6578/J XXIV. GP

Eingelangt am 07.10.2010
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Windbüchler-Souschill, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für Inneres

 

betreffend Bettelverbote in den Ländern

 

Seit Juni 2010 gilt in Wien gem. § 2 Landes-Sicherheitsgesetz ein weitgehendes Bettelverbot. Danach wird bestraft, wer an einem öffentlichen Ort

a) in aufdringlicher oder aggressiver oder gewerbsmäßiger Weise oder als Beteiligter an einer organisierten Gruppe um Geld oder geldwerte Sachen bettelt, oder

b) eine unmündige minderjährige Person zum Betteln, in welcher Form auch immer, veranlasst oder diese bei der Bettelei mitführt.

 

Bisher ist unklar, in welchem Ausmaß „organisierte“ Bettelei tatsächlich existiert. Zu befürchten ist auch, dass diese Gesetzgebung Opfer mafioser Strukturen zu Tätern macht. Andererseits berichten Betroffene, dass insbesondere die Bestrafung „gewerbsmäßiger“ Bettelei in der Praxis sehr problematisch ist. Gewerbsmäßigkeit kann in den allermeisten Fällen des Bettelns angenommen werden, etwa wenn in höchster sozialer Not im Betteln der letzte Weg zur Erzielung eines geringen Einkommens erblickt wird. Damit bringt die Gesetzesbestimmung tatsächlich ein beinahe vollständiges Bettelverbot.

Nach Abs 2 der oben genannten Bestimmung können mit verbotener Bettelei erworbene Gelder bzw. Sachen für verfallen erklärt werden. Daraus resultiert häufig  eine zusätzliche finanzielle Belastung für die bedürftigen, auf Bettelei angewiesenen Personen, da der Nachweis, welche Geldmittel aus Bettelei stammen und welche nicht, für sie meist unmöglich ist. 

 

Trotz dieser virulenten Probleme soll nunmehr auch in Niederösterreich durch den Landesgesetzgeber eine mit der Wiener Regelung wortidente Strafbestimmung eingeführt werden.

 

Bettelei ist eine Auswirkung von Armut, welche in allen Bundesländern, auch in Wien und Niederösterreich, vorhanden ist. Es gilt diese Armut zu bekämpfen, nicht die unter ihr leidenden Menschen. Behoben werden sollen die Ursachen, nicht die Auswirkungen. Die Lösung kann nicht darin liegen die Ärmsten der Armen von der Straße mittels Bettelverbot zu vertreiben.

 


Nach dem Wiener Landes-Sicherheitsgesetz werden die Verwaltungsstrafverfahren gem. § 2 durch die Bundespolizeidirektion Wien geführt, und fallen somit in den Verantwortungsbereich des Innenministeriums.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

1)    Wie wird in der Praxis durch die Bundespolizeidirektion Wien in Vollziehung        des § 2 Wiener Landes-Sicherheitsgesetz das Tatbestandselement des „aufdringlichen“ Bettelns definiert und angewendet?

2)    Wie viele Verstöße gegen das Verbot „aufdringlichen“ Bettelns gem. § 2        Wiener Landes-Sicherheitsgesetz wurden seit Einführung der Bestimmung festgestellt (insgesamt und monatliche Aufschlüsselung)?

3)    Wie viele Strafen wegen Verletzung des Verbots „aufdringlichen“ Bettelns         gem. § 2 Wiener Landes-Sicherheitsgesetz wurden seit Einführung der Bestimmung verhängt (insgesamt und monatliche Aufschlüsselung)?

4)    Wie wird in der Praxis durch die Bundespolizeidirektion Wien in Vollziehung        des § 2 Wiener Landes-Sicherheitsgesetz das Tatbestandselement des „aggressiven“ Bettelns definiert und angewendet?

5)    Wie viele Verstöße gegen das Verbot „aggressiven“ Bettelns gem. § 2 Wiener Landes-Sicherheitsgesetz wurden seit Einführung der Bestimmung festgestellt (insgesamt und monatliche Aufschlüsselung)?

6)    Wie viele Strafen wegen Verletzung des Verbots „aggressiven“ Bettelns gem.         § 2 Wiener Landes-Sicherheitsgesetz wurden seit Einführung der Bestimmung verhängt (insgesamt und monatliche Aufschlüsselung)?

