5314/J XXIV. GP

Eingelangt am 11.05.2010
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ANFRAGE

 

 

des Abgeordneten Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Inneres

 

betreffend Unregelmäßigkeiten im Umgang mit Schubhäftlingen, insbesondere Cletus B. und Vincent A.

 

Die Festnahme der zwei Hobbyfußballer Cletus Ugonna Boniface („Cletus B“) und Vincent Agbai („Vincent A“) direkt vom Fußballfeld weg und deren Abtransport in Schubhaft hat vergangene Woche zu Demonstrationen und heftigem Protest geführt. Vincent A und Cletus B. waren seit Donnerstag, 29. Mai 2010 im Polizeianhaltezentrum Hernalser Gürtel und Rossauer Lände in Schubhaft. Ihr Rechtsvertreter wurden jedoch erst mit Verzögerungen (bis zu 3 Tagen) zu ihnen gelassen. Herr Tim Ausserhuber vom Migrantinnenverein St. Marx hatte die Rechtsvertretung des Herrn Vincent A. inne und berichtet von der Weigerung der diensthabenden PolizeibeamtInnen, ihn zur Einvernahme des Herrn Vincent B zuzulassen, obwohl er eine schriftliche Vollmacht vorlegte, sowie anderen Rechtsverweigerungen, bei denen die Folgeanträge von Cletus B. und Vincent A. von den diensthabenden PolizeibeamtInnen trotz wiederholter Aufforderung nicht entgegengenommen wurden, dem Rechtsvertreter Informationen zum Abschiebetermin vorenthalten wurden usw. Auch eine andere Rechtsvertreterin, Karin Klaric vom Ute Bock Verein, berichtet, dass ihr bei ihren nigerianischen KlientInnen keine bzw. erst viel zu spät Akteneinsicht gewährt worden wäre: „(…) viel zu spät um angemessen reagieren zu können.“ und dass einige Schubhäftlinge bereits seit Wochen unrechtmäßig in Schubhaft säßen (Kurier 4. Mai 2010).

 

Diese Vorgehensweise lässt auf anarchische Zustände in der Schubhaft schließen und würde ein absichtliches Beschneiden der grundlegenden Verfahrensrechte der Schubhäftlinge bedeuten. Diese haben ein Recht sowohl auf Entgegennahme ihres Asylantrages als auch ein Recht auf Rechtsvertretung. Da es sich bei Schubhäftlingen großteils um unbescholtene Menschen handelt, die sich in einer menschlich schwierigen und äußerst exponierten Lage befinden, wäre eine solche - anscheinend systematische - Rechtsverweigerung durch die Polizei ein menschenrechtlicher Skandal.

 

Da auch Österreich gs. Homosexualität als Asylgrund anerkennt, stellt sich die Frage, wieso das bei Cletus B. nicht der Fall war. Insbesondere, da die Gesetzgebung in Nigeria die Strafen erhöht hat bzw. in 12 nördlichen Bundestaaten immer noch Todesstrafe (Steinigung) darauf steht, und durch das Outing in Österreich die Homosexualität des Cletus B. in Nigeria bekannt sein dürfte. Problematisch ist auch, dass die österreichischen Asylbehörden konkrete Beweise verlangen, da ja idR Homosexualität in den Heimatland geheim gehalten werden muss und da sich viele AsylwerberInnen zuerst davor scheuen, offen über ihre sexuelle Orientierung mit Behörden zu sprechen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

  1. Wann genau nach ihrer Festnahme am 29. April 2010 wurden Herr Cletus B  und Herr Vincent A in die Polizeianhaltezentren Rossauer Lände bzw. Hernals eingeliefert?

 

  1. Weshalb wurden sie in getrennte PAZ gebracht?

 

  1. Wann verlangten Herr Cletus B bzw. Herr Vincent A zum ersten Mal von den diensthabenden PolizistInnen ihre RechtsvertreterInnen zu sehen?

