6683/J XXIV. GP

Eingelangt am 20.10.2010
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Anfrage

 

der Abgeordneten Vilimsky, Zanger

und weiterer Abgeordneter

 

an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend Gemeinwirtschaftliche Leistungen des Bundes im Personenverkehr – Bericht des Rechnungshofes III-172 dB, XXIV. GP

 

 

Die vom Bund zur Finanzierung des Schienen–Personenverkehr (Gemeinwirt-schaftliche Leistungen) eingesetzten Mittel haben sich im Zeitraum der letzten zehn Jahre um rd. 20% auf rd. 591 Mill. Euro im Jahr 2009 erhöht. Rund 92% der Abgeltungen flossen an die ÖBB–Personenverkehr AG; die restlichen 8% der Mittel flossen an 17 weitere (kleine) Bahnunternehmen (so genannte Privatbahnen).

 

Der RH überprüfte von Juli bis September 2009 die Gebarung des BMVIT hinsichtlich der Beauftragung von Gemeinwirtschaftlichen Leistungen im Personenverkehr. Ziel der Gebarungsüberprüfung war es, das System der Bestellung und Finanzierung von Gemeinwirtschaftlichen Leistungen hinsichtlich Transparenz, Kosten und Wirksamkeit zu beurteilen.

 

Als Ergebnis seiner Prüfung hat der Rechnungshof unter anderem festgestellt, dass

·        Die im Öffentlichen Personennah– und Regionalverkehrsgesetz (ÖPNRV–G) für die Bereitstellung öffentlichen Verkehrs vorgegebene Aufgabenabgrenzung zwischen Bund und Ländern erschwerte die Ausarbeitung eines dem aktuellen Bedarf entsprechenden Verkehrsangebots, welches die spezifischen Stärken von Bahn und Bus je nach Zweckmäßigkeit kombiniert.

·        ,,,die Abgeltung für die ÖBB–Personenverkehr AG in den letzten zehn Jahren (von 2000 bis 2009) um 19% erhöht wurde; die Steigerung bewirkte eine vollständige Inflationsabgeltung. Für die Privatbahnen betrug die Steigerung in diesem Zeitraum rd. 38% und entsprach somit mehr als dem Doppelten der Inflation. Die vertraglichen Verpflichtungen der Bahnen blieben in den Jahren 2000 bis 2009 weitgehend unverändert. 

·        Das BMVIT verfügte allerdings über kein Monitoring/Controlling des Gemeinwirtschaftlichen Leistungsangebots und über keine Wirkungsanalysen, so dass detaillierte Aussagen über die Entwicklung des Angebots und der Inanspruchnahme der bestellten Leistungen nicht möglich waren.

·        Die Gemeinwirtschaftlichen Leistungsverträge beinhalteten nur sehr allgemeine, über die letzten zehn Jahre weitgehend gleich gebliebene Leistungsanforderungen. Die Bestellung des Grundangebots Schiene definierte sich über einen einzigen Parameter – nämlich der Anzahl der gefahrenen Zugkilometer. Die Verträge enthielten keine Vorgaben hinsichtlich der zu befahrenden Strecken, der Zeiten und der Zugfrequenzen. Wichtige fahrgastrelevante Kriterien wie Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit (Zugausfälle) waren für die Höhe der Abgeltung irrelevant.

….

·        Das BMVIT unterzog die von den Bahnen vorgelegten Abrechnungen in der Regel keiner inhaltlichen Kontrolle und anerkannte Abrechnungen ohne Leistungsnachweise. Die verspätete Vorlage oder das Fehlen von Abrechnungen zog keine Konsequenzen in der weiteren Mittelanweisung nach sich.

·        Die Abrechnung der Tarifstützung (Ökobonus) bei der ÖBB–Personenverkehr AG erfolgte nicht auf Basis der verkauften Zeitkarten; damit ging der Zusammenhang zwischen der vertraglich vorgesehenen Leistung (Verkauf vergünstigter Zeitkarten) und dem Entgelt verloren. Im Ergebnis zahlte das BMVIT für ermäßigte Zeitkarten einen Betrag von jährlich rd. 347 Mill. EUR, ohne auch nur eine Schätzung über die Anzahl der der ÖBB–Personenverkehr AG zurechenbaren Zeitkarten zu haben.

·        Auch im November 2009 — somit wenige Wochen vor Inkrafttreten der EU–Verordnung über öffentliche Personenverkehrsdienste und mehr als sechs Jahre nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes — lagen noch keine neuen Vertragsentwürfe vor und es waren viele wesentliche Fragen zur EU–gerechten Neugestaltung der Gemeinwirtschaftlichen Leistungsverträge (zu beauftragende Leistungen, Abgeltungshöhe, Vertragsdauer und nachträgliche Anpassungsmöglichkeiten der Verträge) noch offen.

