5684/J XXIV. GP
Eingelangt am 10.06.2010
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Mag. Johann Maier
und GenossInnen
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend „Europäischer Haftbefehl und Übergabeverfahren - Anwendung durch die
Mitgliedstaaten bzw. Österreich im Jahr 2009“
Mit
der AB 1693/XXIV.GP vom 15.06.2009 wurden die Fragen des Fragestellers Abg. zum
NR
Mag.
Maier und GenossInnen zur Anfrage „Europäischer Haftbefehl –
Übergabeverfahren –
Anwendung
durch Mitgliedsstaaten bzw. Österreich“ beantwortet (Für 2008
fehlten noch einige
Zahlen).
Dieser Europäische Haftbefehl hat sich
nach den mit der Anfragebeantwortung übermittelten
Zahlen (Ausstellung, Verhaftung, Übergabe etc.) in Österreich
bewährt. Der
Auslieferungsverkehr zwischen den
Mitgliedsstaaten wurde erheblich verbessert. Einige Defizite
wurden auch bekanntgegeben.
Bedauerlicherweise
ist danach eine Änderung
der Statistik auf EU-Ebene nicht beabsichtigt, die
Kritik an fehlenden Daten (Anfrage 1677/J XXIV.GP) muss daher aufrecht erhalten
werden.
Die Evaluierung des Europäischen Haftbefehls im Rahmen der vierten
gegenseitigen
Evaluierungsrunde hätte nämlich
keinen Bedarf für eine geänderte Statistik festgestellt. Neue und
erweiterte statistische Anforderungen müssten aus Sicht des
Ressorts von allen Mitgliedsstaaten
angenommen und können nur langfristig
umgesetzt werden.
Dies führt zu nachfolgenden Schlußfolgerungen der Fragesteller:
• Es gibt nur
die EU-genormte Jahresstatistik. Interessante justizpolitischen Auswirkungen
und
Probleme auf
nationaler Ebene sowie in den Mitgliedsstaaten können daher nicht wirklich
analysiert und hinterfragt werden.
• Bedauerlicherweise gibt es noch
immer keine Zahlen, in wie vielen Fällen eine
Haftbefehlausstellung, Festnahme oder
Übergabe „zu Unrecht“ erfolgte. Und zu welchen
Konsequenzen dies für die betroffenen Personen führte.
•
Es fehlt
weiters ein System einer strafrechtlichen Entschädigung auf
europäischer Ebene.
Nach Auffassung des BMJ gelten jeweils
nationale Regelungen (Anmerkung: Wenn es diese
Entschädigung in anderen Mitgliedsstaaten überhaupt gibt).
Sehr kritische Stimmen zum europäischen
Haftbefehl gibt es allerdings in anderen
Mitgliedsstaaten, so insbesondere auch in England („Der
große Auslieferungspfusch“).
„Letztes
Jahr berichtete der Guardian, dass das englische
Gerichtssystem nach Beschluss des
Verfahrens einer rapide ansteigenden Zahl an Auslieferungsanfragen von
Polen gerecht werden
musste. Bei
vielen von ihnen ging es um so belanglose Gründe wie dem Diebstahl eines
Nachtisches. Ein anderes Beispiel liefert
ein Zimmermann, der die Kleiderschranktür seines nicht
zahlenden Kunden kurzerhand wieder ausbaute. Noch lustiger (für
alle außer den direkt
Betroffenen, versteht sich) war ein Antrag
aus Litauen zu einem Fall von Ferkel-Diebstahl.
Die neuen Daten,
bei denen das Jahr 2008 mit eingeschlossen ist, lassen erkennen, dass Polen
weiterhin das Stibitzen von Pudding als
grundlegende Bedrohung für die Zivilisation betrachtet.
Von beinahe 12.000 Haftbefehlen, die von EU-Staaten ausgingen, die ihre
Statistiken freigegeben
haben (Großbritannien gehörte nicht dazu), belegten die
Polen mit einem weiten Vorsprung von
4.829 den
ersten Platz. Allerdings wurden nur 617 der von Polen gesuchten
Tatverdächtigen
tatsächlich ausgeliefert“.................... (Presse
europ 7.August 2009)
Aus
systematischen Gründen werden nun ähnliche Fragen wieder
gestellt, um die aktuellen
Informationen und Zahlen für die Jahre 2008 und 2009 zu erhalten.
Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Justiz nachstehende
Anfrage:
1. Welche
konkreten Erfahrungen mit dem Europäischen Haftbefehl und dem
Übergabeverfahren liegen dem
Justizressort aktuell vor?
In bzw. mit welchen
EU-Mitgliedsstaaten ergaben sich im Jahr 2009 Probleme?