 

  1. Wurden die RechtsvertreterInnen hierauf umgehend informiert?

 

  1. Falls ja, wie, von wem und wann?

 

  1. Falls nein, weshalb nicht?

 

  1. Falls Sie hierüber keinerlei Aufzeichnungen besitzen, wie wollen Sie sicherstellen, dass PolizeibeamtInnen hier nicht willkürlich das Hinzuziehen eines/r Rechtsvertreters/In verweigern?

 

  1. Der bevollmächtigte Rechtsvertreter von Herrn Vincent A, Herr Tim Ausserhuber, legte Freitag Mittag (30. April 2010) dem diensthabenden PolizeibeamtInnen im PAZ Hernals seine Vollmacht vor und verlangte zu Herrn Vincent A. vorgelassen zu werden. Der Besuch wurde ihm mit dem Argument verweigert, Herr Agbai sei gerade bei einer Einvernahme, er dürfe daher nicht zu ihm. Er wurde erst Montag, also 1 Tag vor der Abschiebung, zugelassen. Wie kommt es, dass dem bevollmächtigten Rechtsvertreter der Zugang zu seinem Klienten, noch dazu zu einer Einvernahme, verwehrt wird?

 

  1. Wie bringen Sie diese Vorgangsweise in Einklang mit den Verfahrensrechten der Schubhäftlinge, insbesondere das Recht auf einen Rechtsvertreter gemäß § 10 AVG und § 8 Richtlinien-VO?

 

  1.  Herrn Cletus B. wurde von dem anwesenden PolizeibeamtInnen im PAZ Rossauer Lände mitgeteilt, dass er nur einmal in der Woche telefonieren dürfe. Dieser Anruf sei ihm erst am Tag der Abschiebung gestattet. Auf seine Frage hin, ob er über das Handy seines Rechtsberaters telefonieren dürfe, wurde das verneint. Gibt es bzgl. der Möglichkeit zu telefonieren Vorschriften in den PAZ und falls ja wie lauten diese genau?

  1. Auf welche Rechtsgrundlage stützen sich diese Telefonvorschriften?

 

  1. Wie wird bei einer solchen Einschränkung (ein Telefonat wöchentlich und das nur nach Gutdünken des PolizeibeamtInnen) das Recht des Schubhäftlings seine/n RechtsvertreterIn rechtzeitig zu sehen, geschweige denn seine Freunde und Angehörigen zu informieren, gewährleistet?

 

  1. Am Dienstag, den 4. Mai 2010 wollte eine Vertrauensperson des Herrn Vincent A. innerhalb der Besuchszeit ihm Bekleidung für die bevorstehende Abschiebung bringen. Sie wurde von dem diensthabenden BeamtInnen abgewiesen mit dem Hinweis Besuche im PAZ Rossauer Lände seien für den ganzen Tag nicht zulässig. Am selben Abend wurde Herr Vincent A. abgeschoben. Wer hat dieses ganztägige Besuchsverbot im PAZ Rossauer Lände angeordnet und weshalb?

 

  1. Wie bringen Sie dieses Besuchsverbot in Einklang mit den Verfahrensrechten der Schubhäftlinge, welche gemäß § 8 Richtlinien-VO das Recht haben, eine Vertrauensperson zu sehen?

 

  1. Auch die Rechtsvertreterin Mag. Karin Klaric vom Verein Ute Bock wurde zu ihren KlientInnen trotz vorliegender Vollmacht erst mit großer Verspätung (1 Tag vor der Abschiebung) bzw. in einem Fall gar nicht vorgelassen. Weshalb wurde ihr trotz gültiger Vollmacht in all diesen Fällen der Zugang zu ihren KlientInnen verwehrt? Wie rechtfertigten Sie diese schikanöse Umgangsweise mit den Verfahrensrechten der Schubhäftlinge?

 

  1. Frau Mag. Klaric wurde vom diensthabenden PolizeibeamtInnen auch erklärt, ihre aus dem Jahr 2009 stammende Vollmacht sei „zu alt“ und daher ungültig. Auf welche Rechtsgrundlagen stützt sich diese Beahuptung?

