6434/J XXIV. GP

Eingelangt am 23.09.2010
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ANFRAGE

 

 

des Abgeordneten Pilz, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Justiz

 

betreffend Zahlung der Österreichischen Lotterien GmbH an die Orange Werbeagentur

 

 

Wie bereits bekannt ist und in den Medien ausführlich berichtet wurde, ist derzeit ein Verfahren bei der StA Wien anhängig, in welchem Geldflüsse rund um das Lobbying des Novomatic Konzerns zum Zweck einer Aufweichung des Glücksspielmonopols im Jahr 2006 untersucht werden. Der frühere FPÖ Politiker, enge Vertraute des damaligen Finanzministers Karl-Heinz Grasser und Lobbyist Walter Meischberger erhielt von 2005 bis 2008 nach eigener Aussage von Novomatic beträchtliche Geldsummen für Lobbying rund um die Vergabe von Internetglücksspiellizenzen. Grasser ließ am 5.7.2006 überfallsartig im Finanzausschuss des Nationalrates einen Abänderungsantrag zum Glücksspielgesetz einbringen, welcher genau derartige Änderungen vorsah. Das Vorhaben scheiterte jedoch und wurde vom Gesetzgeber nicht aufgegriffen.

 

Nunmehr wurde aus weiteren Recherchen bekannt, dass die Interventionen in der Linie Novomatic – Meischberger – Grasser im Frühjahr 2006 auch dem Mitbewerber Casinos Austria / Österreichische Lotterien nicht verborgen blieben. Es kam daraufhin im Frühjahr (wahrscheinlich: April) 2006 zu einem Treffen zwischen dem damaligen Generaldirektor der Casinos Austria, Leo Wallner, mit dem damaligen BZÖ-Chef Jörg Haider. In diesem Zusammenhang wurde mündlich vereinbart, dass über die Erstellung eines Gutachtens eine Zahlung von Euro 300.000 in den Einflussbereich des BZÖ erfolgen solle.

 

Dementsprechend verrechnete am 24.7.2006 die im Eigentum des BZÖ stehende Orange Werbeagentur GmbH, FN 264337 an die Österreichische Lotterien GmbH einen Betrag von Euro 300.000 für „Beratungen im Bereich des Responsible Gaming April bis Juli 2006“ mittels folgender Rechnung:


 

Die Orange Werbeagentur GmbH ihrerseits lieferte an die Österreichische Lotterien GmbH folgendes „Gutachten“:

 

 

 

 

 

 

 

Angesichts dieser kurzen und sehr allgemein gehaltenen Ausführungen ohne erkennbare Faktengrundlage, welche den auf den Glücksspielbetrieb seit langen Jahren spezialisierten Casinos Austria / Österreichische Lotterien wohl keine neuen Erkenntnisse liefern konnten, scheint der verrechnete Betrag von Euro 300.000 exorbitant hoch, und sind zumindest starke Zweifel am Gegenwert des Gutachtens angebracht.

 

 

Aus dem auf der Rechnung ersichtlichen Vermerk „3.10.06 FRW“ dürfte erkennbar sein, dass der Betrag im Oktober 2006, also nach dem Scheitern der Novomatic Intervention, bezahlt wurde.

 

Der damalige Generaldirektor der Casinos Austria, Leo Wallner, leugnete bisher, mit dem Vorgang etwas zu tun gehabt zu haben. Dies ist insofern bemerkenswert, als eine der auf der Rechnung befindlichen Unterschriften die des damaligen Casino-Generaldirektors Leo Wallner ist.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

  1. Ist den zuständigen Strafverfolgungsbehörden der oben beschriebene Vorgang bekannt?
  2. Ist diesbezüglich bereits ein Verfahren anhängig?
  3. Falls nein: wird diesbezüglich ein Verfahren eingeleitet werden?
  4. Die Vergabe von „Berateraufträgen“ gegen hohe Honorare bei kaum nachvollziehbarer Gegenleistung ist ein derzeit häufig auftretendes Muster. Werden derartige Malversationen zum Schutz der Gesellschafter durch das Delikt der Untreue nach § 153 StGB ausreichend erfasst, oder sehen Sie diesbezüglichen Änderungsbedarf im Strafrecht?
  5. Sollte sich der Verdacht bestätigen, dass neben dem neunseitigen „Gutachten“ auch noch weitere Gegenleistungen mit der vereinbarten Zahlung verknüpft waren, wie etwa ein im Sinne der Casinos liegendes Abstimmungsverhalten von Abgeordneten oder BundesministerInnen: welche Strafdelikte kämen diesbezüglich in Betracht?
  6. Falls dafür eine Strafbestimmung nicht besteht (nach damaliger wie auch heutiger Rechtslage): welchen Änderungsbedarf sehen Sie, um endlich auch politische Korruption im Sinne der Leistung von Zahlungen zur Beeinflussung der Gesetzgebung strafbar zu machen?