6580/J XXIV. GP

Eingelangt am 08.10.2010
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Walser, Freundinnen und Freunde

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend mangelhaften Opferschutz in der Vorarlberger Testamentsaffäre

 

Im Zuge der Vorarlberger Testamentsaffäre wurde bekannt, dass viele Personen um ihr rechtmäßiges Erbe gebracht wurden, indem unter Mitwirkung von Beamten der Republik Österreich letztwillige Verfügungen gefälscht und Scheinerben eingesetzt wurden. Nach den Erhebungsergebnissen wurden seit mehreren Jahrzehnten beim BG Dornbirn letztwillige Verfügungen gefälscht.

Das Amtshaftungsgesetz lässt die Republik nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts für Schäden haften, die durch das rechtswidrige Verhalten ihrer Organe entstanden sind. Es bietet aber keine wirkliche Hilfe für die Geschädigten, da in der äußerst komplexen Causa die Frage zu klären ist, inwieweit die Organe in Vollziehung der Gesetze handelten und der Zusammenhang zwischen Missbrauch der Amtsgewalt und entstandenem Schaden nur sehr schwer nachweisbar ist.

Anstatt diese Missstände zu beseitigen, empfiehlt die Justizministerin den Geschädigten, vorerst ihre Schadenersatzforderungen hintanzuhalten und die Ergebnisse der in diesem Zusammenhang anhängigen Strafprozesse abzuwarten.

Im Gegenzug aber pocht die Republik schon jetzt auf ihren eigenen Opferstatus und versucht, sich selbst schadlos zu halten. So hat die Finanzprokuratur als Vertreterin des Staates bereits zahlreiche Schreiben verschickt, in denen sie Grundstücke bzw. Bargeld zurückfordert, die dem Staat durch die Testamentsaffäre entgangen sind. Ein solches Schreiben hat zum Beispiel die Caritas bekommen, weil sie in einem Fall vom Testamentsfälscher als Nebenerbin eingesetzt worden ist. In diesem Schreiben heißt es: „Von dieser Verpflichtung zur Herausgabe [Anm: des Nachlassvermögens] kann sich die Diözese der Caritas Feldkirch durch Zahlung des nachfolgend aufgegliederten Betrages binnen 30 Tagen an das Konto der Finanzprokuratur *** (VII/33.671 Heimfälligkeit BG Dornbirn), befreien.“

 Die Republik sieht sich somit durch das Handeln ihrer Organe selbst als Hauptgeschädigte und weigert sich gleichzeitig beharrlich, die geschädigten Privatpersonen zu entschädigen. Stattdessen wurde bislang bloß eine Anlauf- oder Informationsstelle für Opfer angekündigt. Selbst diese lässt aber bislang noch auf sich warten.

Rechtsanwalt Martin Mennel (Beschuldigtenvertreter) hält die Vorgehensweise des Staates für nicht akzeptabel. Er fordert, dass er sich zunächst um die geschädigten Privatpersonen kümmern sollte. Der Staat habe das Geld beschlagnahmt, nur der Staat könne hier agieren. Es gehe nicht, dass der Staat nicht die Interessen der Geschädigten wahre, sondern nur seine eigenen.

Mennel hat in diesem Zusammenhang eine Petition an das BMJ gerichtet, in der er eine zentrale unbürokratische Opferstelle sowie eine einstweilige staatliche Haftungsübernahme einfordert.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

1.    Sind Sie der Ansicht, dass in dieser Causa der Staat der Hauptgeschädigte ist?

2.    In welcher Höhe ist dem Staat durch Entgang des Heimfallsrechtes ein Schaden entstanden?

3.    In welcher Höhe ist den Geschädigten aufgrund der gefälschten letztwilligen Verfügungen ein Schaden entstanden?

4.    Wann ist konkret die Eröffnung der Anlaufstelle für Geschädigte der Testamentsaffäre geplant?

5.    Was wird deren Aufgabenbereich sein?

6.    Mit welchen Kompetenzen und Geldmitteln wird diese Anlaufstelle ausgestattet?

7.    Welche Leistungen wird sie anbieten?

8.    Wieviele Personen werden bei dieser Anlaufstelle beschäftigt sein?

9.    Hat das Justizministerium den Opfern empfohlen, mit der Klagserhebung zu warten, bis die Strafrechtsverfahren abgeschlossen sind?

10. Wenn ja, warum?

11. Hat die Finanzprokuratur Aufforderungsschreiben an eingeantwortete Erben im Zusammenhang mit der Testamentsaffäre verschickt?

12. Wenn ja, wieviele?

13. Wieviele Geschädigte machten bisher Amtsansprüche iSd § 8 AHG gegenüber der Republik Österreich geltend? Bei wie vielen Geschädigten wurde eine Haftung der Republik Österreich anerkannt?

14. Hat sich die Republik als Privatbeteiligte in Strafverfahren in Zusammenhang mit der Testamentscausa angeschlossen?

15. Ist es richtig, dass in der Testamentsaffäre Amtshaftungsansprüchen wenig Erfolg beschieden sind, da ein unmittelbarer innerer Zusammenhang zwischen der hoheitlichen Tätigkeit der betreffenden Gerichtspersonen und der vorgeworfenen Malversationen zumeist fehlt?

16. Wenn ja, finden Sie, dass das System des Amtshaftungsgesetzes einen hinreichenden Opferschutz für die Geschädigten der Testamentsaffäre bietet?

17. Sehen Sie nicht eine besondere Verantwortlichkeit der Republik Österreich aufgrund des Umstandes, dass diese Testamentsaffäre zumindest unter der Mitwirkung von Organen des BG Dornbirn unter Ausnützung ihrer Amtsstellung möglich war?

18. Sehen Sie eine politische Verantwortung als Justizministerin?

19. Wenn ja, in welcher Form wollen Sie diese wahrnehmen?

20. Sehen Sie gegenüber den Geschädigten der Justizaffäre keine Notwendigkeit der Entschuldigung im Namen der Republik Österreich?

21. Gem § 70 StPO sind die Opfer über ihre wesentlichen Rechte zu informieren, sobald ein Ermittlungsverfahren gegen einen bestimmten Beschuldigten geführt wird. Wurden alle Opfer iSd § 70 StPO informiert und in welchem Umfang?

22. An wie viele Opfer ergingen entsprechende Informationen?

23. Wann wurde Ihnen die Petition der Beschuldigtenvertreter überreicht?

24. Wurden die Forderungen der Petition aufgegriffen?

25. Wenn ja, inwiefern?

26. Wenn nein, warum nicht?

27. Wurde von Ihnen erhoben, welche Kosten der Republik Österreich entstehen würden, wenn ein Opferfonds gegründet, eine unbürokratische Entschädigung der geprellten Erben durchgeführt und sich der Staat in weiterer Folge am beschlagnahmten Vermögen und an den Beschuldigten schadlos hielt?

28. Wenn ja, mit welchen Kosten müsste gerechnet werden?

29. Würde eine unbürokratische Entschädigung der Opfer am Vorbild einer Klagsabtretung die Wahrscheinlichkeit einer großen Zahl von aufwändigen und teuren Zivilprozessen/Amtshaftungsverfahren nicht wesentlich minimieren?