261/J XXIV. GP
Eingelangt am 26.11.2008
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
ANFRAGE
des Abgeordneten Pilz, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Wirtschaft & Arbeit
betreffend Ausübung der Aufsicht über Vermögensberater am Beispiel AWD
Im Zusammenhang mit der internationalen Finanzkrise haben auch viele private Kleinanleger Verluste erlitten. In verschiedenen Fällen wurden dabei auch Vorwürfe gegen Finanzdienstleistungsunternehmen erhoben und die Frage der Beraterhaftung thematisiert.
Die „Beratung“ durch oft schlecht ausgebildete Personen, deren Hauptaufgabe das Keilen von Kunden ist, nimmt dabei in einzelnen Fällen große Ähnlichkeit mit den gesetzlich verbotenen Pyramidenspielen an. Ziel der Keiler ist
1. möglichst viele Produkte – Aktien, Fonds – zu verkaufen;
2. möglichst „befreundete“ Produkte – wie Immofinanz im Fall „AWD“ – zu verkaufen;
3. möglichst viele neue Keiler anzuwerben, um damit neue Kundenkreise in deren persönlichem Umfeld zu erschließen.
Den Keilern wird ihre Tätigkeit durch das WAG (Wertpapieraufsichtsgesetz) in der Novelle von 2007 leicht gemacht. Die Tätigkeit als „Finanzdienstleistungsassistent“ ist nach wie vor ein freies Gewerbe. Damit können Personen ohne ausreichende Ausbildung und Kontrolle die mangelhaften Informationen und den guten Glauben ihrer Kunden ausnützen.
Am Beispiel AWD wurde etwa in der ORF Sendung „Bürgerforum“ vom 29.10.2008 von mehreren Personen berichtet, dass Investitionen in sogenannte „Immobilienaktien“ der Immofinanzgruppe von AWD-Beratern als „sicher wie ein Sparbuch“ oder „mündelsicher“ bezeichnet worden seien, sowie dass die Investition großer Portfolioanteile in diese Aktie ohne die sonst übliche Risikostreuung empfohlen worden seien. Der Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz beauftragte in diesem Zusammenhang den Verein für Konsumenteninformation (VKI) allfällige Schadenersatzansprüche gegen den Finanzdienstleister AWD zu prüfen, nach Möglichkeiten einer außergerichtlichen Lösung zu suchen und allenfalls eine gerichtliche Rechtsdurchsetzung zu prüfen.
Angesichts dieser Problemlage und diverser Medienberichte sind jedoch neben der inhaltlichen Einzelfallanalyse auch grundsätzlich die Vertriebssysteme von Finanz-dienstleistern sowie die Ausübung der staatlichen Aufsicht über solche Systeme zu hinterfragen. Dabei besteht ein enges Wechselspiel zum Gewerberecht.
So berichtet beispielsweise die Tageszeitung „Die Presse“ in einem Artikel vom 17.10.2008, „Wenn der AWD-Berater zweimal klingelt“:
[...]
1988 wurde AWD in Deutschland von Carsten Maschmeyer, einem ehemaligen Medizinstudenten, gegründet – als klassischer Strukturvertrieb: Er engagierte „Berater“, die einerseits fleißig Finanzprodukte vertreiben sollten, andererseits ebenso emsig weitere Berater keilen mussten. Ein Vertriebssystem also, bei dem Mitarbeiter nicht nur an den von ihnen „verkauften“ Produkten verdienen, sondern auch an den Umsätzen der von ihnen angeworbenen „Neuen“. Funktioniert ja bestens bei Plastikgeschirr, Schmuck und Kosmetika. Warum also nicht auch bei der Vermögensberatung?
Wenig überraschend geriet der AWD alsbald in Verruf: Medien berichteten
über den „sektenähnlichen Charakter“ der Organisation.
Und wie sich herausstellte, ging es in den Blitzschulungen der AWD-Adepten
vornehmlich um Verkaufspsychologie. Mögen sich andere mit den Finessen der
Finanzwelt herumschlagen. Derweil wuchs AWD zu einer europaweit tätigen
Gruppe heran.
Und da dürfte wohl auch Maschmeyer gedämmert sein, dass eine Imagepolitur gewisse Vorteile brächte. Seit Mitte der Neunzigerjahre werden die AWD-Berater also intensiv geschult, und auch börsenotierte Unternehmen werden angeblich penibel unter die Lupe genommen. Das Immobilienunternehmen Meinl European Land (MEL) etwa wurde aufgrund solch eingehender Prüfungen von AWD nicht angeboten.