 

  1. Was werden Sie unternehmen, um solche missbräuchlichen Falsch­informationen durch Ihre BeamtInnen in Zukunft zu unterbinden?

 

  1. Wie wollen Sie bei diesen Zuständen (verspätete oder verweigerte Zulassung bzw. keine Akteneinsicht) sicherstellen, dass den RechtsvertreterInnen genügend Zeit für eine wirksame Rechtsberatung bleibt?

 

  1. Gibt es bzgl. Vorgehen bei Zulassung eines Rechtsberaters bzw. Vertreters eine interne Weisung oder einen Erlass des BMI, wie hier vorzugehen ist?

 

  1. Falls ja, seit wann und wie lautet diese/r im genauen Wortlaut?

 

  1. Falls nein, wie erklären Sie sich die offensichtlich gängige Praxis der PolizistInnen im PAZ Rossauer Lände, RechtsberaterInnen den Zugang zu ihren Schubhäftlingen zu verweigern?

 

  1. Was werden Sie gegen diese Rechtsverweigerung durch Nichtzulassung oder verzögerte Zulassung der RechtsvertreterInnen zu ihren KlientInnen in Schubhaft unternehmen?

  1. Der zuständige juristische Leiter des Referats 3 der Fremdenpolizei Wien, Herr Mag. Kraxner, hat der Mitarbeiterin des grünen parlamentarischen Klubs. Frau Mag. Pressinger, am 30. April 2010 telefonisch die Auskunft erteilt, dass er wegen der angeblichen Nichtzulassung des Rechtsvertreters Ausserhuber nachgeforscht habe und kein Rechtsvertreter um Zulassung zu Herrn Vincent A. ersucht habe. Wie erklären Sie sich diese – eindeutig unrichtigen – Angaben des Abteilungsleiters?

 

  1. Ist diese Falschauskunft durch den Leiter des Referats 3 selbst oder durch unrichtige Informationen seiner BeamtInnen verursacht worden?

 

  1. Welche Maßnahmen werden Sie treffen um solche Falschauskünfte in Zukunft zu unterbinden?

 

  1. Herr Vincent A. hat bereits am Donnerstag gegenüber den diensthabenden PolizistInnen nachweislich mitgeteilt, er wolle einen neuen Asylantrag stellen. Herr Ausserhuber wurde via Telefon Zeuge, als der Polizist Herrn Vincent A. die Annahme des Asylgesuchs wiederholt verweigerte. Wie kam es zu dieser Rechtsverweigerung und beruht die Nichtannahme von Folgeanträgen auf einer Weisung bzw. einem Erlass?

 

  1. Falls ja, wie lautet diese/r?

 

  1. nein, wie erklären Sie sich diese Vorgehensweise des Polizisten?

 

  1. Wie bringen Sie das in Einklang mit dem Asylgesetz, wonach ein Schub­häftling jedenfalls das Recht hat, einen Folgeantrag zu stellen und somit dieser auch entgegenzunehmen ist?

 

  1. Herr Cletus B. hat am Montag nachweislich dem diensthabenden Polizisten in der Rossauer Lände mitgeteilt, er wolle einen Asylantrag stellen. Herr Ausserhuber war persönlich vor Ort und Zeuge, als der Polizist Herrn Cletus B. die Entgegennahme des Asylgesuchs schlichtweg verweigerte. Wie kam es zu dieser Rechtsverweigerung?

 

  1. Von dieser Rechtsverweigerung bzgl. Vincent A wurde auch der zuständige juristische Leiter, Herr Mag. Kraxner, schriftlich am 4. Mai vom Rechtsvertreter Ausserhuber in Kenntnis gesetzt und als Zuständiger Leiter aufgefordert, diesen Missstand umgehend zu beenden. Es erfolgte keinerlei Rückmeldung geschweige denn eine Amtshandlung des Herrn Mag. Kraxner. Weshalb wurde hier nicht reagiert?

 

  1. Stellt die gezielten Untätigkeit des Vorgesetzten bei gemeldeter Rechts­verweigerung wie oben ausgeführt Amtsmissbrauch dar?

