1744/J XXIV. GP

Eingelangt am 22.04.2009
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Neubauer, Dr. Belakowitsch-Jenewein

und weiterer Abgeordneter

 

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Geschäftspraktiken der Firma TECOMEDICA GmbH mit österreichischen Ärzten

 

 

 

Weit über 100 Ärzte haben für eine „Gesundheitshotline" überteuerte Telefonanlagen gekauft – jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Betrugs. Mit „dubiosen Geschäftspraktiken“ habe die Münchner Firma MIC medic info center den niedergelassenen Medizinern in Deutschland und Österreich Telefonanlagen für Zehntausende Euro angedreht, berichtet die „Süddeutsche Zeitung“. Der Schaden könnte im sechs- oder siebenstelligen Bereich liegen, heißt es weiter. Teilweise seien Anlagen für rund 40.000 Euro verleast worden.

 

Die Firma habe mittlerweile einen Insolvenzantrag gestellt, gegen die Verantwortlichen liefen Ermittlungen wegen Betrugsverdachts, schreibt die Zeitung. Das Angebot schildert die „Süddeutsche“ so: „Der Arzt müsse pro Monat nur vier Stunden am Telefon sitzen, und die würden gut honoriert: 675 Euro. Verbunden damit sei aber das Leasen eines 'Praxismanagers': eine Telefonanlage für monatlich 670 Euro.“ Die Honorare blieben aus, die Raten für Telefonanlage wurden aber weiter fällig.

 

Als Leasinggeber fungierten verschiedene Firmen in Deutschland und Österreich, die die Ärzte nun auf ausstehende Raten verklagt hätten – Leasing- und Honorarvertrag seien formal getrennt, was es den Ärzten schwer macht, aus dem teuren Leasingvertrag auszusteigen.

 

Demnach hat in Österreich die Firma TECOMEDICA GmbH nach eigenen Angaben Verträge mit mindestens 170 österreichischen Ärzten abgeschlossen und müsste jeweils zumindest € 800,00 netto an diese monatlich bezahlen, was einen Gesamthonoraranspruch der Ärzte in Höhe von rund € 136.000,00 monatlich ausmacht, die die TECOMEDICA GmbH berichtigen müsste, um ihrer Verpflichtung aus den abgeschlossenen Verträgen nachzukommen. Da die Begleichung der Fehlbeträge, zu der die Gesellschaft verpflichtet ist, ausständig ist, steht Betrugsverdacht im Raum.


Offensichtlich steht der TECOMEDICA GmbH nur jenes Einkommen zur Verfügung, welches sie von der Merkur Versicherungs-AG aufgrund des mit dieser eingegangenen Kooperationsvertrages ausbezahlt erhält.

 

Nach dem derzeitigen Informationsstand der FPÖ sollen fast 200 Ärzte Betrugsopfer sein, mehr als 60 betroffene Ärzte sind namentlich bekannt.

 

Bereits am 22.9.2008 wurde in der causa bei der Bundespolizeidirektion Wien Strafanzeige gegen das unter Verdacht geratene Unternehmen TECOMEDICA GmbH (vorm. MIC medic info center GmbH) eingebracht. Informationen zufolge soll der zuständige Beamte der Bundespolizeidirektion Wien jedoch bis dato keinerlei Aktivitäten in der betreffenden Angelegenheit gesetzt haben. Dem Vernehmen nach soll er seither Unterlagen gesammelt und einen Bericht geschrieben haben, den er in der Folge im März 2009 der Staatsanwaltschaft Wien übermittelt hat.

 

Bis zum heutigen Zeitpunkt sollen demnach weder die Angezeigten einvernommen noch Erhebungen durchgeführt worden sein.

 

In der Folge soll die Staatsanwaltschaft den Akt an das Landeskriminalamt Wien zur Vornahme von Erhebungen weitergeleitet haben, wo sich der Akt seitdem befindet.