Immofinanz-Papiere sehr wohl – und wie. Was einerseits daran liegt, dass die Aktie jahrelang als „sichere Bank“ galt. Andererseits hat der AWD über die Jahre aber auch ganz offenbar eine nachgerade symbiotische Beziehung zur Immofinanz aufgebaut – was für einen „unabhängigen“ Finanzmakler doch einigermaßen problematisch ist.
Faktum ist, dass die Immofinanz dem AWD viel zu verdanken hat. Irgendwie müssen die Aktien ja an den Anleger gebracht werden, und auf die Großbanken konnte sich die Immofinanz da eher nicht verlassen – die vertreiben bevorzugt eigene Immobilienwerte. Ein Strukturvertrieb vom Schlage eines AWD war also für die Immofinanz unerlässlich. Im Gegenzug soll AWD als Anreiz besonders hohe Vermittlerprovisionen von der Immofinanz bekommen haben. Sogenannte Bestandsprovisionen gab es natürlich auch. Ein feines Zubrot für den AWD: Je länger ein Anleger die an ihn verkauften Immofinanz-Papiere im Portefeuille behält, desto lauter klingeln die AWD-Kassen.
Da ist es wenig verwunderlich, dass AWD-Kunden im vergangenen Jahr gebetsmühlenartig eingebläut wurde, die Immofinanz-Aktien bloß nicht zu verkaufen. Werner K. war lange Zeit AWD-Berater, vor wenigen Wochen hat er den AWD verlassen. Einigermaßen ernüchtert, versteht sich. An Anfang 2007, als sich das Immofinanz-Debakel abzeichnete, erinnert er sich bestens. Da haben nämlich AWD-Führungskräfte die Parole ausgegeben: „Verkauft's ja nicht unsere Kunden!“
AWD & Immofinanz – das war halt eine echte Lovestory. „In internen Gesprächen haben unsere Chefs die Immofinanz eindeutig gepusht“, erzählt der Ex-AWDler. Oft sei die Aktie etwa als „Bauten-Sparbuch“ gepriesen worden. Werner K.: „Anzunehmen, dass viele Berater das dann auch bei Kundengesprächen so formuliert haben.“
In der allgemeinen Euphorie nimmt man's halt nicht so genau. So kam es auch, dass das mit der Risikostreuung nicht so eng gesehen wurde. Da waren dann schon Anleger-Portefeuilles mit 80 Prozent Aktienanteil möglich. Werner K.: „Obwohl in unseren Schulungen gepredigt wurde, dass der Aktienanteil maximal 15 Prozent ausmachen sollte.“
Wobei das mit der Schulung so eine Sache ist: Eineinhalb Jahre dauert sie, erzählt Werner K. Aber weil die Auszubildenden auch Geld verdienen müssen, werden sie zu Kunden losgeschickt. Da ist die Ausbildung noch lange nicht abgeschlossen. Die Kunden haben davon keine Ahnung.
Auch in der erwähnten ORF-Sendung „Bürgerforum“ vom 29.10.2008 berichtete ein ehemaliger AWD-Berater, dass die Mitarbeiter ihre Informationen über Finanzprodukte intern von der Geschäftsführung erhielten.
In einem Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 11.5.2005 mit dem Titel „Das System AWD“ finden sich folgende Passagen:
[...]
Egal ob es sich um niedrigere Versicherungsbeiträge, höhere Zinsen, Möglichkeiten zum Steuern sparen oder Aktienfonds mit hohen Renditen handelt – AWD verspricht seinen Kunden die Finanz- und Vorsorgeanlagen so zu optimieren, dass dabei binnen fünf Jahren ein Vorteil von 5000 Euro herauskommt.
Möglich soll dies werden durch eine private Wirtschaftsbilanz. Mit Hilfe eines Fragenkatalogs und der entsprechenden Software analysiert der AWD-Berater alle Ein- und Ausgaben der Klienten. Danach soll er Vorschläge machen, was der Kunde besser machen kann und in welchen Bereichen zusätzliche Verträge nötig sind, um zum Beispiel Versorgungslücken abzudecken.
Der Finanzdienstleister kann die Produkte von mehr als 300 Partnern anbieten, darunter zum Beispiel des Versicherungskonzerns Allianz oder der Fondsgesellschaft DWS. Im Idealfall sollte der Kunde dann das Produkt bekommen, das für ihn am günstigsten ist und ideal zu seinen Bedürfnissen passt. Soweit die Theorie.
In der Praxis stehen die selbstständigen AWD-Berater enorm unter Druck. Es gibt weder Festgehalt noch Zuschuss vom AWD für die Sozialversicherung. Nur wer verkauft, erhält Abschluss-Provisionen, kann seine Betriebskosten decken und Geld verdienen. Außerdem müssen sich die Vertreter hochdienen: Je mehr Finanzprodukte ein Vertreter an die Frau oder den Mann bringt, desto höher klettert er in der Karriereleiter und desto größer sein Provisionsanteil.
