2756/J XXIV. GP

Eingelangt am 10.07.2009
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Brunner, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend

 

betreffend seit über zehn Jahren ungelöstes Problem mit Infraschall-Emissionen eines Supermarkts in Wien 20 (Brigittenau/Pappenheimgasse)

 

 

 

 

 

Nicht nur im Zusammenhang mit Bestandteilen von Telekom- bzw. Funk-Anlagen (siehe zB Mobilfunk-Basisstation Müllendorf/Burgenland) oder mit Heizwerken und den in diesen installierten Ansaug-, Förder- und Lüftungsanlagen (siehe EVN-Biomasseheizwerk in Mödling) treten immer wieder Probleme mit Infraschallemissionen auf. Auch Lüftungsanlagen und Kühlaggregate ("Kälteanlagen") samt ihren Nebenaggregaten, wie sie beispielsweise in Supermärkten in Verwendung stehen, können solche Emissionen auslösen. Teilweise werden diese im Zusammenwirken mit dem entsprechenden Gebäude, in dem der Erreger situiert ist, verstärkt. Infraschall hat eine Frequenz im Grenzbereich zwischen dem "hörbaren" und dem "spürbaren" Spektrum, die hörbaren ("Lärm") und teilweise spürbaren ("Mikrovibrationen") Emissionen bedeuten zum Teil massive Belästigungen und Gesundheitsbeeinträchtigungen für AnrainerInnen.

 

Aussagen des technischen Personals der beteiligten Unternehmen, des Hauserrichters sowie involvierter Handwerker legen nahe, dass es in allen drei erwähnten Problemfällen – Mobilfunk-Sendeanlagen bzw. deren Teile, Anlagenteile in Biomasse-Heizwerken, Supermarkt-Kühlaggregate und deren Entlüftung – nicht nur die erwähnten Einzelfälle gibt, sondern vergleichbare Probleme auch bei ähnlichen Anlagen auftraten und bekannt sind. Auch medizinische Experten, die in diesem und angrenzenden Gebieten fachlich detailkundig sind, können von zahlreichen einschlägigen Problemen berichten.

 

Von den erwähnten Fällen in Müllendorf bzw. in Mödling ist auch bekannt, dass das Problem von den Verursachern gerne so lange wie irgend möglich geleugnet wird und auch nicht davor zurückgeschreckt wird, die oft gravierenden Beschwerden der Betroffenen von permanenten Schlafstörungen aufwärts als psychisch bedingt abzutun. Erst wenn es gar nicht mehr anders geht – meist nachdem Politik und/oder Medien eingeschaltet werden - wird agiert.

 

So auch im konkreten Fall des Supermarkts der Firma "Spar" in Wien 20 Pappenheimgasse. Dieser ist im Erdgeschoß eines von der Firma Mischek vor etwa 30 Jahren nach den damaligen, heute baurechtlich für Neubauten nicht mehr zulässigen Standards errichteten Betonfertigteilbaus situiert. Oberhalb des Supermarkts sind in mehreren Geschoßen Eigentumswohnungen mit insgesamt mehr als 50 Parteien angesiedelt. Es bestehen hier Probleme mit Infraschall mindestens seit 1997. Das Geschäftslokal steht im Eigentum einer Mischek-Teil-/Nebenfirma und wird von dieser an Spar vermietet.

 