·         Die Frage, ob für einzelne Bahnstrecken mehrere potenzielle Anbieter vorhanden wären und damit eine Vergabe der Gemeinwirtschaftlichen Leistungen im Wettbewerb (Ausschreibungsverfahren) zweckmäßig wäre, wurde im BMVIT kaum diskutiert.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie folgende

 

ANFRAGE

 

 

1.    Wann und in welcher Form wird es zur vom Rechnungshof geforderten Konkretisierung der verkehrspolitischen Zielsetzungen des Bundes sowie zur Operationalisierung und Ausarbeitung von Erfolgsindikatoren kommen, mit denen die Zielerreichung messbar wird?

 

2.    Wann und in welcher Form wird es zu der vom Rechnungshof geforderten klaren Definition der Ziele und Aufgaben des Bundes im Bereich der Finanzierung des Personenverkehrs auf der Bahn (Grundangebot) kommen?

 

3.    Wann und in welcher Form wird es zu der vom Rechnungshof geforderten Prüfung kommen, welche Bahnstrecken - zumindest mittelfristig - für eine Vergabe im Wettbewerb in Frage kommen könnten?

4.    Wann und in welcher Form wird es zur vom Rechnungshof geforderten präzisen Definierung von in den Gemeinwirtschaftlichen Leistungsverträgen festgelegten Umfang und Qualität der zu erbringenden Leistung (insbesondere Bedienung konkreter Strecken, genaue Zeiten und Zugsfrequenzen fahrgast– und umweltrelevanten Qualitätsanforderungen), kommen?

 

5.    Wann und in welcher Form wird es zur vom Rechnungshof geforderten Sicherstellung (z.B. über Pönaleregelungen) in den Gemeinwirtschaftlichen Leistungsverträgen kommen, damit Abweichungen vom geforderten Leistungsumfang und den vereinbarten Qualitätsmerkmalen einen unmittelbaren Einfluss auf die Höhe der vom Bund geleisteten Abgeltung haben?

 

6.    Wann und in welcher Form wird es zum vom Rechnungshof geforderten Abschluss der gemeinwirtschaftlichen Leistungsverträge bereits vor Beginn der jeweiligen Leistungsperiode kommen?

 

7.    Wann und in welcher Form wird es zur vom Rechnungshof geforderten Klarstellung der Abgeltungs–Höchstsummen je Bahn in den gemeinwirtschaftlichen Leistungsverträgen, zur strikten Einhaltung der festgelegten Abgeltungs–Höchstsummen sowie zur Einholung der erforderlichen Zustimmungen des BMF kommen?

 

8.    Inwieweit wird es zu der vom Rechnungshof geforderten längerfristigen Laufzeit der neuen Gemeinwirtschaftlichen Leistungsverträge kommen?

 

9.    Wann und in welcher Form wird es zur Einführung des vom Rechnungshof geforderten Wirkungscontrolling mit aussagekräftigen Finanz– und Leistungsindikatoren kommen?

 

10. Wann und in welcher Form wird es - wie vom Rechnungshof gefordert - bereits in den Gemeinwirtschaftlichen Leistungsverträgen klare Verpflichtungen zur Meldung von (hinsichtlich Messung bzw. Erhebung) genau definierten Finanz– und Leistungsdaten zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit des Monitoring kommen?

 

11. Wann und in welcher Form wird es zu der vom Rechnungshof geforderten systematischen Prüfung der Endabrechnungen der Gemeinwirtschaftlichen Leistungsverträge sowie zur zwingenden Vorlage der vertraglich ausbedungenen Leistungsnachweise kommen?

 

12. Wann wird es entsprechend den Empfehlungen des Rechnungshofes zur Kürzung bzw. Einstellung von weiteren Zahlungen bei Leistungsmängeln bzw. Nicht–Vorlage von Nachweisen kommen?

 

13. Haben die aufgrund der Bahnliberalisierung künftigen „neue“ Anbieter von Bahnstrecken, wie beispielsweise die WESTbahn Management GmbH, bereits ein Ansuchen um Erhalt von Mitteln im Rahmen der Gemeinwirtschaftlichen Leistungen gestellt und wenn ja, wer, ab wann und in welcher Höhe?

 

14. Wenn ja, in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen wird es für diese Unternehmen grundsätzlich finanzielle Mitteln geben?