6643/J XXIV. GP

Eingelangt am 19.10.2010
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Dr. Jarolim, Genossinnen und Genossen,

an die Bundesministerin für Justiz, Mag. Claudia Bandion-Ortner,

betreffend

Desinteresse der Justiz an der Suche nach den Bawag-Millionen???

Eine Reihe von Merkwürdigkeiten im Vorgehen der Justiz begleitet den Bawag-Prozess seit die ruinösen Spekulationsgeschäfte der Bank erstmals aufflogen. Die zentrale und bis dato unaufgeklärte Frage ist dabei, wo die Bawag-Millionen, die dem Spekulanten Wolfgang Flöttl anvertraut wurden, denn wirklich geblieben sind und wieso die Justiz am Verbleib des Bawag-Vermögens nur peripheren Aufklärungswillen zeigte. Flöttl, ein erfahrener Portfoliomanager, gab an das gesamte Geld verspekuliert zu haben. Die Justiz glaubte ihm auf jedenfalls naiv scheinende Weise, offenbar auch ohne nähere ernsthafte Untersuchungen auch nur anzustellen.

Dass das Vermögen jedoch tatsächlich zur Gänze verzockt wurde, daran zweifelt nicht nur der Hauptangeklagte Helmut Elsner. Auch das Nachrichtenmagazin "Profil" fragt in seiner Ausgabe vom 11.Oktober 2010 was der Investmentberater mit dem ihm zwischen 1995 und 2000 anvertrauten Geld wirklich angestellt hat und wirft Richtern und Staatsanwälten Untätigkeit hinsichtlich der Aufklärung dieser Angelegenheit vor. Zudem weist das Profil darauf hin, dass es damals wie heute genügend Hinweise "auf die merkwürdigen Geldtransfers zulasten der Bawag" gab, die von der Justiz "entweder ignoriert oder falsch interpretiert" wurden.

Es drängt sich der Verdacht auf, dass der Finanz-Jongleur Flöttl einen Teil des Bawag- Vermögens für sich selbst abgezweigt haben könnte und die Justiz entgegen ihrer Pflicht zur materiellen Wahrheitsfindung diesem Treiben nicht näher nachgegangen ist. Die unterzeichnenden Abgeordneten stellen daher folgende Anfrage:

1.      Welche Anstrengungen hat die Staatsanwaltschaft unternommen um den Verbleib des Bawag-Vermögens, welches Wolfgang Flöttl anvertraut wurde, festzustellen?

2.             Wie kann die Staatsanwaltschaft an die "Mittellosigkeit" von Wolfgang Flöttl glauben, obwohl, wie das Profil berichtet, sogar der Prüfbericht der OeNB aus dem Jahr 2007, der der Staatsanwaltschaft Wien im selben Jahr zuging, darauf hingewiesen hat, dass Flöttl Aktien der Technical Arbitrag Ltd im Wert von 5 Mio. USD mit Eigenmittel im Zeitpunkt seiner angeblichen Mittelosigkeit erwarb?

3.             Ist die Staatsanwaltschaft diesen Transaktionen nachgegangen?

 

       Wenn nein: Wie lässt sich das Untätigbleiben der Staatsanwaltschaft gegenüber einer so dichten Verdachtslage rechtfertigen?

       Wenn ja: Auf welche Weise und zu welchem Ergebnis kamen die Behörden?

 

4.             Woher stammen ihrer Auffassung nach die Eigenmittel von Flöttl für den Aktienkauf?

5.             Ging die Staatsanwaltschaft der Möglichkeit nach, dass die Eigenmittel zum Teil aus dem ihm anvertrauten Bawag-Vermögen stammten?

6.      Laut Profil bekam die Staatsanwaltschaft schon ein Jahr vor Beginn des Bawag- Prozesses eine Verdachtsmeldung der Polizei Bermuda mit der Meldung, dass Flöttl im Begriff sei, Vermögenswerte in der Höhe von etwa 21 Millionen Dollar aus Bermuda abzuziehen. Hat die Staatsanwaltschaft diesen Umstand im Prozess gegen Wolfgang Flöttl näher verfolgt?


 

       Wenn nein: Warum nicht?

       Wenn ja: In welchem Umfang wurde diese Meldung beachtet und zu welchem Ergebnis kamen die Behörden hinsichtlich der angeblichen Mittellosigkeit des Investmentberaters?

