6490/J XXIV. GP

Eingelangt am 29.09.2010
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ANFRAGE

 

 

des Abgeordneten Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Justiz

 

betreffend rechtlich nicht gedeckter Beschuldigteneinvernahmen von „profil“- und „news“-Journalisten nach deutschem Rechtshilfeansuchen

 

Das Magazin „profil“ berichtet in seiner Ausgabe KW 39 2010  „Wie die Staatsanwaltschaft profil-Journalisten rechtswidrig als Beschuldigte einvernehmen ließ“ unter anderem folgendes:

 

„Die Staatsanwaltschaft München ermittelt gegen zwei profil-Journalisten, weil sie aus Gerichtsakten zitiert haben. Das ist in Deutschland verboten, in Österreich aber nicht. Die Wiener Justiz leistete dennoch willfährig Rechtshilfe und ordnete rechtswidrige polizeiliche Ein vernahmen an. Das Protokoll eines Justizskandals.

 

Vor bald einem Jahr war die Klagenfurter Hypo Alpe-Adria International Bank AG infolge mutmaßlich krimineller Handlungen früherer Manager an den Rand des Ruins geschlittert und musste von der Republik Österreich aufgefangen werden. Der Skandal beschäftigt mittlerweile die Justizbehörden mehrerer Staaten, darunter Österreich, Deutschland und Kroatien. profil hat den Vorgängen in und um die frühere Kärntner Landesbank seit Ende 2009 annähernd 100 Artikel gewidmet und dabei auch mehrfach aus Aktenbeständen der ermittelnden Staatsanwaltschaften Klagenfurt und München zitiert.

Das ist in Österreich völlig legal – sofern der Beschaffung der Unterlagen keine Anstiftung zum Amtsmissbrauch oder zum Bruch des Amtsgeheimnisses vorangegangen ist.

In Deutschland dagegen steht das wörtliche Zitieren aus Ermittlungsakten unter Strafe. In Paragraf 353d des Deutschen Strafgesetzbuches heißt es wörtlich: „Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer … die Anklageschrift oder andere amtliche Schriftstücke eines Strafverfahrens, eines Bußgeldverfahrens oder eines Disziplinarverfahrens, ganz oder in wesentlichen Teilen, im Wortlaut öffentlich mitteilt, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist.“



Und genau dieser deutsche Paragraf, der in Österreich keinerlei Geltung hat, sorgt hierzulande für kafkaeske Verwicklungen. Am 27. Juli dieses Jahres leitete die für den Hypo-Komplex zuständige Staatsanwaltschaft München I ein Ermittlungsverfahren gegen die beiden Journalisten dieses Magazins ein. Die – juristisch ohnehin reichlich wackelige – Begründung: profil sei nicht nur über das Internet, sondern vielmehr auch über Abonnements und den Einzelhandel in Deutschland zu beziehen und falle folglich auch unter den deutschen Rechtsbestand (parallel dazu wurden auch Ermittlungen gegen Kurt Kuch, Chefreporter des Magazins „News“, in Zusammenhang mit dessen Hypo-Berichterstattung eingeleitet). Konkret stießen sich die Münchner Staatsanwälte an zwei profil-Berichten aus der letzten Juniwoche beziehungsweise der ersten Juliwoche 2010. Die Artikel hatten das bei Hausdurchsuchungen beschlagnahmte „Tagebuch“ des früheren Hypo-Investors und -Vorstandschefs Tilo Berlin zum Inhalt, welches profil kurz zuvor zugespielt worden war. Bei diesen von profil ausführlich zitierten Notizen handelt es sich laut deutscher Justiz um „Beweismittel“ in den laufenden Ermittlungen gegen Herrn Berlin.

(…) Sehr viel fragwürdiger erscheint aber die liebedienerische Reaktion der Staatsanwaltschaft Wien. Am 2. August langte ein Antrag der deutschen Justiz bei Staatsanwältin Heike-Karin Heckl ein – mit dem dringenden Ersuchen, die profil-Autoren im Wege der Rechtshilfe als „Beschuldigte“ einzuvernehmen. Die Wiener Juristin ließ nichts anbrennen. Nur drei Wochen später, am 22. August, lag der Akt mit der Zahl 313HSt 197/10y auf dem Schreibtisch eines Chefinspektors des Landeskriminalamts Wien – wo die „Beschuldigten“ am 15. beziehungsweise am 22. September einvernommen wurden.

