5535/J XXIV. GP

Eingelangt am 28.05.2010
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

 

der Abgeordneten Musiol, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend

 

betreffend Homepage für Alleinerziehende

 

Laut Statistik Austria vom 27.4.2010 lebt in Österreich in 114.400 Familien zumindest ein unter 15-jähriges Kind mit nur einem Elternteil. Hauptsächlich sind es Mütter, die ohne Partner in einem Haushalt leben und für ein Kind sorgen (92,4%). Mehr als jede achte Frau mit Kindern unter 15 Jahren ist somit alleinerziehend (13,5%). Bei Männern ist es nur gut einer von 100 (1,3%).

 

Die Armutsgefährdung aufgegliedert nach Haushaltstypen mit Kindern zeigt, dass insbesondere Alleinerziehende und Haushalte mit mehreren Kindern stark belastet sind: Immerhin 29% aller Alleinerziehende (92.000 Haushalte) sind armutsgefährdet.

Für Alleinerziehende und insbesondere ihre Kinder bedeutet ein Leben an der Armutsgrenze ein Leben in äußerst beengten Verhältnissen, in überbelegten Wohnungen, Probleme unerwartete Ausgaben zu tätigen oder Kindern Schulausflüge und Freizeitaktivitäten zu finanzieren.

 

Am 30.3.2010 präsentierte Familienstaatssekretärin Marek eine neue Website des Familienministeriums für Alleinerziehende (www.allein-erziehende.at).

Die neue Website sei, so die Staatssekretärin in einer Aussendung, ein weiterer Baustein in einer Reihe von familienpolitischen Maßnahmen speziell für Alleinerziehende. Umfassende Informationen, Tipps und Hilfsangebote sollen hier zur Verfügung gestellt werden.

 

Inwieweit diese Homepage Alleinerziehenden eine Hilfestellung bietet ist angesichts des Inhalts stark zu bezweifeln.

 

Auf der Startseite erwartet Alleinerziehende der Anblick eines glücklichen jungen Paars, das  Hand in Hand über ein Feld schlendert und sich verliebt in die Augen blickt. Was dieses Bild einem alleinerziehenden Elternteil vermitteln soll bleibt offen.

 

Laut Homepage des Ministeriums (www.allein-erziehende.at) bekommen Alleinerziehende im Kontrast zu diesem Bild bestätigt, dass es völlig „normal“ ist alleine mit dem Kind zu leben. Wie sich das Leben gestaltet, obliegt ihnen demnach selber – völlig frei von finanziellen Einschränkungen, fehlenden Unterhaltsleistungen, ungleichen Behandlungen beim Ausmaß des  Kinderbetreuungsgelds, usw.:

 

„Alleinerziehend zu sein ist nur eine von vielen möglichen Familienformen und daher auch völlig „normal“. Sie haben die Freiheit, diese nach Ihren Vorstellungen – und zum Besten aller Beteiligten – zu gestalten.“

 

Diese Freiheit, die Alleinerziehende genießen scheint laut dieser Homepage grenzenlos. Alleinerziehenden geht es sogar besser als Paaren. Sie genießen den „Alleinerzieher-Vorteil“.

 

„Der Alleinerzieher-Vorteil: Es gibt garantiert Dinge, um die Pärchen Sie beneiden! In Ihrer momentanen Situation können Sie sich die Rosinen aus Familienleben UND Singledasein herauspicken. Sie haben das Glück, Kinder aufwachsen zu sehen. Und zugleich (zumindest manchmal) die Freiheiten, von denen Singles schwärmen. Die viel zitierte biologische Uhr hören Sie nicht ticken, weil Sie schon Nachwuchs haben. Und Beziehungen können, wie Sie wissen, ganz schön anstrengend sein. In einer gemütlichen Runde Händchen haltender Pärchen dürfen Sie also ruhig denken: Es ist nicht alles Gold, was glänzt.“

 

Dennoch scheint es den AutorInnen der Homepage-Texte aufzufallen, dass Alleinerziehende im Alltag viele Probleme haben, doch die Antwort darauf ist ganz einfach:

„Beziehen Sie Probleme nicht auf Ihre Familienform, sondern suchen Sie nach den Ursachen und bemühen Sie sich um eine Lösung.“

 

In der Rubrik Rund ums Geld hält die Homepage eine Checkliste zur Unterhaltsberechung bereit. Bis Anfang Mai waren darin Regelbedarfssätze von 2007 sowie Zahlen betreffend der Höchstgrenze des Unterhaltsvorschusses aus dem Jahr 2008. Allesamt Zahlen die nicht mehr aktuell sind.