 

  1. Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um in Zukunft zu verhindern, dass Vorgesetzte amtsmissbräuchlich bei gemeldeten Rechtswidrigkeiten bzw. Rechtsverweigerung untätig bleiben?

 

  1. Zu welchem Zeitpunkt lag die Information über den konkreten Abschiebe­termin des Herrn Cletus B. bzw. des Herrn Vincent A. vor?

  1. Wann wurden die beiden davon in Kenntnis gesetzt?

 

  1. Wann wurden deren RechtsvertreterInnen davon in Kenntnis gesetzt?

 

  1. Als Herr Ausserhuber am 3. Mai 2010 beim zuständigen Referenten um 12.30 Uhr in den Akt des Herrn Vincent A Einsicht nehmen wollte, um den konkreten Abschiebetermin zu erfahren, wurde ihm mitgeteilt, dass es noch keinen Abschiebetermin gäbe. Um 14h rief ihn Vincent A an um ihm mitzuteilen, dass ihm soeben die Information zur Abschiebung ausgehändigt wurde, wonach der Abschiebetermin der 4. Mai sei. Weshalb wurde der Rechtsvertreter von Herrn Vincent B. hier fälschlich informiert?

 

  1. Wie kann es sein, dass der zuständige Referent gegenüber dem Rechts­verteter angibt, nichts von dem Termin zu wissen und bereits 2 Stunden später dieser Termin Vincent B. schriftlich ausgehändigt wurde?

 

  1. Gibt es eine Weisung bzw. einen Erlass des BMI, wonach den RechtsvertreterInnen gewisse Informationen nicht oder spätestmöglich auszuhändigen sind?

 

  1. Falls ja, wie lautet diese?

 

  1. Wie gedenken Sie sicherstellen, dass derartige Schikanen, wie das Herausgeben falscher Informationen, Besuchsverweigerung und Nichtannahme von Asylgesuchen in Schubhaft in Zukunft nicht mehr vorkommen?

 

  1. Werden gegen die beteiligten PolizistInnen disziplinäre Maßnahmen ergriffen werden?

 

  1. Falls ja, welche und wann?

 

  1. Falls nein, weshalb nicht?

 

  1. Weshalb wurde Cletus B. trotz seiner noch anhängigen Beschwerde beim Asylgerichtshof gegen die Zurückweisung seines Asylantrags abgeschoben, wo ihm durch sein (zwangsgedrungenes) öffentliches Outing in Österreich als Homosexueller nun in Nigeria konkret Gefahr für Leib und Leben droht?

 

  1. Wie wird gewährleistet, dass homosexuelle Nigerianer, die dort nachweislich mit Gefängnisstrafen bis zu 14 Jahren und schlimmstenfalls der Todesstrafe rechnen müssen, und die hier kein Asyl bekommen nicht bei ihrer Abschiebung einer Verfolgung in ihrem Heimatland ausgesetzt sind?

 

  1. Erkennen Österreichs Asylbehörden sexuelle Orientierung als offiziellen Asylgrund an?

 

  1. Zu welchem Zeitpunkt im Asylverfahren muss Homosexualität offengelegt werden, damit dieser als Asylgrund anerkannt wird?

  1. Wie gewährleisten Sie den Schutz von Asylwerbern, die sich in Österreich outen und Homosexualität als Asylgrund anführen, vor Diffamierung und Übergriffen?

 

  1. Welche Maßnahmen werden diesbezüglich in Erstaufnahmezentren und Polizeianhaltezentren getroffen um solche Übergriffe und Diffamierung zu verhindern?

 

  1.  Durch welche Maßnahmen stellen Sie sicher, dass es nicht zum Missbrauch der ausgestellten Heimreisezertifikate kommt, indem zB Heimreisezertifikate für eine abzuschiebende Person ausgestellt werden, die gleichzeitig einen Pass besitzt und dieses Zertifikat dann für eine andere abzuschiebende Person verwendet wird, die ursprünglich gar kein Heimreisezertifikat hatte?