5823/J XXIV. GP

Eingelangt am 18.06.2010
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Grünewald, Schwentner, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Gesundheit

 

betreffend HIV/Aids in Österreich

 

Seit dem Ausbruch der HIV/Aids-Pandemie haben sich weltweit ca. 60 Millionen Menschen mit dem Virus infiziert, im Jahr 2008 lebten nach Angaben von UNAIDS 33,4 Millionen die Hälfte von ihnen Frauen, mit der Infektion bzw. Krankheit. Pro Jahr stecken sich fast 3 Millionen Menschen neu an, v. a. Jugendlich bzw. junge Erwachsene sind davon betroffen. Trotz einiger Erfolge beim Zugang zur Behandlung kommen immer noch fünf neu infizierte auf zwei behandelte Personen.

Besonders stark betroffen sind die Länder südlich der Sahara, in denen HIV/Aids schwere Auswirkungen nach sich zieht und die ohnehin oft schwachen Gesundheits- und Sozialsysteme an den Rand des Zusammenbruchs bringt.

 

In Österreich sind seit dem Auftreten des ersten bekannten Falles im Jahr 1983 2.782 Personen an Aids erkrankt, davon sind in der Zwischenzeit 1.516 verstorben. Offiziell sind 9000 Menschen in Österreich HIV-infiziert, manche rechnen mit einer Dunkelziffer von bis zu 15.000 betroffenen Personen, etwa die Hälfte davon lebt in Wien.

Täglich infiziert sich in Österreich eine Person mit dem HI-Virus. Im Jahr 2009 wurden 507 Diagnosen gestellt, die Zahl ist wieder im Steigen.

Die Ergebnisse einer aktuellen Studie von GfK HealthCare Austria, bei der 1000 Personen ab 15 Jahren zu Ihrem Wissen über HIV/Aids befragt wurden, sind erschreckend: Es herrscht ein enormes Wissensdefizit zu HIV und Aids. Zehn Prozent der Befragten halten demnach "ausreichende Körperpflege" für einen probaten Schutz.

Außerdem wird bei etwa einem Viertel der Betroffenen laut österreichischer HIV-Kohortenstudie 2010 die HIV-Infektion erst in einem Stadium erkannt, in dem sie das Virus schon mehrere Jahre im Blut haben, die Infektion oft schon weit fortgeschritten oder die Erkrankung bereits ausgebrochen ist. Es mangelt also nicht nur am Gesundheitsbewusstsein, es fehlt auch an Wissen über HIV und Aids. Nicht zu übersehen ist, dass leider auch von medizinischer Seite Symptome gelegentlich nicht oder zu spät erkannt werden.

 

Benachteiligung, Diskriminierung und Stigmatisierung von HIV-positiven und aidskranken Menschen – Stichwort „Soziales Aids“ - ist leider auch in Österreich ein großes Thema, was auch zur Tabuisierung beiträgt. Es ist notwendig, nicht weiter die Augen zu verschließen, entsprechende Präventionsstrategien, Aufklärungskampagnen sind zu starten, und ein Kampf gegen Diskriminierung muss endlich begonnen werden.

 

Im Vorfeld des 18. Internationalen Aids Kongresses (AIDS 2010) im Juli in Wien, der unter dem Motto „Rights Here, Rights Now“ steht, ist Österreich als Gastgeberland bereits jetzt im Zentrum der Öffentlichkeit. Um dieser Rolle gerecht werden zu können, und auch, um die Funktion als sogenannte „Brücke zwischen West und Ost“ zu erfüllen, besteht in einigen Bereichen mehrfach dringender Handlungsbedarf.

So ist dieser internationale Aids Kongress angesichts der weltweit dramatischen Situation und der jüngsten Entwicklungen in den Nachbarländern eine besondere Gelegenheit, ein Zeichen zu setzen und – auch im Sinne des Schutzes der österreichischen Bevölkerung - zur internationalen Bekämpfung von HIV/Aids beizutragen. Österreich hat als einziges EU-15 Land bisher nur eine einmalige – und im Vergleich sehr niedrige - Zahlung über 1 Million Euro an den „Global Fund to fight Aids, Tuberculosis and Malaria“ (GFTAM) getätigt. Seit 2004 hat das Gesundheitsministerium keine freiwilligen Beiträge zur internationalen Aidsbekämpfung mehr geleistet.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

  1. Wie erklären Sie sich die enormen Wissenslücken der ÖsterreicherInnen über HIV/Aids? Was werden Sie dagegen unternehmen? Wird es eine bundesweite Aufklärungskampagne mit dem Fokus auf besseres Risikobewusstsein, Kampf gegen Stigmatisierung/Diskriminierung/Soziales Aids, frühzeitiges Erkennen einer Erkrankung/Ansteckung geben? Wenn ja, bis wann? Wenn nein, warum nicht?