7)    Wie wird in der Praxis durch die Bundespolizeidirektion Wien in Vollziehung        des § 2 Wiener Landes-Sicherheitsgesetz das Tatbestandselement des „gewerbsmäßigen“ Bettelns definiert und angewendet?

8)    Wie viele Verstöße gegen das Verbot „gewerbsmäßigen“ Bettelns gem. § 2   Wiener Landes-Sicherheitsgesetz wurden seit Einführung der Bestimmung festgestellt (insgesamt und monatliche Aufschlüsselung)?

9)    Wie viele Strafen wegen Verletzung des Verbots „gewerbsmäßigen“ Bettelns    gem. § 2 Wiener Landes-Sicherheitsgesetz wurden seit Einführung der Bestimmung verhängt (insgesamt und monatliche Aufschlüsselung)?

10) Wie wird in der Praxis durch die Bundespolizeidirektion Wien in Vollziehung        des § 2 Wiener Landes-Sicherheitsgesetz das Tatbestandselement des       Bettelns „als Beteiligter einer organisierten Gruppe“ definiert und          angewendet?

11) Wie viele Verstöße gegen das Verbot des Bettelns „als Beteiligter einer organisierten Gruppe“ gem. § 2 Wiener Landes-Sicherheitsgesetz wurden seit Einführung der Bestimmung festgestellt (insgesamt und monatliche Aufschlüsselung)?

12) Wie viele Strafen wegen Verletzung des Verbots des Bettelns „als Beteiligter    einer organisierten Gruppe“ gem. § 2 Wiener Landes-Sicherheitsgesetz        wurden seit Einführung der Bestimmung verhängt (insgesamt und monatliche Aufschlüsselung)?

13) Von welchen Personengruppen wird vorwiegend organisierte Bettelei       betrieben?

14) Wie viele Verstöße gegen das Verbot des Bettelns mit bzw. durch unmündige Minderjährige gem. § 2 Wiener Landes-Sicherheitsgesetz wurden seit      Einführung der Bestimmung festgestellt (insgesamt und monatliche Aufschlüsselung)?


15) Wie viele Strafen wegen Verletzung des Verbots des Bettelns mit bzw. durch unmündige Minderjährige  gem. § 2 Wiener Landes-Sicherheitsgesetz wurden    seit Einführung der Bestimmung verhängt (insgesamt und monatliche Aufschlüsselung)?

16) In wie vielen Fällen wurden seit Einführung der geltenden Bestimmung des § 2 Wiener Landes-Sicherheitsgesetzes gem. Abs 2 leg cit Geld oder geldwerte Sachen für verfallen erklärt (insgesamt und monatliche Aufschlüsselung)?

17) Auf welchen Gesamtwert belaufen sich diese für verfallen erklärten Sachen?

18) Bestehen in Ihrem Ressort Erkenntnisse über das Auftreten von Formen des organisierten Bettelns in Niederösterreich und auf welchen Wahrnehmungen basieren die entsprechenden Feststellungen?

19) Falls ja: wo treten Formen organisierten Bettelns in Niederösterreich auf?

20) Wie häufig wurde in der Vergangenheit organisiertes Betteln in        Niederösterreich beobachtet?

21) Hat es vor dem aktuellen Gesetzgebungsprozess in Niederösterreich einen diesbezüglichen Informationsaustausch zwischen Ihrem Ressort und den niederösterreichischen Landesorganen gegeben und wie hat sich dieser    gestaltet?

22) Welche konkreten sicherheitspolitischen oder andere, die öffentliche Ordnung betreffende Probleme ergeben sich durch organisierte Bettelei?

23) Wie oft wurden in den letzten 2 Jahren Anzeigen, die Straftatbestände wie Menschenhandel und Nötigung im Zusammenhang mit organisierter Bettelei betreffen, erstattet?

24) Wie viele Verfahren wurden in diesem Zusammenhang eröffnet?

25) Zu wie vielen Verurteilungen ist es dabei gekommen?

26) Wie stellt die Sicherheitsexekutive sicher, dass jene Menschen, die Opfer „mafioser“ Formen der organisierten Bettelei sind und von „Hintermännern“        zum Betteln gezwungen werden, nicht von Strafverfolgung bedroht werden?