Wie sieht das Ressort die zit.
Kritik in anderen Mitgliedsstaaten?
2. Werden
seitens der Europäischen Union bzw. des Justizressorts
noch immer Defizite bei der
Umsetzung des Europäischen Haftbefehls bei anderen Mitgliedsstaaten
gesehen?
Wenn ja, welche Defizite bei welchen Staaten?
3. Zu welchen Schlussfolgerungen kam der
Abschlußbericht
über die 4.Runde der
gegenseitigen Begutachtung hinsichtlich der
praktischen Anwendung des Europäischen
Haftbefehls?
Welche Empfehlungen wurden ausgesprochen?
4.
Wie viele
Haftbefehle wurden auf Rechtsgrundlage des Rahmenbeschlusses über den
Europäischen Haftbefehl durch
„Ausstellungsstaaten“ in der EU in den Jahren 2008 und
2009 ausgestellt (Aufschlüsselung auf Jahre und Ausstellungsstaaten)?
5.
Wie viele ÖsterreicherInnen waren von
einem europäischen Haftbefehl dieser
Ausstellungsstaaten im Jahr 2009 betroffen
(Aufschlüsselung der Anzahl der gesuchten
ÖsterreicherInnen auf Ausstellungsstaaten und Vollstreckungsstaaten)?
6. Wegen welcher Delikte wurden diese Haftbefehle gegen ÖsterreicherInnen ausgestellt?
7.
Wie viele Personen wurden nach einem Haftbefehl auf Grundlage des
Rahmenbeschlusses
über
den Europäischen Haftbefehl durch Vollstreckungsstaaten im Jahr 2009
festgenommen
(Aufschlüsselung auf Ausstellungsstaaten und Vollstreckungsstaaten)?
8.
Wie viele ÖsterreicherInnen waren im
Jahr 2009 von einer Festnahme in
Vollstreckungsstaaten betroffen
(Aufschlüsselung der Anzahl der ÖsterreicherInnen auf
Vollstreckungsstaaten)?
9.
Wie viele Personen wurden nach einem Haftbefehl auf Grundlage des
Rahmenbeschlusses
über
den Europäischen Haftbefehl in Österreich (Vollstreckungsstaat) im
Jahr 2009
festgenommen (Aufschlüsselung auf Ausstellungsstaaten und
Nationalität der
festgenommenen
Personen)?
10.
Wie viele Personen wurden im Jahr 2009 nach
einem Haftbefehl auf Grundlage des
Rahmenbeschlusses über
den Europäischen Haftbefehl von Österreich (Vollstreckungsstaat)
dem jeweiligen
Ausstellungsstaat im Jahr 2009 übergeben (Aufschlüsselung auf
Ausstellungsstaaten und Nationalität der festgenommenen und
übergebenen Personen)?
11.
Wie viele ÖsterreicherInnen, die mit der Übergabe bzw.
Auslieferung einverstanden waren,
befanden sich im Jahr
2009 darunter?
12.
Wie viele Haftbefehle wurden auf Rechtsgrundlage des Rahmenbeschlusses über
den
Europäischen Haftbefehl im Jahr 2009 in Österreich ausgestellt
(Aufschlüsselung auf
Nationalität der
gesuchten Personen)?
13.
Wegen welcher Delikte wurden diese Haftbefehle im Jahr 2009 ausgestellt
(Aufschlüsselung
der Delikte auf Nationalität der gesuchten Personen)?
14.
Wie viele dieser Haftbefehle wurden vollstreckt und die gesuchten
Personen Österreich
übergeben (Aufschlüsselung auf Vollstreckungsstaaten)?
15.
Wann findet die nächste gegenseitige Evaluierung über
„die praktische Anwendung des
Europäischen
Haftbefehls und der entsprechenden Übergabeverfahren“ zwischen den
Mitgliedsstaaten statt?
Welche
Schlussfolgerungen wurden nach der letzten Evaluierung durch das Ressort
gezogen?
16.
Was ist Inhalt
des Leitfadens zum europäischen Haftbefehl, den die Schwedische
Ratspräsidentschaft vorgelegt hat, um
eine einheitliche Anwendung sicherzustellen?
17.
Wie viele Verfahren zur Anwendung des Europäischen
Haftbefehls liegen beim EuGH?
Welche Rechtsfragen sollen dabei geklärt werden?
18.
Werden Sie im
Rahmen der Umsetzung des Stockholm-Programms dafür eintreten, dass der
vorliegende einheitliche Fragebogen der EU-Kommission ergänzt wird, damit
eine
umfassende Jahresstatistik erstellt werden
kann?