 

  1. Zur Aufklärung der Gesamtbevölkerung ist auch eine „besondere“ Aufklärung von Betroffenengruppen, AsylwerberInnen, etc., als eigentliche Prävention sinnvoll und notwendig. Wie erfolgte diese Aufklärung bisher? Wie soll sie in Zukunft erfolgen? Wird auf den kulturelle Kontext der AsylwerberInnen Rücksicht genommen, wenn eine Beratung hinsichtlich der Übertragung von HIV und  Maßnahmen zu deren Vermeidung erfolgt?

 

  1. Zur Reduktion von Diskriminierung ist es auch wichtig, verschiedenste Gruppen aktiv einzubinden. Gibt es ein Konzept einer Prävention für und mit HIV-positiven Personen? Wenn ja, wer wie viele HIV-positive Personen werden in einem solchen Konzept betreut?

 

  1. Welche spezifischen HIV/Aids Projekte werden durch das Gesundheitsressort Österreichweit unterstützt? Wer/welche Organisationen erhält/erhalten Zuwendungen und wie hoch fallen diese pro Jahr jeweils aus? Wie haben sich diese Projektbudgets seit 2005 jährlich verändert?

 

  1. Planen Sie, in diesem Sinne einen eigenen HIV/Aids Fonds für Österreich einzurichten, damit auch in Zukunft Aktivitäten unterstützt werden können?

 

  1. Wie begründen Sie den beschämend geringen Beitrag Österreichs zur internationalen Aidsbekämpfung, insbesondere, was die nur einmalig erfolgte Zahlung an den GFTAM betrifft? Wäre es im Sinne der globalen Verantwortung Österreichs, wie auch im Sinne der internationalen Aufmerksamkeit durch die Aids-Konferenz, nicht auch notwendig, umgehend einen angemessenen Beitrag an diesen Fonds zu leisten? Wenn ja, wie hoch wird dieser Beitrag sein? Wenn nein, warum nicht?

 

  1. Die „Neue Grippe“ oder Influenza A(H1N1) war dem Gesundheitsministerium einen großen medialen und finanziellen Aufwand wert. Wie viel Geld wurde seit dem Bekanntwerden des neuen Virustyps im April 2009 für Information, Vorsorgemaßnahmen (Impfstoffe, etc.) ausgegeben? Wie viel Geld wird in eine Aufklärungskampagne HIV/Aids investiert werden?

 

  1. Das BMG unterstützt die österreichischen Aidshilfen mit 2,5 Millionen Euro. Wird dieser Betrag aufgestockt werden? Wenn ja, wie hoch? Wenn nein, warum nicht? Was sind Ihrer Ansicht bzw. Ihres Wissens nach die Aufgaben der Aidshilfen? Wie ist das Verhältnis von Betreuung zu Prävention?

 

  1. Sind Sie der Ansicht, dass es hauptsächlich Aufgabe des Bundes ist, die Betreuung zu finanzieren? Ist dies nicht auch eine Aufgabe der Länder? Wie sehen diesbezüglich das jeweilige Verhältnis vom Bund zu den einzelnen Ländern aus? Gleicht das Gesundheitsressort aus, wenn ein einzelnes Bundesland „zu wenig“ bezahlt?

 

  1.  Laut der Anfragebeantwortung 4201/AB XXIV. GP wird der UNGASS - Bericht dieses Jahr zeitgerecht fertig gestellt werden. Wann können wir mit der Veröffentlichung dieses Berichts rechnen?

 

  1.  Pro Jahr werden in Österreich ca. eine Million HIV-Antikörpertests durchgeführt, davon ca. die Hälfte im SpenderInnenwesen. Bei welchen Gelegenheiten bzw. an welchen Institutionen werden die Tests, die nicht routinemäßig beim Blutspenden gemacht werden, durchgeführt? Handelt es sich dabei um freiwillige Tests? Bitte um eine Auflistung.

