Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Herrn Bundeskanzler folgende

 

Dringliche Anfrage

 

 

1.)  Herr Bundeskanzler, werden Sie sich auf Ebene der Europäischen Union – insbesondere im Europäischen Rat – dafür einsetzen, dass die EU von den USA eine umgehende und vollständige Aufklärung über alle Spionagemaßnahmen gegen die Europäische Union selbst, sowie gegen europäische Staaten und deren Bürger sowie Wirtschaftsunternehmen, einfordert?

a.   Wenn ja, in welcher Form?

b.   Wenn nein, warum nicht?

 

2.)  Wie bewerten Sie den Spionageangriff aus den USA und die Tatsache, dass in NSA-internen Papieren vom „Angriffsziel Europa“ die Rede ist, sowie die Einteilung von US-Partnerstaaten in erst-, zweit-, und drittklassige „Freunde“?

 

3.)  Teilen Sie die Aussage des US-Präsidenten Barack Obama, unter Freunden sei „Spionage nichts Außergewöhnliches“?

a.   Wenn ja, warum?

b.   Wenn nein, warum nicht?

 

4.)  Werden Sie sich dafür einsetzen, dass seitens der EU alle Abkommen mit den USA über einen Datenaustausch umgehend gekündigt werden und der Datenaustausch sofort gestoppt wird?

a.   Wenn nein, warum nicht?

 

5.)  Halten Sie es für angemessen, die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TAFTA sofort auszusetzen und den USA bei ungenügender Aufklärung des Spionage-Angriffs auf Europa seitens der EU überhaupt einen Abbruch der Verhandlungen über das Freihandelsabkommen TAFTA anzudrohen?

a.   Wenn nein, warum nicht?

 

6.)  Welche Institutionen der Europäischen Union wurden Opfer US-amerikanischer Spionageaktivitäten?

 

7.)  Auf welche politische Projekte oder Aktivitäten hatten die Spionageaktivitäten Einfluss, bzw. zielten diese ab?

 

8.)  Welcher konkrete Schaden ist dadurch der Europäischen Union und/oder Österreich entstanden?

 


9.)  Welche Schritte planen Sie, bzw. die Bundesregierung in dieser Sache, um die Interessen der Republik Österreich und ihrer Bürger zu wahren?

 

10.)               Haben Sie oder andere offizielle Repräsentanten im Namen der Republik Österreich von den USA bereits die volle und umgehende Aufklärung über die Spionageangriffe verlangt?

a.   Wenn ja, in welcher Form und mit welchem Inhalt?

b.   Wenn ja, wer oder was (z.B. Privatpersonen, politische Einrichtungen etc.) wurde in Österreich zum Ziel von US-Spionageangriffen?

c.    Wenn nein, warum nicht?

 

11.)               Ziehen Sie eine sofortige Kündigung sämtlicher bilateraler Datenaustausch-Abkommen zwischen der Republik Österreich und den USA, bzw. den sofortigen Stopp von Datenaustausch mit den USA in Erwägung?

a.   Wenn nein, warum nicht?

 

12.)               Welche Schritte werden Sie, bzw. die Bundesregierung setzen, um die österreichische Öffentlichkeit in größtmöglichem Ausmaß über Aktivitäten US-amerikanischer Nachrichtendienste auf österreichischem Boden zu informieren?

 

13.)               Welche Schritte werden Sie, bzw. die Bundesregierung unternehmen, um österreichische Opfer von US-amerikanischer Überwachung über diese in Kenntnis zu setzen?

 

14.)               Welche Maßnahmen werden Sie, bzw. die Bundesregierung ergreifen, um Wirtschaftsbetrieben für den Fall, dass diese Opfer US-amerikanischer Betriebsspionage geworden sind, bei etwaigen rechtlichen Schritten wie Schadensersatzforderungen beizustehen?

 

15.)               Welche Maßnahmen werden Sie und die Bundesregierung setzen, um künftig US-amerikanische Spionage und Überwachung gegen österreichische Staatsbürger, Firmen oder auch politische Einrichtungen zu verhindern?

 

16.)               Welche Schritte werden Sie und die Bundesregierung als offizielle Repräsentanten der Republik Österreich setzen, um Edward Snowden, dem zweifelsohne ob der Aufopferung seiner persönlichen Sicherheit zur Aufklärung zutiefst völkerrechtswidriger Angriffe der USA auf angebliche Partner Dank und Anerkennung auszusprechen ist, dabei zu unterstützen, damit einer schnellen Asyl-Gewährung in Österreich nichts entgegensteht?

 


17.)               Welche Schritte werden Sie auf europäischer Ebene unternehmen, um das unter vorauseilendem Gehorsam gegenüber den USA durch Frankreich, Spanien und Portugal erteilte Überflugverbot gegen den bolivianischen Präsidenten Evo Morales zu verurteilen, sowie jene Staaten, die in Form einer „Täter/Opfer-Umkehr“ nicht das „Opfer“ Snowden, sondern den „Täter“ USA unterstützen, deutlich zu machen, nicht gegen europäische Interessen auftreten zu dürfen?

 

18.)               Gibt es zwischen dem aktuellen Spionageskandal und der Stationierung von zwei US-Amerikanern im Fliegerhorst Zeltweg einen Zusammenhang, zumal öffentlich die Sorge ausgesprochen wurde, dass unsere Eurofighter ohne technische Freigabe durch die USA nicht einsatzfähig sind?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 2 GOG dringlich zu behandeln und dem Erstanfragesteller die Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.