5616/J XXIV. GP

Eingelangt am 07.06.2010
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Gabriele Tamandl

und Kollegen

an den Bundeskanzler

betreffend Menschenrechte - sexueller Missbrauch in Kinderheimen der Stadt Wien

In den letzten Wochen sind eine Reihe von Medienberichten erschienen, die eine zum Teil
jahrelange und systematische Praxis des Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen
insbesondere im Zusammenhang mit Gewalt und gewerbsmäßigen sexuellen Handlungen
sowie mit der Verwendung als Drogenkuriere und für Kinderarbeit aufgedeckt haben.

Einzelne Fälle waren seit den 90er Jahren auch Gegenstand gerichtlicher Strafverfahren,
wobei Frau Pinterits zum Teil die Prozessbegleitung für die Opfer wahrgenommen hat. Den
Medienberichten zufolge sind diese Verfahren insbesondere deshalb im Sande verlaufen, weil
die Zeugenaussagen der Opfer im Prozess nicht präzise genug waren. Später übernahm Frau
Pinterits die Funktion als Kinder- und Jugendanwältin der Stadt Wien.

Während die Justiz lediglich die strafrechtlichen Aspekte untersucht, ist bisher unklar, ob
diese schwersten Menschenrechtsverletzungen, die offenkundig durch lange Zeit in den
Kinderheimen der Stadt Wien stattgefunden haben, untersucht wurden. In solchen Fällen
sehen die einschlägigen internationalen Konventionen auf dem Gebiet der Menschenrechte
zumindest eine wirksame und unabhängige Untersuchung der vermuteten
Menschenrechtsverletzung sowie eine angemessene Entschädigung zu. Besonderes
Augenmerk ist darüber hinaus auf die Prävention zu richten.

In diesem Zusammenhang stellen die unterzeichneten Abgeordneten an den Bundeskanzler
folgende

Anfrage:

1.  Sind Ihnen die Medienberichte über die Vorfälle in den Kinderheimen der Stadt Wien
bekannt, wenn ja, seit wann?

2.                  Haben Sie persönlich und/oder das Bundeskanzleramt bereits vor diesen Berichten
irgendeine Kenntnis von diesen Vorfallen gehabt, wenn ja, wann haben Sie welche
Kenntnisse erlangt?

3.                  Handelt es sich bei diesen Vorfällen um Menschenrechtsverletzungen?

4.                  Was haben Sie unternommen, als Sie davon erfuhren?

5.                  Haben Sie in diesem Zusammenhang Gespräche mit den Verantwortlichen der Stadt
Wien geführt, wenn nein, warum nicht?

6.                  Wenn ja, wann und mit wem haben diese Gespräche stattgefunden?

7.                  Was waren der Inhalt und die Ergebnisse dieser Gespräche?

8.                  Sind Gesetzesänderungen zur Sicherung der Menschenrechte in den Kinderheimen der
Stadt Wien erforderlich, wenn ja welche?

9.                  Welche unabhängigen Untersuchungen der Vorfälle im Sinne der internationalen
Menschenrechtsstandards haben - abgesehen von strafrechtlichen Untersuchungen -
stattgefunden?

10.           Was genau war das Ergebnis dieser Untersuchungen?

11.           Wurden die Opfer in irgendeiner Weise entschädigt, wenn ja wie, wenn nein, warum
nicht?

12.           Wurden die Menschenrechtsverletzungen wenigsten anerkannt oder eine
Entschuldigung ausgesprochen, wenn ja, wann und von wem, wenn nein, warum
nicht?

13.           Gibt es einen wirksamen Mechanismus zur Prävention von sexuellem Missbrauch in
Kinderheimen der Stadt Wien, wenn ja, welchen, wenn nein, warum nicht?

14.           Was bedeutet es aus menschenrechtlicher Sicht, dass die Vorfälle in den
Kinderheimen der Stadt Wien offenbar jahrzehntelang weitgehend vertuscht wurden?