7.      Wurden die Konten von Wolfgang Flöttl jemals geöffnet? Wenn nein: Warum nicht?

8.             Wie Profil berichtet, verweist der Prüfbericht der OeNB aus dem Jahr 2007 auf die engen Geschäftsverbindungen zwischen Wolfgang Flöttl und der Meinl Bank. Die Bank soll Flöttl in der Zeit zwischen 1994 - 2006 Kredite in der Höhe von rund 34 Millionen Euro gewährt haben, die dieser wiederum fast ausnahmslos beglich - und das in Zeiten wo Flöttl nach eigenen Angaben bereits mittellos war. Hat die Staatsanwaltschaft die Verbindungen zwischen Flöttl und der Meinl Bank geprüft und untersucht, ob bei den Transaktionen auch Bawag-Vermögen involviert war?

 

       Wenn nein: Wie ließe sich ein Untätigigbleiben der Staatsanwaltschaft gegenüber derart verdächtigen Transaktionen rechtfertigen?

       Wenn ja: Auf welche Weise und zu welchem Ergebnis kamen die Behörden?

9.   Besonders auffällig gestaltete sich laut Profil die Transaktion im Frühjahr 2006, bei der die OeNB einen Merger Arbitrage Fund auf Bermuda entdeckte, der in "unmittelbarer Nähe von Dr. Flöttls Hauptfirma Ross Capital domiziliert“ war und dessen Fondsmanager eine Tochter der Meinl Bank war. Profil zitiert aus dem Bericht wie folgt: „Aus Depotauszügen geht hervor, dass im Durchschnitt 10 bis 11 Millionen USD in diesem Fonds investiert waren. Im März 2006 wurde nahezu der gesamte Wertpapierbestand verkauft und das Geld aus dem Fonds abgezogen, wobei auffällt, dass genau zu diesem Zeitpunkt die ,Karibikverluste‘ der Bawag bekannt geworden sind." Ist die Staatsanwaltschaft diesen Transaktionen nachgegangen?


       Wenn nein: Wie ließe sich das Untätigbleiben der Staatsanwaltschaft gegenüber einer so dichten Verdachtslage rechtfertigen?

       Wenn ja: Auf welche Weise und zu welchem Ergebnis kamen die Behörden?

10.  Entspricht es den Tatsachen, dass weder Staatsanwaltschaft noch Gericht jemals Einblick in die vollständige Buchhaltung von Wolfgang Flöttl erhielten, da diese laut Flöttl einem Computerdefekt zum Opfer fiel, wie das Profil berichtete?

       Wenn ja: Wieso wurden die Staatsanwalt angesichts der üblichen Praxis mehrere Kopien von wichtigen Buchhaltungsunterlagen anzufertigen, nicht misstrauisch? Wieso wurden keine zusätzlichen Ermittlungsmaßnahmen dahingehend eingeleitet?

       Wenn nein: Welchen Aufschluss gab die vollständige Buchhaltung von Herrn Flöttl über den Verbleib des Bawag-Geldes?

11. Entspricht es den Tatsachen, dass Wolfgang Flöttl die Jahresabschlüsse seiner damaligen Hauptgesellschaft Ross Capital Market nicht vorzeigen musste?

       Wenn ja: Wieso nicht?

       Wenn nein: Welchen Aufschluss gaben die Jahresabschlüsse über den Verbleib des Bawag-Geldes?

 

12.     Hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen über andere Firmen im Einflussbereich Flöttls vorgenommen oder ebenso unterlassen und aus welchen Beweggründen?

13. Wie lässt sich die kurze Ermittlungszeit von einem Jahr zwischen Prozessbeginn und dem Bekanntwerden der Bawag-Affäre angesichts der komplexen Materie und im Vergleich zu anderen Wirtschaftsverfahren rechtfertigen?


14.     Entspricht es den Tatsachen, dass die Sonderkommission Bawag noch vor Start der Hauptverhandlung die Weisung bekam, keine weiteren Ermittlungen über den Verbleib des Bawag-Geldes anzustellen, wie es Elsner-Anwalt Bernhauser im Wirtschaftsblatt vom 23.September 2010 behauptet? Wenn ja: Wieso wurde diese Weisung erteilt?

15.     Wieso beantragte die Staatsanwaltschaft angesichts der erörterten Darstellungen keine Ausdehnung der Anklage gegen Wolfgang Flöttl bzw. führt womöglich auch aktuell noch immer keinen weiteren Ermittlungen?