1994 wurde seitens Spar eine dem damaligen Stand der Technik entsprechende Kühlanlage inkl Lüftung eingebaut, wobei an der Sachgerechtigkeit des Einbaus (Anschlüsse ans Gebäude, Lagerung, ...) schwere Zweifel angebracht sind. Vor 1994 gab es definitiv keine Probleme mit Infraschall im Gebäude. In den Jahren nach 1994 begannen mehrere im Gebäude in bestimmten, übereinander liegenden Stockwerken Wohnende (dies wäre erklärlich, da die Infraschallausbreitung kugelförmig erfolgt und in bestimmten Distanzen durch Frequenzüberlagerungen besonders starke Belastungen entstehen; ähnliche Belsatungsmuster sind zB auch beim Heizwerk Mödling aufgetreten) unter gesundheitsgefährdenden Schlafstörungen zu leiden. Es konnten auch bei dadurch bedingten Spitalsaufenthalten keine körperlich bedingten Ursachen festgestellt werden. Spätestens ab 2001 wurde ein periodisch einsetzendes Brummen, Vibrieren in einzelnen Wohnungen wahrgenommen, das auch andere Hausbewohner zum selben Zeitpunkt zum Aufwachen brachte. Eine für das Haus selbst 2002 installierte neue Lüftungsanlage änderte nichts.

 

Es erfolgte im November 2002 eine erste sachverständige Abklärung mit dem Ergebnis, dass Vibrationen festgestellt wurden.

 

Bei einer Wohnungsbegehung im Jänner 2003 konnte festgestellt werden, dass die Belastung verschwindet, wenn das Kühlaggregat des Supermarkts inkl. Nebenaggregaten ausgeschaltet ist. Ähnliche Feststellungen ergaben sich zB im Rahmen von Bauarbeiten im Maschinenraum der Firma Spar im September 2008, aus deren Anlass auch die Anlage (unangekündigt) abgeschaltet wurde.

 

Alle Bemühungen seit Anfang 2003, mit Spar zu einer Klärung/Lösung zu kommen, sind jedoch trotz einzelner Sanierungsversuche letztlich gescheitert, im Sand verlaufen oder wurden verschleppt. Ähnlich agiert die Firma Mischek bzw. ihre Teil-, Schwester- und Nachfolgefirmen.

 

Die Gewerbebehörde (Magistratisches Bezirksamt 20) wurde im März 2003 informiert, eine Lärmmessung durch MA36 im Beisein einer Amtsärztin verlief negativ.

 

Im Mai und Juni 2003 wurden die Vibrationen in der Wohnung auf private Initiative neuerlich gemessen und gutachterlich bestätigt; bei diesen Messungen war auch ein Vertreter des Magistrats (Baupolizei) anwesend. Vertreter der beteiligten Unternehmen wurden seitens der Betroffenen kontaktiert, wobei dies ohne Reaktion blieb. Daraufhin wurde im Herbst 2003 Help-TV informiert. Durch die Recherchen kam doch Bewegung in die Sache: Die beteiligten Unternehmen Spar (ab November 2003) und Mischek (ab Jänner 2004) unternahmen diverse Verbesserungs-Versuche, diese (sowohl bei Spar als auch später bei der Haus-Heizungsanlage) bringen nichts bzw. Verschlechterungen ("Änderung der Vibrationsqualität").

 

Nach der im März 2004 ausgestrahlten TV-Sendung nehmen mehrere andere Betroffene Kontakt auf.

 

Im April 2004 erfolgt eine neuerliche Lärmmessung bei Betroffenen, diesmal durch MA22 – Ergebnis wieder negativ - aber wie schon zuvor durch die MA36 wurde immer nur akustischer Schall gemessen!

 

Messungen der MA39 (November 2004) und MA22 (März 2005) belegen beide Vibrationen. Reaktion Mischek: "bautechnisch unerheblich". MA22-Erklärungsversuch: Regelmäßig auftretend, daher wohl Zuschlagen von Türen oder festes Auftreten von Hausbewohnern – keine Korrelation mit der Kälteanlage der Firma Spar herstellbar. Da wohl kaum jemand jahrelang immer zur selben Uhrzeit mitten in der Nacht aufsteht, um Türen zuzuschlagen oder fest aufzustampfen, wurde dies von Betroffenen eher als Provokation denn als Lösungsbeitrag wahrgenommen. Laut "Beweisaufnahme" (Ergebnis vom Magistratischen Bezirksamt als Gewerbebehörde im September 2005 offiziell übermittelt) "keine Korrelation mit Schaltzuständen der Kälteanlage der Firma Spar herstellbar". Die Messergebnisse wurden aber offenbar zum Vorteil von Spar gerundet, nur in kleinen Auszügen in die Beurteilung einbezogen, die Interpretation wird als schwammig beschrieben.