Die Rubrik enthält des weiteren Tipps Rund ums Geld für Alleinerziehende bereit:

„Achten Sie auf das, was Ihr Kind für seine Entwicklung und die Entfaltung seiner Möglichkeiten braucht, aber vermeiden Sie materielles Verwöhnen.“

 

Auch ein Buch mit dem Titel „Wenn Kinder immer alles haben wollen. Weniger ist mehr
wird Alleinerziehenden empfohlen.

 

Für Alleinerziehende, die an der Armutsgrenze leben kann materielles Verwöhnen kein Thema sein. Selbst wenn sie ihr Kind einmal verwöhnen wollten, ist es ihnen schlicht nicht möglich. Ein derartiger Tipp sowie der Buchtitel (…weniger ist mehr) ist an Zynismus nicht mehr zu überbieten.

 

Doch nicht nur die Einschätzung der finanziellen Lage von Alleinerziehenden entspricht nicht den Tatsachen, auch die Geschlechterbilder, die dieser Homepage zu Grunde liegen, sollten längst der Vergangenheit angehören:

 

 „Man muss nicht immer alles selbst machen. Auch die Großeltern – so verfügbar – können oft einen wesentlichen Beitrag zur Unterstützung im Alltag beitragen. In den meisten Fällen schätzen diese ohnehin die Gegenwart ihrer Enkel so sehr, dass man erst gar nicht all zu lange darum bitten braucht. Auch wenn die Omas auch immer wieder mal was zum Nörgeln haben, so ist es doch besser die Bügelwäsche ist mit Sorgfalt erledigt, als sie bleibt tagelang liegen.“

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

1. Von wem wurden die Inhalte sowie das Konzept dieser Homepage erstellt?

 

2. Worin besteht die Kompetenz der Agentur Martrix in Belangen Alleinerziehender?

 

3. Wann wurde die Homepage-Erstellung in Auftrag gegeben?

 

4. Wann wurde die Homepage fertig gestellt?

 

5. Wer ist für die weitere inhaltliche Betreuung der Homepage zuständig?

 

6. In welcher Höhe liegen die Kosten für die Homepage (gegliedert nach Technik, Inhalt, Bewerbung, Personal für weitere Betreuung)?

 

7. Sind für den laufenden Betrieb der Homepage auch Kosten in den kommenden Jahren eingeplant?

 

8. Wenn ja, in welcher Höhe? Wofür?

 

9. Hat es vor der Präsentation der Homepage am 30.3.2010 eine inhaltliche Abnahme seitens des Ministeriums gegeben?

 

10. Wenn ja, von wem?

 

11. Wenn nein, warum nicht?

 

12. Inwieweit waren Organisationen, die mit der Thematik „Alleinerziehende“ betraut sind, bei der Homepage-Entwicklung eingebunden?

 

13. Welche Benachteiligungen haben Alleinerziehende aus ihrer Sicht in Österreich in Kauf zu nehmen?

 

14. Wie stehen sie zu den zitierten Inhalten dieser Homepage?

 

15. Was wollen sie Alleinerziehenden mitteilen, indem sie auf die Startseite ein junges verliebtes Paar abbilden?

 

16. Worin besteht der Alleinerzieher-Vorteil in Österreich? Welche Vorteile haben Alleinerziehende in Österreich gegenüber einem Elternpaar?

 

17. Denken Sie, dass die Hohe Armutsgefährdung von Alleinerziehenden an deren Familienform liegt oder, wie ihrer Homepage zu entnehmen ist, auf andere Gründe zurückzuführen ist?

 

18. Wie lauten die aktuellen Regelbedarfssätze für die Unterhaltsberechung? Warum wurden auf einer neuen Homepage über Monate Regelbedarfssätze aus dem Jahr 2007 angeführt?

 

19. In welcher Höhe liegt die aktuelle Höchstgrenze des Unterhaltsvorschusses? Stimmt diese mit den Angaben der Homepage überein?

 

20. Was empfindet ihrer Meinung nach ein alleinerziehender Elternteil, der an der Armutsgrenze lebt und sich auf ihrer Homepage Tipps holen möchte, wenn dieser liest: „Achten Sie auf das, was Ihr Kind für seine Entwicklung und die Entfaltung seiner Möglichkeiten braucht, aber vermeiden Sie materielles Verwöhnen“ oder den Buchtipp „Wenn Kinder immer alles haben wollen. Weniger ist mehrfindet?

21. Welche weiteren Maßnahmen für Alleinerziehende plant das BMWFJ in dieser Legislaturperiode?

 

22. Warum hat das BMWFJ anstelle der Neuerstellung dieser Homepage nicht eine Aktualisierung des Wegweisers für Alleinerziehende unterstützt?