5988/J XXIV. GP

Eingelangt am 07.07.2010
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten. Mag. Dr. Graf, Vock

und weiterer Abgeordneter

 

an die Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung

 

betreffend Alternativen zu Tierversuchen in Österreich

 

 

 

Nach europäischem Recht ist vorgeschrieben, dass bei Tierversuchen nur für Versuchszwecke gezüchtete Tiere eingesetzt werden dürfen und lediglich in begründeten Ausnahmefällen davon abgewichen werden darf.

 

Mit der 1986 erfolgten Verabschiedung der Richtlinie 86/609/EWG hat sich die Europäische Gemeinschaft klar zur Zielsetzung der Reduktion von Tierversuchen und der Förderung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zu Tierversuchen bekannt. Konsequenterweise wird seit 1994 im Rahmen eines europäischen Schwerpunktforschungszentrums mit dem Titel "ECVAM - Europäisches Zentrum zur Validierung alternativer Methoden (European Centre for the Validation of Alternative Methods)" die europäische Forschung in diesem Bereich koordiniert. Es ist der Wille der Europäischen Union, dass in jedem Mitgliedsstaat ein nationales Referenzzentrum entstehen soll. ZET (Zentrum für Ersatz- und Ergänzungsmethoden zu Tierversuchen) ist das Referenzzentrum für Österreich. Beide Einrichtungen betreiben Internet-Datenbanken zu tierversuchsfreien Testmethoden.

 

Im Jahr 2005 wurden in Österreich 167.312 Tiere in Tierversuchen getötet, darunter 128.634 Mäuse, 11.920 Ratten, 18.439 Kaninchen, 3.149 Meerschweinchen, 1.199 Fische, 85 Hunde, 12 Katzen und 56 Affen.

 

Nur der Eingriff an lebenden Tieren wird in Österreich als Tierversuch bezeichnet. Der Eingriff muss vorher von den zuständigen Behörden genehmigt werden. Der Tierversuchsleiter bekommt für diesen einen Tierversuch auch eine Genehmigung der Behörden. Die Tierversuchseinrichtungen werden regelmäßig unangekündigt kontrolliert. Ein „Nicht-Bestehen“ dieser Kontrolle oder ein Verstoß gegen die Gesetzeslage wird mit sofortigem Außerkraftsetzen der Genehmigung und mit einem Strafverfahren geahndet. In Österreich sind Tierversuche für Kosmetika gesetzlich verboten.


Die Verwendungszwecke der 12,1 Mio. in Europa im Jahr 2005 verwendeten Tiere teilte sich wie folgt auf:

·        mehr als 60% für Forschung auf den Gebieten Humanmedizin, Tiermedizin, Zahnmedizin und Biologie,

·        8 % toxikologische Versuche und andere Sicherheitsbeurteilungen.

·        78 % waren Nagetiere und Kaninchen,

·        15 % Kaltblüter und

·        5 % Vögel

(research eu, Sonderausgabe 10/2008, S.35)

 

 

Die meisten Tierversuche werden im Bereich der Grundlagenforschung durchgeführt und diese ist weder wirtschafts- noch anwendungsorientiert.

 

Laut Angaben des deutschen Verbandes forschender Arzneimittelhersteller (VFA) entfallen 86 % der im pharmazeutischen Bereich durchgeführten Tierversuche auf die Überprüfung von Arzneimitteln auf ihre Unbedenklichkeit, Qualität und Wirksamkeit.

 

Knapp 14 % der Tierversuche entfielen 2005 auf den Bereich der Produktherstellung und Qualitätskontrolle.

 

Die überwiegende Mehrheit der rund 43.000 Bürger aus 25 Ländern, die sich an einer EU-Umfrage 2006 beteiligten, sprach sich für mehr Tierschutz aus. So meinten über 90 % der Teilnehmer, dass die EU sowie die Regierung im eigenen Land für deutlich mehr Tierschutz im Bereich Tierversuche sorgen sollten, insbesondere für Affen, Hunde und Katzen. Die überwiegende Mehrheit der Befragten sprach sich selbst für einen verbesserten Schutz von Mäusen (87%), Hummern (83%) und Fruchtfliegen (60 %) aus. 40 % der Befragten hingegen hielten Tierversuche für den Zweck der Therapie- und Medikamenten-Entwicklung für akzeptabel. Gleichzeitig führten 85 % der Befragten an, dass Tierschutzorganisationen die Hauptquelle für Informationen über Tierversuche seien. Nahezu alle Teilnehmer wünschten sich mehr Transparenz und Mitspracherecht hinsichtlich der Frage, wann und wie ein Tierversuch durchgeführt werden darf. Den medizinischen Fortschritt oder die Konkurrenzfähigkeit von Europa sahen rund Dreiviertel der Befragten durch Tierschutzbestimmungen keineswegs gefährdet. Ebenso viele Menschen drangen auf eine stärkere Förderung der Entwicklung und Anerkennung von tierversuchsfreien Methoden.

