5631/J XXIV. GP

Eingelangt am 07.06.2010
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Dorothea Schittenhelm

an den Bundesminister für Gesundheit

betreffend Anreicherung von Mehl mit Folsäure und Vitamin B12 zur Vermeidung

von Neuralrohrdefekten"

50-70 Babys werden in Österreich jedes Jahr mit Spina bifida geboren. Spina bifida, besser bekannt als offener Rücken", ist eine Fehlbildung, bei der die Wirbelsäule eines Neugeborenen nicht vollständig geschlossen ist und das Rückenmark freiliegt. Diese Fehlbildung hat zur Folge, dass betroffene Kinder ein Leben lang unter einer Lähmung der Beine bzw. Störungen in der Steuerung der Blasen- und Darmfunktion leiden.

Medizinisch unbestrittener Grund für diese Fehlbildung ist ein Folsäuremangel (Vitamin B9) der werdenden Mutter in den ersten Schwangerschaftswochen, noch bevor eine Schwangerschaft festgestellt werden kann. Besonders vor und während der Schwangerschaft wäre daher eine ausreichende Folsäureversorgung der werdenden Mutter von größter Wichtigkeit für die Gesundheit des ungeborenen Kindes.

Die Fehlbildungen können durch zusätzliche Aufnahme von Folsäure massiv reduziert werden. Es gibt derzeit 52 Länder weltweit mit einer verpflichtenden Anreicherung von Folsäure in Lebensmittel.

In den USA und Kanada wird die Folsäureanreicherung in Mehl bereits seit Jahren praktiziert. Dabei wurde festgestellt, dass durch die Anreicherung die Anzahl der Neugeborenen die an Spinabifida leiden um bis zu 50% reduziert wird. Die Folsäureanreicherung hat insbesondere auch auf ältere Menschen positive Auswirkungen was das Auftreten von Schlaganfällen, Herzinfarkten und Thrombosefälle betrifft. In den USA konnte durch die Anreicherung nachweislich die Anzahl der Schlaganfälle reduziert werden. Gleichzeitig konnten keine negativen Nebenwirkungen festgestellt werden. Seit Herbst 2009 existiert auch in Australien eine verpflichtende Anreicherung.

In Österreich gehen Experten von einer Reduktion der Spina bifida Fälle von 50-70% aus, wenn die Folsäureanreicherung in Mehl eingeführt würde.

Kurz vor den Nationalratswahlen 2006 wurde das "Bundesgesetz über die Anreicherung von Mehl mit Folsäure und Vitamin B12 (Folsäuregesetz)" vom damaligen Gesundheitsminister in Begutachtung geschickt. 17 von 18 abgegeben Stellungnahme im Begutachtungsverfahren begrüßten den Gesetzesentwurf oder lauten zumindest auf "kein Einwand".

Im Jahr 2007 wurde ein von ÖVP/SPÖ Entschließungsantrag (277/A(E)) betreffend ein "Bundesgesetz über die Anreicherung von Mehl mit Folsäure und Vitamin B12 - (Mehlanreicherungsgesetz)" eingebracht.

Im aktuellen Regierungsprogramm 2008- 2013 ist zum Thema folgendes festgeschrieben:

 

"...Studien zu Anreicherung von Mehl mit Folsäure und Vit. B12 werden weitergeführt und allenfalls notwendige Maßnahmen zur Umsetzung der Studienergebnisse ergriffen."

Ende 2008 wurde der Projektbericht "Gesund Essen von Anfang an", welcher unter anderem auch vom Gesundheitsministerium in Auftrag gegeben wurden, publik. Wie in vielen Berichten und Publikationen zuvor und auch danach wurde auf den Folsäuremangel und deren beschriebene Auswirkungen mehrmals hingewiesen. Weiters kam man im "Punkt 2.7 Supplemente in der Schwangerschaft" zu folgenden, wenig überraschenden Ergebnis:

"Eine internationale Kohortenstudie (13 Mio. Geburten, 13 Gebiete in Europa und Israel zeigt, dass Folsäure-Empfehlungen die Inzidenz von Neuralrohrdefekten nicht nachweislich senken konnte. Die Studiengruppe gab daher als Strategie zur Bekämpfung von Neuralrohrdefekten eine Lebensmittelanreicherung mit Folsäure an. (vgl. Projektbericht "Richtig Essen von Anfang an", Seite 34/35)

Deshalb stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Gesundheit nachstehende

Anfrage

1.) Wie viele Fälle von Neuralrohrdefekten bei Neugeborenen sind in den letzten 5 Jahren in Österreich aufgetreten?

2.) Wie hoch ist die Anzahl jener Frauen die einen Schwangerschaftsabbruch aufgrund einer diagnostizierten Behinderung des ungeborenen Kindes durchführen lassen? Welche Rolle nimmt ein vermutetet Neuralrohrdefekt des ungeboren Kindes bei Schwangerschaftsabbrüchen ein?

3.) Welche Maßnahmen wurden seitens des Gesundheitsministers bis jetzt gesetzt um dem Aufgetreten von Neuralrohrdefekten bei Neugeborenen entgegenzuwirken?

4.) Wie ist der Erfolg, der durch das Gesundheitsministerium gesetzten Maßnahmen einzuschätzen?

5.) Können gesundheitliche Bedenken betreffend einer etwaigen

Folsäureüberversorgung im menschlichen Körper wissenschaftlich bestätigt werden. Wenn ja, wie bzw. wodurch?


6.) Viele Studien bestätigen die Sinnhaftigkeit einer gezielten, verpflichtenden

Anreicherung von Mehl mit Folsäure und Vitamin B12, welche auch in dutzenden Staaten der Welt erfolgreich praktiziert wird.

Wann wird diesen Tatsachen entsprochen und dem österreichischen Parlament ein Gesetzesentwurf betreffend die "Anreicherung von Mehl mit Folsäure und Vitamin B12" zugeleitet?