Die Einvernahmen. Im Rahmen der polizeilichen Befragungen mussten die profil-Redakteure unter anderem Fragen nach ihrem Einkommen, ihren Vermögensverhältnissen und allfälligen finanziellen Verpflichtungen beantworten. Zum eigentlichen Sachverhalt freilich bekam das Landeskriminalamt keine Auskunft – die Geladenen verweigerten die Aussage. (…)

Mittlerweile steht fest: Der Antrag aus Bayern hätte so nie gebilligt werden dürfen. Konsequenterweise hätten die Redakteure auch niemals als „Beschuldigte“ einvernommen werden dürfen. „Das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz regelt unmissverständlich, dass Rechtshilfe bei in Österreich nicht strafbaren Handlungen unzulässig ist“, so profil-Anwalt Hubert Simon. Oder wie es die Sprecherin der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Ilse-Maria Vrabl-Sanda, Ende vergangener Woche formulierte: „Die Einvernahmen erfolgten ohne rechtliche Deckung.“

Das fiel der Justiz allerdings erst ein, nachdem profil bei Staatsanwaltschaft und Justizministerium protestiert hatte – wenn auch nur mit zunächst überschaubarem ­Erfolg. Die Staatsanwaltschaft wollte sich erst einmal gar nicht dazu äußern, da es sich bei den betroffenen Journalisten ja in erster Linie um „Beschuldigte“ handelte. Und vor solchen müsse sich die Behörde grundsätzlich nicht rechtfertigen, wie ein Vertreter am Telefon mitteilte. Dem Kabinett von Frau Bandion-Ortner wiederum war der Fall bis Mittwoch vergangener Woche gänzlich unbekannt, die Ministerin weilte zu diesem Zeitpunkt auf Dienstreise in Berlin.


Die Weisung. Donnerstagvormittag schließlich machte profil online die Vorgänge öffentlich. Und erst danach kam Bewegung in die Sache. Am Nachmittag ereilte die Redaktion der Anruf von Christian Pilnacek, Leitender Staatsanwalt im Justizministerium. Er sprach erstmals von einem „Fehler, der nicht passieren hätte dürfen, der nun aber saniert wird“. Am Abend des gleichen Tages schließlich die Einladung der Ministerin für den darauf folgenden Freitag.

Der vorläufige Letztstand: Die Justiz hat die Rechtshilfe auf Weisung von Bandion-Ortner „gestoppt“. Soll heißen: Die Staatsanwaltschaft München I wird nun hinterher um ergänzende Angaben zum Rechtshilfeantrag gebeten. Sollten die Deutschen keine zusätzlichen Verdachtsmomente gegen die profil-Autoren geltend machen – also etwa die auch in Österreich strafbare Anstiftung zum Amtsmissbrauch –, dann werden die bereits angefertigten polizeilichen Einvernahmeprotokolle „vernichtet“. Ob das tatsächlich geschieht, bleibt abzuwarten. profil-Anwalt Hubert Simon hat vorsorglich einen Antrag auf Akteneinsicht eingebracht. (…)“


 

 

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

  1. Wann ist das Rechtshilfeansuchen der Bundesrepublik Deutschland betreffend der Journalisten Ulla Schmid, Michael Nikbakhsh und Kurt Kuch bei der österreichischen Justiz eingegangen?
  2. Welche Stellen waren innerhalb der österreichischen Justiz mit dem Rechtshilfeansuchen befasst?
  3. War das Bundesministerium für Justiz zu irgendeinem Zeitpunkt mit dem Rechtshilfeansuchen befasst?
  4. Wenn ja, wann?
  5. Waren ihnen als Bundesministerin für Justiz in ihrer Funktion als Behördenspitze der Staatsanwaltschaft die geplanten Einvernahmen bekannt?
  6. Waren Mitgliedern ihres Kabinetts die geplanten Einvernahmen bekannt?
  7. Unterliegt die Beschuldigteneinvernahme der Berichtspflicht an das Bundesministerium für Justiz nach dem Staatsanwaltschaftsgesetz?
  8. Wenn nein, warum nicht?
  9. Wenn ja, wurde die geplante Beschuldigteneinvernahme an das Bundesministerium für Justiz berichtet?
  10. Wenn nein, warum nicht?
  11. Auf welcher Rechtsgrundlage wurde dem Rechtshilfeansuchen durch die Beschuldigteneinvernahme von Ulla Schmid, Michael Nikbakhsh und Kurt Kuch entsprochen?
  12. Wenn das Delikt nach österreichischem Strafrecht nicht strafbar ist und somit das Gegenseitigkeitsprinzip durchbrochen ist, warum wurden dann gemäß dem Rechtshilfeansuchen Beschuldigteneinvernahmen durchgeführt?
  13. Werden die Protokolle der Beschuldigteneinvernahme nunmehr im Wege der Rechtshilfe an die deutschen Strafbehörden weitergeleitet?

  1. Wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage?
  2. Wenn nein, warum nicht?
  3. Wie erklären sie den Fehler der rechtlich nicht gedeckten Beschuldigteneinvernahme?
  4. Wer trägt für den Fehler der rechtlich nicht gedeckten Beschuldigteneinvernahme die Verantwortung?
  5. Welche Konsequenzen werden aus der rechtlich nicht gedeckten Beschuldigteneinvernahme gezogen?
  6. Welche Verantwortlichkeit für allfällige Fehler im Zusammenhang mit dem Rechtshilfeansuchen trifft die Bundesministerin für Justiz als Behördenspitze der Staatsanwaltschaft?
  7. Planen sie in Österreich die Einführung ähnlicher Strafparagraphen, die Veröffentlichungen aus Strafverfahren strafrechtlich sanktionieren und Journalisten kriminalisieren?