 

Die Firma MIC stellte 2008 beim Amtsgericht München einen Insolvenzantrag. Das Verfahren wurde nach Leipzig abgegeben, da in Sachsen ein Vertriebsbüro existierte. Ob das Verfahren eröffnet wird, muss ein Gutachten klären. In der Zwischenzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft Leipzig wegen des Verdachts des Betrugs gegen vier Verantwortliche und Mitarbeiter der Firma. Sieben Anzeigen aus dem Bundesgebiet seien eingegangen, so ein Sprecher.

 

Die österreichische TECOMEDICA ist noch aktiv; es existiert auch ein Kooperationspartner, die österreichische Krankenversicherung Merkur. Man habe, heißt es dort, gute Erfahrungen mit dem Partner gemacht und es gäbe keine Beschwerden, weder von österreichischen Patienten noch von Ärzten. Der Ärger komme nur von jenen Medizinern, die mit der deutschen MIC kooperiert hätten. Inzwischen aber warnen in Österreich bereits ärztliche Interessenverbände vor den Hotline-Verträgen.

 

Ein österreichischer Arzt hat an der Firmenadresse der TECOMEDICA GmbH in Wien, Aspernbrückengasse, vorgesprochen und musste feststellen, dass dort gar keine Betriebsstätte besteht. Dieses Unternehmen besteht daher offenbar nur auf dem Papier. Mit Demontage des Firmenschildes ist also offenbar dieses Unternehmen mit Vermögen hier in Österreich nicht mehr existent. Die TECOMEDICA GmbH ist mittlerweile telefonisch nicht mehr zu erreichen.

 

Soweit absehbar, hat mittlerweile kein einziger Arzt das ihm zustehende Märzhonorar erhalten. Ungeachtet dessen wird von Seiten der Verantwortlichen der TECOMEDICA GmbH weiterhin versucht, zu Vertragsabschlüssen zu kommen, sodass laufend weitere geschädigte Ärzte hinzukommen.

 

Laut Information sollen vor allem im Bundesland Kärnten massiv Ärzte geworben werden. Gleichzeitig gibt es bereits die ersten Kärntner Ärzte, die sich gemeldet haben und ebenfalls berichten, dass sie kein Honorar bezahlt erhalten. Neu ist, dass gleich von Anfang an die zugesagten Zahlungen ausbleiben.


Ungeachtet also, dass den Firmenverantwortlichen hinreichend klar sein muss, dass die TECOMEDICA GmbH ihre Zahlungsverpflichtungen aus den abgeschlossenen Verträgen nicht erfüllen wird, werden also weiterhin Ärzte unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zu Vertragsabschüssen bewegt. Dies ist nur dadurch möglich, weil diesem Treiben bisher von den Behörden nicht Einhalt geboten wurde.

 

Angesichts der mittlerweile erheblichen Anzahl von geschädigten Personen, der enormen Schadensumme und des Umstandes, dass weiterhin Aktivitäten stattfinden, erschiene zumindest eine Beschlagnahme von Firmenunterlagen höchst angebracht.

 

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Justiz folgende

 

 

Anfrage

 

 

1.      Wieviele Strafanzeigen gegen die handelsrechtlichen Verantwortlichen der TECOMEDICA GmbH (vorm. MIC medic info center GmbH) gibt es österreichweit?

 

2.       Wieviele Strafanzeigen gegen die gewerberechtlichen Verantwortlichen der TECOMEDICA GmbH (vorm. MIC medic info center GmbH) gibt es österreichweit?

 

3.      Wann und wo wurden diese Strafanzeigen eingebracht?

 

4.      Welche ganz konkreten Ermittlungsschritte wurden in den diversen Anzeigen bzw. Verwaltungsverfahren bislang in dieser Sache seitens der Ermittlungsbehörden gesetzt und zu welchem Zeitpunkt?