Chef Maschmeyer war in jungen Jahren selbst ein äußerst erfolgreicher Vermittler von Finanzprodukten. Jetzt peitschen er und seine Führungscrew den Vertrieb auf immer neue Umsatzrekorde ein – nicht nur mit monatlichen Ranglisten, in denen das Unternehmen die besten Verkäufer feiert.
[...]
Der Erfolgsdruck beginnt bereits bei den Neueinsteigern. Diese dürfen zwar noch nichts verkaufen, sie sollen sich aber bereits in den ersten Wochen möglichst einen eigenen Mandantenkreis aufbauen. Die Kontaktdaten jedes potenziellen Kunden, vom früheren Schulkameraden über Nachbarn und Bekannte aus Vereinen bis zu persönlichen Freunden, kommen in das so genannte Auftragsbuch.
„Besonders erfolgreiche Finanzberater bei AWD starteten in der Vergangenheit mit mindestens 150 Namen potenzieller Mandanten“, steht zum Beispiel im Geleitwort des Auftragsbuches 2003. Außerdem müssten die Anfänger zusammen mit einer Führungskraft bei mindestens zwölf Kunden finanzielle Daten erheben, heißt es in einem Leitfaden zur Grundausbildung.
AWD nennt das intern „frühzeitige Erfolgsorientierung“. Dadurch ließen sich bereits früh Mitarbeiter erkennen, „die sich weniger für eine Tätigkeit bei AWD eignen“.
Michael Bose, Mitgründer des Vereins der ehemaligen AWD-Mitarbeiter in Marburg, sieht das ganz anders: Er wirft AWD vor, mit dem Versprechen auf ein hohes Einkommen ständig neue Mitarbeiter für den Vertrieb anzuwerben, um an neue Kontaktdaten und Kunden heranzukommen.
„Das ist ein entscheidender Grund für den Erfolg des AWD“, sagt Bose. Deshalb nähme es der Finanzdienstleister auch in Kauf, dass viele dieser Neulinge wieder vorzeitig abspringen, weil sie es nicht schafften, ein ausreichendes Einkommen bei AWD zu erzielen.
AWD weist diesen Vorwurf vehement zurück: „Hauptzugangsweg, der für die Gewinnung von etwa zwei Dritteln der Neukunden ursächlich ist, ist immer noch die Weiterempfehlung durch zufriedene Mandanten“, erklärte ein AWD-Sprecher auf Anfrage der SZ.
AWD selbst wirbt im Internet um neue Finanzberater mit dem Hinweis „attraktive Vergütung schon während der Einarbeitungsphase“, die bis zum Abschluss der internen Beraterlizenz normalerweise sechs Monate dauert.
Folgt man diesen Medienberichten, so entsteht der Eindruck, dass anscheinend über die gezielte Neuanwerbung von Mitarbeitern Kundenkreise erschlossen werden sollen, zu denen eine persönliche Beziehung und damit unter Umständen höhere Abschlussbereitschaft besteht.
Wie sich insbesondere auch aus den Informationen ergibt, welche von AWD selbst auf der zur Mitarbeiterwerbung eingerichteten Internetseite www.karriereidee.at dargestellt werden, agieren die AWD-Berater dabei formell als selbständige Unternehmer. Teil des vorgesehenen Ausbildungsweges ist die Ablegung einer Prüfung als gewerblicher Vermögensberater und Gewerberegistrierung.
Aufgrund der in den zitierten Medienberichten dargestellten Probleme von Kunden und „Mitarbeitern“ mit dem Vertriebssystem, ist nicht auszuschließen, dass sich die in den Medienberichten beschriebenen Arbeitsumstände der AWD-Berater, die unternehmensinterne Information über die Finanzprodukte und die gezielte Ansprache von „Bekannten“ als Kunden negativ auf die Beratungsqualität auswirken könnten.
Diesen Gefahren wirkungsvoll zu begegnen, wäre unter anderem Aufgabe der Gewerbebehörden, da der Beruf der Vermögensberater gem § 136a GewO (Gewerbeordnung) ein reglementiertes Gewerbe darstellt, und darüber hinaus aus § 2 Abs 1 Z 14 GewO ein freies Gewerbe der Finanzdienstleistungsasssistenten abgeleitet wird.
Laut Impressum auf www.awd.at übt die Firma AWD Gesellschaft für Wirtschaftsberatung Ges.m.b.H. die gewerblichen Tätigkeiten des Versicherungsmaklers und –Beraters, des gewerblichen Vermögensberaters und Vermittlers von Bauspardarlehen aus.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE: