409/J XXIV. GP

Eingelangt am 10.12.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Bgm. Gerhard Köfer und

Kollegen und Kolleginnen

An die Bundesministerin für Inneres

betreffend Asylpolitik in Österreich

Die Ansage auf Seite 105 des Regierungsprogrammes, dass zur Entlastung der Kapazitäten in den bestehenden Erstaufnahmestellen im Süden Österreichs eine neue, zusätzliche Erstaufnahmestelle geschaffen werden soll, hat sowohl in Kärnten als auch in der Steiermark für Aufregung und breite Ablehnung gesorgt.

Diese Aussage im Regierungsprogramm, dass zur Entlastung der Kapazitäten in den zwei bestehenden Erstaufnahmestellen Traiskirchen und Thalham eine weitere errichtet werden soll, macht stutzig bzw. hellhörig! Immerhin haben Sie, Frau Innenminister, im Jahr 2008 via BMI-Presseaussendung mindestens zweimal verlautbart, dass die Asylanträge deutlich rückläufig seien. (BMI-Pressemeldung vom 14. Juli 2008 u. vom 31. Oktober 2008). Dieser scheinbare Widerspruch - einerseits behauptete Notwendigkeit einer dritten Erstaufnahmestelle und andererseits deutlicher Rückgang der Asylanträge - macht es dringend notwendig, einen genauen Blick auf die aktuelle und zukünftige österreichische Asylpolitik zu werfen.

In einer Presseaussendung des BMI vom 31- Oktober 2008 heißt es wörtlich: „Fekter betont, dass es in den letzten beiden Jahren gelungen ist, die Zahl der Asylanträge zu halbieren. 2005 gab es 22.461 Asylanträge, im Jahr 2007 nur noch 11.879 Asylanträge. ,Das bedeutet eine wichtige Entlastung für Österreich, das im europäischen Vergleich immer noch eines der am belasteten Länder ist.’“ (BMI-Artikel Nr: 5178 vom Freitag, 31. Oktober 2008, 15:10 Uhr).

In der BMI-Pressemeldung vom 14. Juli 2008 steht ebenso unmissverständlich: „’Die Zahl der Asylanträge ist weiterhin deutlich rückläufig. Nachdem in den letzten beiden Jahren bereits eine Halbierung der Asylanträge verzeichnet werden konnte, ist die Zahl im ersten Halbjahr 2008 um weitere 6,4 Prozent gesunken’, so Innenministerin Dr. Maria Fekter zu den Entwicklungen im Asylbereich des ersten Halbjahres. Im Vergleich zum Juni des Vorjahres ist sogar ein Rückgang von 13,25 Prozent zu verzeichnen." (BMI-Artikel Nr: 5046 vom Montag, 14. Juli 2008, 13:50 Uhr). In dieser Presseaussendung findet sich noch eine weitere interessante Passage, die lautet: „Wie auch im Bereich der Sicherheit hat es auch im Asylbereich die Befürchtungen gegeben, dass es zu einem Anstieg auf Grund der Erweiterung des Schengen-Raumes kommen werde. Diese Befürchtungen haben sich nicht bewahrheitet.“ Diese Aussage von Ihnen, Frau Innenminister, kann - zumindest bezogen auf den Süden Österreichs - nicht stimmen, wenn man der am 8. Dezember 2008 vom Leiter der Erstaufnahmestelle Traiskirchen, Herrn Franz Schabhüttl, getätigten Wortmeldung glauben schenkt. Er fordert unter anderem deshalb eine Erstaufnahmestelle im Süden, „weil sich die Schlepper mit dem Zubringen von Asylwerbern geändert haben. Es wird verstärkt die Route über den Süden genutzt“. (Quelle: http://noe.orf.at/stories/327286/). Eine Erstaufnahmestelle im Süden könne, so Schabhüttl weiter, „helfen, Kosten zu sparen, denn die Asylwerber, die aus dem Süden kommen, müssten dann nicht mehr quer durch Österreich transportiert werden.“ Folgt man der Logik in der Aussage von Herrn Schabhüttl, so käme es wohl noch wesentlich billiger, wenn es im Süden Grenzkontrollen gäbe.

Denn dass es an den EU-Aussengrenzen in Griechenland, Italien, Spanien etc. Probleme gibt, ist evident. Gerade am Sonntag, den 7. Dezember 2008, „sind auf der italienischen Insel Lampedusa 260 und in Spanien 108 illegale Immigranten aus Afrika an Land gegangen.“ (Kronen Zeitung vom 8. Dezember 2008, S. 7) Die meisten davon werden wohl umgehend einen Asylantrag stellen. Nicht auszuschließen ist auch, dass sich der eine oder andere davon, aber auch viele andere, die an der EU-Außengrenze nicht aufgegriffen werden, versuchen, sich in ein anderes EU-Land durchzuschlagen, um dort um Asyl anzusuchen. Für solche Fälle gibt es die sogenannte Dublin II-Verordnung. Diese Verordnung besagt, dass derjenige Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist, in dem der oder die Betreffende erstmals einen Asylantrag gestellt hat, es sei denn, der oder die Asylsuchende hat Familienangehörige, die sich legal in einem anderen Staat aufhalten. Dass die Umsetzung der Dublin II-Verordnung aus österreichischer Sicht offenbar nicht wunschgemäß abläuft, lässt sich aus der Formulierung des Regierungsprogramms schließen, in dem es heißt: „Für Dublin- Out-Fälle werden mit den betroffenen Staaten konkrete Abkommen hinsichtlich Transit- und Übernahmebestimmungen am Landweg abgeschlossen werden. Damit wird die Effizienz bei den Dublin-Überstellungen erhöht und das Untertauchen bestmöglich verhindert.“ (Regierungsprogramm, S. 106)

Diese Passage im Regierungsprogramm ist aber möglicherweise inzwischen schon wieder obsolet, denn am Mittwoch, den 3. Dezember 2008, hat Kommissionsvizepräsident Jaques Barrot in Brüssel einen Vorschlag der Brüsseler Behörden vorgelegt, mit dem unter anderem das Dublin-II-Abkommen geändert werden soll. „Künftig soll ein Asylwerber nicht mehr automatisch in das Land abgeschoben werden können, in dem er als Erstes angekommen ist. Für kommenden April kündigte Barrot die Errichtung eines europäischen ,Unterstützungsbüros’ für Flüchtlinge und einen Richtlinienentwurf zu einem gemeinsamen EU-Asylverfahren an. Dadurch soll verhindert werden, dass jene Länder, die wie etwa Griechenland, Malta und Zypern einen besonders starken Andrang von Flüchtlingen haben, noch zusätzlich belastet werden. (http://www.orf.at/ticker/310275.html)

Darüber hinaus ist einem Konzeptvorschlag des UNHCR vom Januar 2008 über die Aufnahme von Flüchtlingen aus Drittländern (Resettlement) in der Bundesrepublik Deutschland auf Seite 4 zu entnehmen, dass Pläne zur Einrichtung von Resettlement- Programmen derzeit auch in Portugal, Österreich und der Tschechischen Republik diskutiert werden.

Fasst man das Dargestellte zusammen, so kann man zu dem Schluss kommen, dass hinter einer geplanten dritten Erstaufnahmestelle mehr steckt, als bloß eine Entlastung der bestehenden Erstaufnahmestellen Traiskirchen und Thalham.

Da die Bevölkerung ein recht darauf hat, rechtzeitig, umfassend und wahrheitsgetreu über Pläne der Politk informiert zu werden, stellen die Unterfertigten - in der Erwartung, dass jede einzelne Frage eingehend und ohne Umschweife beantwortet wird - an Sie folgende


Anfrage:

1.  Stimmen die in den BMI-Presseaussendungen vom 14. Juli 2008 u. 31. Oktober 2008 verbreiteten Angaben bezüglich der Zahl der Asylanträge? (Wenn nein, warum nicht?)

2.              Wie viele Asylanträge wurden in den letzten zehn Jahren gestellt? (Bitte um jährliche Aufstellung samt Angabe der Herkunftsländer; Anmerkung: Bei der Gruppe der Tschetschenen bitte bei Beantwortung sämtlicher folgender Fragen, bei denen nach dem

Herkunftsland gefragt wird, nicht Russische Föderation sondern Tschetschenien angeben! Danke.)

3.             Wie vielen Asylanträgen wurde in den letzten zehn Jahren statt gegeben (Bitte um jährliche Aufstellung samt Angabe der Herkunftsländer)

4.             Wie viele Asylanträge wurden in den letzten zehn Jahren abgewiesen (Bitte um jährliche Aufstellung samt Angabe der Herkunftsländer)

5.             Wie viele Personen, die in den letzten zehn Jahren einen Asylantrag gestellt haben, erhielten ein humanitäres Aufenthaltsrecht? (Bitte um jährliche Aufstellung samt Angabe der Herkunftsländer)

6.             Bezugnehmend zu Frage 5: Wie viele davon mussten abgeschoben werden? (Bitte genaue jährliche Aufstellung nach Anzahl und Herkunftsland)

7.             Was waren die Asylgründe bei jenen, die in den letzten zehn Jahren in Österreich Asyl erhielten? (Bitte um genaue Aufstellung der Asylgründe samt Länderangaben)

8.             Da laut Ihren Angaben vom 14. Juli 2008 u. 31. Oktober 2008 die Asylanträge in Österreich zurück gegangen sind, stellt sich die Frage: Warum ist die Errichtung eines dritten Erstaufnahmezentrums notwendig?

9.             Warum ist die Errichtung eines dritten Erstaufnahmezentrums ausgerechnet „im Süden" von Nöten? (Es könnte ja beispielsweise auch eines „im Westen" errichtet werden, wenn man Thalham geographisch als in der „Mitte" von Österreich gelegen betrachtet)

10.      Wird unter „im Süden" Kärnten verstanden? (Wenn nein, welches Bundesland dann?)

11.      Welchen Zusammenhang gibt es zwischen der geplanten Erstaufnahmestelle im Süden mit der vom Leiter der Betreuungseinrichtung Traiskirchen, Herrn Franz Schabhüttl, getätigten Aussage, dass von den Schleppern vermehrt die Route über den Süden genutzt wird?

12.      Was unternehmen Sie zur Eindämmung der vom Leiter der Betreuungseinrichtung Traiskirchen genannten Schlepperroute über den Süden.

13.      Ist an die Wiedereinführung von Grenzkontrollen gedacht? (Wenn nein, warum nicht?)

14.      Wie viele der, seit Bestehen der Dublin II-Verordnung, nach Österreich gekommenen Asylwerber, fielen unter diese Verordnung?

15.      In welchem Land betraten jene Asylwerber, die unter die Dublin II-Verordnung fielen, EU-Boden u. in welchem Land suchten Sie um Asyl an bevor sie nach Österreich kamen? (Bitte um jährliche Aufstellung und auch um Angabe darüber, aus welchen Ländern diese Asylwerber ursprünglich stammten)

16.      Wie viele der unter die Dublin II-Verordnung gefallenen Asylwerber konnten erfolgreich außer Landes gebracht werden? (Bitte um jährliche Aufstellung und auch exakte Angaben darüber, welche EU-Länder die Asylwerber, die unter die Dublin II-Verordnung fallen, zurücknehmen u. welche nicht)

17.      Wie viele der Asylwerber, die aufgrund der Dublin II-Verordnung eigentlich aus Österreich hätten abgeschoben werden müssen, konnten in Österreich bleiben, weil sie Familienangehörige haben, die legal in Österreich leben? (Bitte um jährliche Aufstellung und auch um Angabe darüber, aus welchen Ländern diese Asylwerber stammten)

18.      Wie viele der Asylwerber, die aufgrund der Dublin II-Verordnung eigentlich aus Österreich hätten abgeschoben werden sollen, konnten nicht abgeschoben werden, weil sie untertauchten? (Bitte um jährliche Aufstellung und auch um Angabe darüber, aus welchen Ländern diese Asylwerber stammten)

19.      Wie viele Asylwerber wurden in den letzten 5 Jahren im Lager Traiskirchen untergebracht? (Bitte um genaue jährliche Aufstellung auch nach Herkunftsland und Geschlecht)

20.  Wie viele Asylwerber wurden in den letzten 5 Jahren im Lager Thalham untergebracht? (Bitte um genaue jährliche Aufstellung auch nach Herkunftsland und Geschlecht)

21.       Wie viele der im Lager Traiskirchen untergebrachten Asylwerber wurden in den letzten fünf Jahren angezeigt? (Bitte um jährliche Angabe samt Nennung des Grundes für die Anzeige sowie Nennung des Herkunftslandes des Angezeigten)

22.  Zu Frage 21: Bei wie vielen davon kam es zu einer rechtskräftigen Verurteilung? (Bitte um jährliche Angabe samt Nennung des Verurteilunsgrundes u. die Höhe der Strafe sowie des Herkunftslandes des Verurteilten)

23.       Wie viele der im Lager Thalham untergebrachten Asylwerber wurden in den letzten fünf Jahren angezeigt? (Bitte um jährliche Angabe samt Nennung des Grundes für die Anzeige sowie Nennung des Herkunftslandes des Angezeigten)

24.  Zu Frage 23: Bei wie vielen davon kam es zu einer rechtskräftigen Verurteilung? (Bitte um jährliche Angabe samt Nennung des Verurteilunsgrundes u. die Höhe der Strafe sowie des Herkunftslandes des Verurteilten)

25.  Wie würden Sie die Stimmung unter der Bevölkerung in Traiskirchen sowie rund um Thalham beschreiben?

26.  Welche Maßnahmen haben Sie bzw. Ihre VorgängerInnen in der Vergangenheit gesetzt, um die Akzeptanz der Erstaufnahmestelle in Traiskirchen und der von Thalham in der Bevölkerung zu erhöhen? (Bitte um genaue zeitliche Angaben der Maßnahmen u. die Kosten, die sie verursacht haben)

27.  Welche Maßnahmen haben Bürger von Traiskirchen und der Umgebung von Thalham gegen die Erstaufhahmestellen in ihrer Region gesetzt? (Stichwort zb. Bürgerwehr; bitte um genaue Angaben samt Nennung der Gegenmaßnahmen, die Sie gesetzt haben u. die davon verursachten Kosten)

28.  Wie viele Asylwerber kommen in Traiskirchen auf einen Exekutivbeamten? (Bitte um genaue jährliche Auflistung der letzten fünf Jahre)

29.  Wie viele Asylwerber kommen in Traiskirchen auf einen Betreuer/Berater? (Bitte um genaue jährliche Auflistung der letzten fünf Jahre)

30.  Wie viele Asylwerber kommen in Thalham auf einen Exekutivbeamten? (Bitte um genaue jährliche Auflistung der letzten fünf Jahre)

31.       Wie viele Asylwerber kommen in Thalham auf einen Betreuer/Berater? (Bitte um genaue jährliche Auflistung der letzten fünf Jahre)

32.  Wie viele Asylwerber werden in der geplanten Erstaufnahmestelle „im Süden" auf einen Exekutivbeamten kommen?

33.       Wie viele Asylwerber werden in der geplanten Erstaufnahmestelle „im Süden" auf einen Betreuer/Berater kommen?

34.       Wie viele Asylwerber haben in den letzten zehn Jahren in den einzelnen EU-Ländern um Asyl angesucht? (Bitte jährliche Auflistung nach Ländern und Angabe der Herkunftsländer der Asylsuchenden; Zur besseren Vergleichbarkeit bitte die

Asylwerberzahlen auch in Prozent der Gesamtbevölkerung des jeweiligen EU-Landes angeben.)

35.       Wie viele Asylwerber haben in den letzten zehn Jahren in den einzelnen EU-Ländern Asyl erhalten? (Bitte jährliche Auflistung nach Ländern und Angabe der Herkunftsländer der Asylsuchenden, die anerkannt wurden; Zur besseren Vergleichbarkeit bitte die Zahlen jener Asylwerber, die anerkannt wurden, auch in Prozent der Gesamtbevölkerung des jeweiligen EU-Landes angeben sowie die anerkannten Asylwerber in Relation zu den abgelehnten Asylwerbern bringen.)


36.       Was wissen Sie von den von Kommissionsvizepräsident Jaques Barrot am 3. Dezember 2008 genannten Plänen, wonach das Dublin-II-Abkommen geändert werden soll? (Bitte um genaueste Darstellung der Pläne. Sollten Sie nichts dazu wissen, bitte die Frage beantworten: Warum wissen Sie nichts, wo Sie doch innerhalb der EU in dieser Frage die österreichischen Interessen zu vertreten haben?)

37.       Seit wann werden die von Jaques Barrot genannten Pläne in der EU bereits vorbereitet?

38.      In einem Konzeptvorschlag des UNHCR zur Aufnahme von Flüchtlingen aus Drittländern (Resettlement) in der Bundesrepublik Deutschland vom Januar 2008 steht auf Seite 4, dass Pläne zur Einrichtung von Resettlement-Programmen derzeit auch in Portugal, Österreich und der Tschechischen Republik diskutiert werden. Daraus ergeben sich folgende Fragen: Seit wann wird in Österreich die Einrichtung eines Resettlement-Programmes diskutiert?

39.      Wer diskutiert bzw. plant dieses Resettlement-Programm in Österreich? (Bitte um genaue Nennung der Personen mit Namen, Funktion u. Qualifikation)

40.  Wann soll dieses Resettlement-Programm wirksam werden?

41.  Welche Konsequenzen bzw. Auswirkungen hat dieses Resettlement-Programm auf die österreichische Asylpolitik auch bezogen auf den EU-Horizont? (Bitte genaue Beschreibung des Programmes und dessen Auswirkungen auf die bisherige österreichische Asylpolitik u. die Asylpolitik innerhalb der EU)

42.  Ist die geplante dritte Erstaufnahmestelle "im Süden" im Zusammenhang mit den von Jaques Barrot geäußerten Plänen bezüglich des Dublin-II-Abkommens und/oder des geplanten Resettlement-Programmeg zu sehen? (Wenn ja, in welcher Form?)