4883/J XXIV. GP

Eingelangt am 19.03.2010
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Schatz, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Finanzen

 

betreffend Steuerhinterziehung durch prekäre Beschäftigung und Umgehung des Arbeits- und Sozialrechts

 

In den letzten 10 Jahren kam es zu einer massiven Ausweitung arbeitsnehmerInnenähnlicher bzw. sogenannter „atypischer“ Beschäftigungsverhältnisse wie Freie Dienstverträge, Werkverträge und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse. Dabei handelt es sich selten um frei gewählte Vertragsformen durch ArbeitnehmerInnen, sondern in vielen Fällen um Umgehungsverträge durch ArbeitgeberInnen zum Senken von Löhnen und Gehältern sowie Lohnnebenkosten und die Umgehung arbeits- und sozialrechtrechtlicher Auflagen. Personen werden beispielsweise als Freie DienstnehmerInnen oder WerkvertragsnehmerInnen beschäftigt, obwohl sie aufgrund ihrer Arbeitsaufgaben und anderer Rahmenbedingungen (genaue und vereinbarte Arbeitszeiten und -orte, persönliche Leistungspflicht, Weisungsgebundenheit, sowie persönliche und wirtschaftliche Einordnung in den Betrieb) eigentlich unselbstständig beschäftigt werden müssten. Eine Verschlechterung der Arbeits- und Einkommensbedingungen gesamter Branchen und ein massiver Verlust von Sozialversicherungsbeiträgen an die öffentlichen Kassen und Verlust an Steuereinnahmen sind die Folgen dieser illegalen Praktiken.  Betroffene ArbeitnehmerInnen sind oft bereits am Arbeitsmarkt benachteiligte Menschen wie Arbeitslose, junge ArbeitnehmerInnen, MigrantInnen und Frauen mit Betreuungspflichten.

Es gibt Branchen, wo diese Praxis besonders stark verbreitet ist bzw. war und wo die oben genannten Vertragsformen auffällig häufig angewendet werden, in Tätigkeitsbereichen die aufgrund ihrer Natur offensichtlich Anstellungsverhältnissen unterliegen müssten.  Beispiele sind etwa der Postsektor, insbesondere die Zustellung von Briefen, Paketen und Werbung, die Medienbranche, Call Center, kreative Industrien, TrainerInnen in der Erwachsenenbildung, die Baubranche aber auch Teile der Wissenschaft und Forschung. Jüngste Berichte und den Grünen bereits wiederholt zugetragene Informationen weisen auf eine massive, quasi systematische Umgehung von Anstellungsverhältnissen im Bereich der Marktkommunikation (insbesondere bei der Beschäftigung von VerkäuferInnen, RegalschlichterInnen, PromotorInnen) hin. Schätzungen zu folge dürften davon in Österreich mindestens 20.000 Beschäftigte betroffen sein.

Die Entlohnung der Beschäftigten erfolgt meist auf der Basis von Honorarnoten, wobei eine Anmeldung zur Sozialversicherung durch die Beschäftigten mitunter unterbleibt. Häufig werden Beschäftigte auch geringfügig angestellt und darüber hinaus erbrachte Leistungen „bar auf die Hand“ bezahlt oder gar als Spesenabrechnung. Die Abwicklung erfolgt dann über speziell hierfür im Ausland gegründete „Scheinfirmen“, um eine mögliche Finanz- bzw. Gebietskrankenkassenprüfung zu verhindern.

Dadurch dass Beschäftigte nicht sachgemäß angemeldet werden bzw. Honorarnoten nicht deklarieren, sind deren Arbeitsverhältnisse auch der Kontrolle durch die Finanzämter entzogen. Steuern wie die Kommunalsteuer, Einkommenssteuer sowie Abgaben im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes werden hinterzogen, was finanzstrafrechtlich und budgetpolitisch relevant ist. Schätzungen zufolge werden alleine im Bereich der Marktkommunikation Steuerbeträge im Ausmaß von € 100 Millionen pro Jahr hinterzogen.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

1.      Dem Vernehmen nach sollen Ihnen gleichartige Informationen über Beschäftigungsbedingungen in der Branche Marktkommunikation vorliegen. Sind Ihnen diese oder vergleichbare Informationen bekannt ? Wenn ja, welche Informationen liegen Ihnen genau vor ? Wie erklären und beurteilen Sie die beschriebene Problemlage  ?

 

 

2.      Was haben Sie diesbezüglich (siehe Frage 1) unternommen ? Bitte um Auflistung der Maßnahmen im Einzelnen.

 

 

3.      Wie sehen Ihre Pläne und ihre weitere Vorgehensweise dazu aus ? Was werden Sie im Einzelnen tun ?

 

 

4.      Verfügen Sie über Vorschläge und Konzepte mit welchen Maßnahmen die beschriebenen Probleme wie systematische Umgehung von Sozialversicherungsbeiträgen, Lohnvorenthaltung und Steuerhinterziehung in Zukunft weitgehend verhindert werden können ? Wie kann effizienter kontrolliert werden? Welche Maßnahmen planen sie im Bereich der Kontrollen ? Was werden Sie konkret tun ?  Wie kann betroffenen ArbeitnehmerInnen leichter zu ihrem Recht verholfen werden ?

 


5.      Wie funktioniert die Umsetzung des §109a EStG. und der dazu entsprechenden 2004 erlassenen Verordnung Ihres Ministeriums zur Mitteilungspflicht von Unternehmen und Körperschaften des öffentlichen und privaten Rechts über gelegte Honorarnoten von Gruppen von Personen und von Personenvereinigungen (Personengemeinschaften), die für sie Leistungen erbringen ? Bitte stellen Sie Ihre diesbezüglichen Erfahrungen möglichst ausführlich dar. Gibt es Probleme in der Umsetzung und wenn ja, wie kommen diese zu Stande ? Wo sehen Sie etwaige Verbesserungsmöglichkeiten ? Und sind Veränderungen in den gesetzlichen Regelungen und der Verfolgung zu erwarten bzw. notwendig ?