 

  1.  Die hohe Zahl an "spät"- diagnostizierten Personen ist ein großes Problem in Europa. Wie planen Sie, dieses in Österreich zu bekämpfen? Gibt es europaweite Projekte, an denen Österreich teil nimmt? Gibt es Initiativen, die einen HIV-Test bei einer Indikatorerkrankung nahelegen? Wird ein HIV-Test als freiwilliger Routine-Test in die Gesundenuntersuchung aufgenommen werden? Wenn ja, bis wann? Wenn nein, warum nicht?

 

  1.  Wird bei Personen mit Risikoverhalten, die noch frei von Symptomen sind, der Test von den Krankenkassen bezahlt?

 

  1.  Es gibt nur ein einziges Aidshilfehaus in Wien. In ländlichen Bereichen fehlen solche Einrichtungen, wohl aufgrund der damit verbundenen Stigmatisierung. Daher bedarf es hier anderer Maßnahmen, vor allem aber einer fachgerechten Begleitung nach der Diagnose. Wann wird eine flächendeckende Integration von SozialarbeiterInnen und klinischen PsychologInnen in den bestehenden HIV-Ambulanzen umgesetzt sein? Gibt es diesbezügliche Konzepte gemeinsam mit den Bundesländern?

 

  1.  Wie viele HIV-Ambulanzen bzw. Schwerpunktpraxen gibt es Österreichweit? Wie viele davon in den einzelnen Bundesländern?

 

  1.  Welche Möglichkeiten eines Aids-Tests bzw. einer Aidsbehandlung gibt es für sog. SexarbeiterInnen? Werden diese Möglichkeiten von NGOs oder öffentlichen Stellen angeboten? Wird an diesen Stellen Beratung über Infektionsmöglichkeiten, Schwangerschaft, Selbstwertsteigernde Maßnahmen, etc., in unterschiedlichen Sprachen geboten?

 

  1.  Es ist bekannt, dass bestimmte Krankheiten sich bei Frauen anders als bei Männern äußern. Auf viele Medikamente sprechen Frauen anders an, was neben massiveren Nebenwirkungen auch fatale Folgen haben kann. Dies liegt u. a. daran, dass lange Zeit Medikamente primär an Männern getestet wurden und ist ein Grund dafür, dass Frauen die HIV/Aids -Therapie abbrechen. Wie viele Menschen haben die Therapie in den Jahren 2000 – 2010 abgebrochen? Wie viele davon sind Frauen?

 

  1.  Laut aktuellen Berichten sind 80 Prozent der Menschen, die wegen HIV und Aids in medizinischer Betreuung stehen, österreichischer Nationalität. Wie viele ÖsterreicherInnen waren, aufgegliedert auf die Jahre 2000 -2010, wegen einer HIV Infektion bzw. akuten Aidserkrankung in Österreich in Behandlung? Auflistung bitte getrennt nach Geschlecht und Bundesländern, Angaben bitte in Prozentsätzen und absoluten Zahlen.

 

  1.  Wie viele NichtösterreicherInnen waren, aufgegliedert auf die Jahre 2000 -2010, wegen HIV Infektion bzw. einer Aidserkrankung in Österreich in Behandlung? Wie viele davon waren AsylwerberInnen? Auflistung bitte getrennt nach Geschlecht und Bundesländern, Angaben bitte in Prozentsätzen und absoluten Zahlen.

 

  1.  Um wie viele Monate bzw. Jahre verkürzt sich durchschnittlich die Lebenserwartung eines/r HIV-Infizierten bzw. Aidserkrankten, wenn seine/ihre Behandlung abgebrochen wird? In welchem Stadium ist der Abbruch einer akuten Aidsbehandlung jedenfalls lebensbedrohlich?

 

  1.  Wie viele a) ÖsterreicherInnen, b) NichtösterreicherInnen, c) AsylwerberInnen, aufgegliedert auf die Jahre 2000-2010, unterzogen sich einem Aids-Test? Welche Institutionen bzw. Organisationen führen diese Aids-Tests durch? Sind diese Tests anonym? Auflistung bitte getrennt nach Geschlecht und Bundesländern.

 

  1.  Wie sieht eine HIV oder Aidsbehandlung in Österreich standardmäßig aus, wenn sich ein/e PatientIn in Grundversorgung befindet?
    Wie sieht eine HIV oder Aidsbehandlung in Österreich standardmäßig aus, wenn sich ein/e PatientIn sich nicht mehr in Grundversorgung befindet?
    Gibt es alternative Angebote für Menschen, die nicht in Grundversorgung oder krankenversichert sind, sich testen und behandeln zu lassen?