 

Weiters stellte sich heraus, dass insbesondere die Lüftungsanlage für Kühlraum/-aggregat nicht in der ursprünglichen Bauabnahme Anfang der 80er Jahre vorgesehen und enthalten war, sie wurde nachträglich "dazugeflickt", der gewerberechtliche und baurechtliche Genehmigungsverlauf und –stand ist unklar. Dass dies der Kern des Problems sein könnte - bzw. das Zusammenspiel Maschinenanlage-Bausubstanz, hat selbst Spar bereits im Juli 2004 schriftlich in den Raum gestellt.

 

Erwähnenswert ist weiters, dass zumindest vor 2005 Spar und Mischek in dieser Angelegenheit denselben Rechtsanwalt beschäftigten.

 

Nach jahrelangen fruchtlosen Bemühungen veranlasste eine Betroffene 2008 Messungen durch einen gerichtlich beeideten Sachverständigen in der Wohnung und im Aggregate-Raum (inkl. Durchmessen aller Schalt- und Betriebszustände). Es wurde dabei (Gutachten April 2008) Immissionsbelästigung festgestellt und (Gutachten Juli 2008) die Emissionsquelle – das "Maschinenhaus der Firma Spar – identifiziert. Das Gutachten dazu belegt tieffrequente Immissionen - Schwingungen über der ÖNORM-Wahrnehmungsschwelle messbar und teils deutlich spürbar, Dauerbelastung und periodische signifikante Pegelerhöhungen im tieffrequenten Bereich messbar. Ein Kompressor und/oder ein Ventilator ("großer Lüfter") sind als zentrale Ursachen identifiziert. Konkrete gerätetechnische und bauliche Gegenmaßnahmen werden empfohlen und all dies im Juli 2008 der Firma Spar seitens des Gutachters zur Kenntnis gebracht.

 

Spar hat daraufhin ab August 2008 Maßnahmen eingeleitet, die aber erfolglos blieben. Größere Maßnahmen werden unter Verweis auf die – im vierstelligen Euro-Bereich befindlichen! – Kosten aktiv unterlassen.

Da Mischek als Vermieter für bauliche Veränderungen zuständig ist, wurde auch dieser Beteiligte im März 2009 von den Messungen und Ergebnissen informiert – das Material wurde von Mischek jedoch "postwendend" und kommentarlos an Spar weitergeleitet und die Betroffene (die zu diesem Zeitpunkt bereits seit über 10 Jahren gesundheitsgefährdende Belastungen erdulden musste) an die "genehmigende Behörde" (= Gewerbebehörde) verwiesen, die zu diesem Zeitpunkt ebenfalls bereits seit Jahren von den Problemen im Detail informiert war. Mit irreführenden Angaben zur Eigentums-, Vermieter- bzw. Zuständigkeits-Situation wurde zusätzlich versucht, die Betroffenen weiter "im Kreis zu schicken" und (Mit)Verantwortung abzustreifen.

 

