2548/J XXIV. GP

Eingelangt am 23.06.2009
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

 

betreffend neue alarmierende Belege für Gesundheits-Beeinträchtigungen durch Mobilfunk aus Belgien und Dänemark

 

 

Das Wachstum am Telekommunikationsmarkt und die in rascher Folge präsentierten neuen Anwendungen, die auf drahtloser Übertragung in unterschiedlichen Frequenzbereichen beruhen, haben zur Folge, dass in den letzten Jahren die Belastung von Mensch und Umwelt durch elektromagnetische Felder signifikant zunimmt. Die mittlere Strahlungsintensität in Ballungsräumen hat sich insbesondere durch den Auf- und Ausbau der Mobilfunknetze seit den Achtzigerjahren mehr als verzehnfacht. Die Einführung der UMTS-Technik verstärkte dieses Problem noch wesentlich.

 

An biologischen und gesundheitlichen Wirkungen bei Menschen und zum Teil auch Tieren wird von der Wissenschaft unter anderem von Schlafstörungen, Ohrgeräuschen (Tinnitus), Kopfschmerzen, Herzrhythmus-Störungen, Unruhe, Konzentrations-, Lern- und Gedächtnisstörungen insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, Auswirkungen auf Blutdruck, Blutbild und besonders Immunsystem, Schwächung der Blut-Hirn-Schranke, DNS-Strang- und Chromosomenbrüchen,  Auswirkungen auf die Schädel- und Gehirnentwicklung im Kindes- und Jugendalter berichtet. Unter anderem wird dabei auf die besondere biologische Wirksamkeit niederfrequent pulsmodulierter Strahlung abgestellt.

 

Jüngste Studien in Dänemark (Auswirkung von Handystrahlung auf Embryonen) und Belgien (Auswirkung von Handy-Strahlung auf Tumorbildung bei Ratten) belegen die gesundheitliche Beeinträchtigung und führten aktuell im Fall von Belgien zu gesetzlich verankerten niedrigen Grenzwerten, die um ein mindestens 14faches niedriger liegen als die Normen in Österreich.

 

Dennoch werden die wissenschaftlichen Aussagen bisher immer wieder von wirtschaftlicher, administrativer und politischer Seite sowie auf der Grundlage der im Umfeld der Verursacher durchgeführten Forschung in Frage gestellt, ohne dass sie tatsächlich widerlegt werden konnten. Nicht umsonst ist es nicht möglich, sich gegen gesundheitliche Wirkungen zB des Mobilfunks zu versichern, was den Schluss nahe legt, dass es sich - nicht nur nach Grüner Ansicht - ebenso wie bei der Kernenergienutzung um eine Risikotechnologie handelt. Forschungsanträge, die gezielte Beiträge zur noch besseren Fundierung der ausständigen konkreten Vorsorgemaßnahmen leisten könnten, liegen seit längerem in den zuständigen Ministerien, was auf eine zu wenig zielstrebige Beschäftigung mit dieser wichtigen Materie schließen lässt. Der Staat ist hier massiv säumig in der Umsetzung seiner Verpflichtung zum umfassenden Gesundheitsschutz seiner BürgerInnen. Diese Verpflichtung kann nicht auf die/den Einzelne/n abgewälzt werden: Während BenutzerInnen von Mobiltelefonen und anderen Empfangsgeräten das Risiko über die Anschaffung und Nutzungsintensität weitgehend selbst steuern können, belasten Emissionen von Mobilfunk-Basisstationen vulgo „Handymasten“, aber auch Langwellenfunkmasten oder Einrichtungen zur drahtlosen Überbrückung der „letzten Meile“ im Festnetzbereich die Allgemeinheit im jeweiligen Einzugsbereich des Strahlungsemittenten in weitgehend unbeeinflussbarer Weise. Analog dem NichtraucherInnenschutz muss es auch einen Schutz für Nicht-MobiltelefoniererInnen geben, wobei zu bedenken ist, dass der größte Teil der Bevölkerung zeitlich überwiegend zur Gruppe der Nicht-MobiltelefoniererInnen gehört. Die bestehende Rechtslage auf Gemeinde-, Landes- und Bundesebene bietet keine ausreichende Handhabe zur zielführenden Berücksichtigung der Vorsorgenotwendigkeiten aus Gesundheits- und Strahlenschutzsicht.

 

In angrenzenden und anderen Ländern mit ähnlichen technologischen Standards sind zum Teil strenge Grenzwerte in Geltung – siehe das aktuelle Beispiel Belgien - und/oder es gibt weitreichende rechtliche Festlegungen zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung, die sogar in Verschärfung begriffen sind. Österreich kennt hingegen nur die wegen ihrer Bezogenheit auf die thermischen Strahlungswirkungen aus vorsorgemedizinischen Erwägungen völlig unzureichenden Grenzwertempfehlungen von WHO und EU. Wenn man berücksichtigt, dass ein Handy-Telefonat noch bei einer Energieflussdichte von 1 Picowatt/m2, also 10-12 Watt/m2 (ein Millionstel des derzeit vorgeschlagenen Salzburger Vorsorgewerts für Innenräume von 1 Mikrowatt/m2) möglich ist, ist es klar, dass auch eine radikale Senkung der Grenzwerte möglich ist, ohne die Versorgung mit Mobilkommunikation in Frage zu stellen.

 

Gleichzeitig ist zu bedenken, dass nach neueren Erkenntnissen der Biophysik bei der Wirkung elektromagnetischer Wellen auf den Menschen nicht nur die Strahlungsenergie, sondern auch andere Parameter, z.B. die Art der Modulation, die Pulsung und auch die Wahl der Übertragungsfrequenz selbst eine große Rolle, wenn nicht sogar die Hauptrolle spielen.

 

Angesichts der hohen Marktdurchdringung, weiten Verbreitung und zunehmenden Nutzungsintensität im Mobilfunk ist Österreich zusätzlich besonders gefordert, zweckdienliche Schritte zu setzen. Vorhandene Erfahrungen mit Vorsorgemaßnahmen und andere Bezugsarbeiten wie der bereits Anfang 1999 im damaligen Konsumentenschutzministerium entwickelten Gesetzesentwurf sowie international verfügbare Beispiele sollten es eigentlich leicht machen, in der nötigen ressortübergreifenden Vorgehensweise zügig zu einem Ergebnis zu gelangen. Dabei muss anstelle des derzeit stillschweigend angewandten Nachsorgeprinzips für die österreichische Bevölkerung vorgesorgt und die Gesundheit, der Schutz vor Strahlen und die verantwortbare Versorgung mit Telekommunikationsdiensten gesichert werden.

 

Trotz der gegenwärtigen Kompetenzwirrnisse innerhalb der Regierung in diesem Bereich steht Ihre (Mit)Verantwortung im Raum.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE:

 

1. Sind Ihnen die genannten jüngsten Studien aus Dänemark und Belgien bekannt?

 

2. Welchen Konsequenzen werden Sie daraus ziehen?

 

3. Wann werden Sie endlich für Kompetenzklärung sorgen, welches Ministerium für die Erstellung des von den Grünen seit 1998 geforderten Gesetzes zum Schutz vor nicht-ionisierender Strahlung zuständig ist?

 

4. Wann werden Sie sich endlich für niedrige am Vorsorgeprinzip orientierte Grenzwerte, die der Oberste Sanitätsrat seit Jahren empfiehlt, einsetzen und entsprechende Grenzwerte erlassen?

 

5. In welcher Form werden Sie eine breite Informationskampagne über die Risken des Handy-Telefonierens initiieren bzw. unterstützen?