 

Im Sinne der „3 R“ (Reduction, Refinement and Replacement, dt. „Reduzierung, Verbesserung und Ersatz“) wird heute intensiv an Methoden zum Ersatz von Tierversuchen geforscht, wobei in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte erzielt werden konnten. Heutzutage steht eine Vielzahl sogenannter In-vitro-Verfahren zur Verfügung. Manche Arzneimittel können heute in silico, also am Computer, entwickelt und an menschlichen Zell- und Gewebekulturen, die z. B. aus Operationen zur Verfügung stehen, getestet werden. Die hautreizenden Eigenschaften von Chemikalien und kosmetischen Stoffen können an künstlicher Haut getestet werden.

 

Der Britischer Verband für die Abschaffung der Vivisektion (British Union for the Abolition of Vivisection) (BUAV) gibt ein international verbreitetes Kennzeichen für tierversuchsfreie (englisch cruelty free) Produkte heraus.

Zur Zeit sind in der behördlichen Genehmigungskommission für Tierversuche in Österreich keine Vertreter des Tierschutzes vertreten.

 

Anhand der momentan in Österreich veröffentlichten Statistiken über den Einsatz von Tieren kann nicht genau gesagt werden, wie viele Tiere für welchen Forschungsbereich verwendet werden. Auch kann nicht gesagt werden, wie stark belastend die jeweiligen Tierversuche sind. Es ist somit nicht möglich festzustellen, wofür staatliche Forschungsförderungsgelder am besten eingesetzt werden sollten, um eine effektive Reduzierung der Versuchstierzahlen bzw. zumindest der Belastungen der Versuchstiere zu erreichen Derzeit kann auch niemand sagen, wie viele gentechnisch manipulierten Tiere in österreichischen Labors zum Einsatz kommen.

 

Zwar sind Tierversuche in einem österreichischen Bundesgesetz geregelt, dennoch haben wir es mit einer massiven Zersplitterung der Kompetenzen im Bereich der Tierversuche zu tun. Verschiedene Bundesministerien sind dafür ebenso zuständig wie die einzelnen Bundesländer für z.B. Tierversuche, die von Unternehmen durchgeführt werden. Dieser Kompetenzwirrwarr führt unter anderem dazu, dass niemand sagen kann, welche Tierversuche von einem anderen Bundesministerium oder Bundesland genehmigt oder vielleicht sogar abgelehnt wurden, es erschwert die Kontrolle.

 

Es sollte jeder Tierversuchsantragsteller vor dem Versuch bekanntgeben, welchen Belastungen die Tiere ausgesetzt sein werden. Nur so kann tatsächlich eine Güterabwägung vorgenommen werden, ob der Nutzen für die Gesellschaft bzw. andere Tiere einen geplanten Versuch rechtfertigen. Es ist auch die einzige effektive Möglichkeit, von behördlicher Seite Maßnahmen zur Senkung der Belastung des Tieres dem Antragsteller vorzuschreiben.

 

Die deutsche Bundesregierung hat allein für 2010 einen Betrag von 6 Mio. Euro für die Entwicklung von Alternativen zum Tierversuch reserviert. Eine vergleichbare Initiative in Österreich gibt es unseres Wissens nicht

 

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung nachstehende

 

Anfrage

 

1.    Welchen Betrag hat Österreich für die Entwicklung von Alternativen zu Tierversuchen reserviert bzw. weshalb sind dafür keine Mittel vorgesehen?

 

2.    Welche staatlichen Förderungen und Staatspreise für Entwicklungen von Alternativen zum Tierversuch wurden jährlich, mit welchen Dotierungen, seit 2007 ausgeschrieben, gefördert und finanziert?

 

3.    Besteht in Österreich eine Kennzeichnung für tierversuchsfreie Produkte?

a)    Wenn ja, in welche Form?

b)    Wenn nein, warum nicht?

 

4.    Welche Maßnahmen gedenken Sie in absehbarer Zeit zur Einführung von paritätisch besetzten Genehmigungskommissionen für Tierversuche zu setzen bzw. weshalb sind Sie der Ansicht, dass keine Maßnahmen notwendig sind?

 

5.    Welche Maßnahmen gedenken Sie in absehbarer Zeit zur Verbesserung der statistischen Erfassung von Tierversuchen bzw. Versuchstieren zu treffen bzw. weshalb sind Sie der Ansicht, dass keine diesbezüglichen Maßnahmen notwendig sind?

 

6.    Sind Sie für die statistische separate Erfassung nach Anzahl und Art von gentechnisch veränderten Tieren?

a)    Wenn ja, in welcher Form soll dies erfolgen?

b)    Wenn nein, warum nicht?

 

7.    Werden Sie sich für die Schaffung einer Zentralstelle für Tierversuchsangelegenheiten einsetzen?

a)    Wenn ja, wann, wo und in welcher Form soll eine solche Zentralstelle geschaffen werden?

b)    Wenn nein, warum nicht?

 

8.    Sind Sie für die Einführung von Belastungskriterien beim Genehmigungsantrag zu Tierversuchen?

a)    Wenn ja, in welcher Form?

b)    Wenn nein, warum nicht?

 

9.    Werden Sie sich vermehrt zur Umsetzung eines Verbotes von Tierversuchen für Kosmetika in der EU einsetzen?

a)    Wenn ja, wie?

b)    Wenn nein, warum nicht?