 

5.      Wurden die angezeigten Personen bereits einvernommen und wenn ja, wann und von welcher Behörde?

 

6.      Gab es bereits Hausdurchsuchungen zur Beschlagnahme von Geschäftsunterlagen und wenn nein, aus welchem Grund nicht?

 

7.      Welche Ermittlungen wurden gesetzt, um den Verbleib der über die Leasingesellschaften finanzierten zum Ankauf der sogenannten "Praxismanager" verwendeten Gelder zu klären?

 

8.      Wurden die deutschen Behörden zwecks Koordinierung der Ermittlungen eingeschaltet und wenn nein, aus welchem Grund nicht?

 

9.      Wurde angefragt, wieviele deutsche Ärzte betroffen sind und welche Entwicklung die Geschäftsgebahrung in Deutschland genommen hat und wenn ja, mit welchem Ergebnis?

 

10. Wieviele betroffene Ärtze wurden bislang ermittelt und wieviele dazu zum Sachverhalt von den Ermittlungsbehörden befragt?


11. Gibt es eine Aufstellung der betroffenen Ärzte, wenn ja, wie viele sind derzeit offiziell betroffen?

 

12. Ist mittlerweile bekannt, mit welchen Behauptungen Ärzte zu Vertragsabschlüssen bewegt wurden und welche Rolle dabei die einzelnen Leasinggesellschaften gespielt haben, gegebenfalls mit welchem Ergebnis?

 

13. Wurde geklärt, über welche Einnahmen die TECOMEDICA GmbH (vorm. MIC medic info center GmbH) verfügt und ob sie damit die Honorare der Ärzte bedienen kann?

 

14. Welche Einnahmen erzielte die TECOMEDICA GmbH von der Merkur Versicherung AG?

 

15. Wurde überprüft, ob die TECOMEDICA GmbH (vorm. MIC medic info center GmbH) in Österreich überhaupt eine Betriebsstätte hat und wenn ja, wo befindet sich diese?

 

16. Wie erklären Sie die Tatsache, dass am angegebenen Betriebsstandort keine Betriebstätigkeit stattfindet und die Konzession dennoch nicht untersagt wird?

 

17. Wie erfolgt in Österreich die Kontrolle einer Betriebsstätten-Adresse?

 

18. Ist in Österreich die Ausstellung einer Konzession mit Angabe einer Schein-Adresse für eine Betriebsstätte möglich?

 

19. Welche Maßnahmen wurden zur Verhinderung weiterer Schäden durch fortlaufend weitere Vertragsabschlüsse gesetzt bzw. weshalb hat man darauf verzichtet?

 

20. Wurde ermittelt, bei welchen Leasinggesellschaften Leasingverträge bestehen und gegebenenfalls in welcher Anzahl?

 

21. Wurden die ausstehenden Ärztehonorare erhoben und wenn ja, wie hoch ist der Gesamtbetrag?

 

22. Wurde im Rahmen der Ermittlungen eine Gegenüberstellung der monatlichen Einnahmen der TECOMEDICA GmbH (vorm. MIC medic info center GmbH) und deren Ausgaben (den tatsächlich getätigten und denen, die sie leisten hätte müssen) veranlasst und wenn ja, welches Ergebnis wurde dabei erzielt?

 

23. Wurde von den Behörden hinsichtlich eines Verstoßes gegen § 4 Z 2 Datenschutzgesetz 2000 ermittelt und wenn ja, mit welchem Ergebnis?

 

24. Welche Bereiche des Konsumentenschutzes wurden durch die TECOMEDICA GmbH nach ersten Erkenntnissen verletzt?

 

25. Welche Lehren kann die österreichische Gesetzgebung aus dem Fall „TECOMEDICA“ für die Zukunft ziehen?

 

26. Welche Massnahmen werden Sie setzen, um derartige Fälle in der Zukunft hintanhalten zu können?


 

27. Werden Sie die österreichischen Ärzte vom Fall „TECOMEDICA“ in Kenntnis setzen und auf die Gefahren einer Unterschriftleistung aufmerksam machen?