Es liegt im Zusammenhang mit Infraschall zwar ein vergleichsweise geringer Bestand an gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen vor. Dass aber die Störwirkung jedenfalls mit der Wahrnehmung beginnt, ist in einigen EU-Staaten im Zusammenhang mit Infraschall bereits Stand der Technik. Auch nach der geltenden gewerberechtlichen Situation ist das jahrelange behördliche Untätigbleiben gegen die Belastungsquelle nicht nachvollziehbar. Nach der Gewerbeordnung dürfen Gewerbliche Betriebsanlagen nur mit behördlicher Genehmigung betrieben werden, wenn sie geeignet sind, Gesundheit, Eigentum und sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden, Nachbarn durch Lärm, Erschütterungen, Schwingungen zu belästigen. Dass solche Gefährdungen bzw. Belästigungen im vorliegenden Fall seit Jahren gegeben sind, ist evident. Eine (zB Gesundheits-)Gefahr kann sachverhaltsbezogen nicht ausgeschlossen werden. Die aufrechte Genehmigung sagt jedoch nichts zu diesem Bereich, zur Verhinderung entsprechenden Lärm-, Erschütterungs-, Schwingungs-Belästigung und zur Verhinderung der Gesundheitsgefährdung aus. Davon unabhängig hätten jedenfalls die seit einem Jahr vorliegenden sachverständigen Messergebnisse und Gutachten zu einem umgehenden Tätigwerden der Behörde führen müssen. Nach §79 Gewerbeordnung hätte die Behörde unter den gegebenen Umständen von sich aus tätig werden und dem Inhaber der Anlage eine Sanierung und Anpassung - Maßnahmen bzw. zusätzliche Auflagen - mit Bescheid vorschreiben müssen.

 

Es stellt sich die Frage, wie es möglich ist, dass eine derartig gravierende Belastungs- und Gefährdungssituation trotz der klaren Sachlage und der wiederholten detaillierten Befassung von Gewerbebetrieb und Behörden über mehr als 10 Jahre unbehelligt fortbestehen kann.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

1.      Ist Ihnen das Infraschall-Problem im Haus Wien 20 Pappenheimgasse 56 bekannt?

 

2.      Wie beurteilen Sie als oberste und weisungsbefugte Gewerbebehörde den in der Anfragebegründung in groben Zügen geschilderten Sachverhalt im Einzelnen?

 

3.      Sind Ihnen insbesondere die Gutachten aus 2008 bekannt, in denen der ursächliche Zusammenhang der gesetzwidrigen Belastungen mit der Betriebsanlage belegt wird?

 

4.      Wie viele weitere Fälle, in denen Infraschall-, Schwingungs-, Vibrationsbelastungen einerseits und Supermärkte bzw. deren Aggregate wie Kühlgeräte inkl. Enteisungsgeräten, Lüftungen, Kompressoren andererseits eine Rolle spielen, sind in Österreich in den letzten 10 Jahren gewerbebehördlich aktenkundig geworden?

 

5.      Welche Auflagen oder sonstigen Maßnahmen wurden in diesen Fällen konkret gesetzt?

 

6.      In welchen weiteren Fällen in Österreich in den letzten 10 Jahren abseits von Supermärkten und ihren Hilfsaggregaten hat die Gewerbebehörde Auflagen oder sonstige Maßnahmen im Zusammenhang mit Infraschallbelastungen gesetzt?

 

7.      Wie begründen Sie, dass im Fall Pappenheimgasse seit über 10 Jahren bestehende gesundheitsgefährdende Belästigungen, die mit Anlagen eines Gewerbebetriebs zumindest im Zusammenhang stehen, wohl aber ursächlich von diesen ausgehen, und die seit mindestens 2003 der örtlichen Gewerbebehörde bekannt sind, dennoch nicht zu zielführenden Gegenmaßnahmen, rechtlichen Vorgaben etc. seitens der Behörde geführt haben?

 

8.      Wie wird seitens der Gewerbebehörde vorgegangen, wenn bei zB Lärm- oder Schwingungsbelästigung Gegenmaßnahmen nur durch integrierte Sanierungs-/Änderungsmaßnahmen sowohl an der Maschinenausstattung als auch an der baulichen Substanz einer Betriebsanlage inkl. Gebäude erfolgversprechend erscheinen?

 

9.      Werden Sie zur Unterbindung der gesetzwidrigen Emissionen und Belästigungen bzw. der Gesundheitsgefährdung a) die Stilllegung der Maschinenanlage oder b) einen sofortigen, die Belastungen auf Null reduzierenden Umbau des Maschinenhauses inkl. Anlage veranlassen?