6977/J XXIV. GP

Eingelangt am 22.11.2010
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Dr.in Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundeskanzler

 

betreffend Widersprüche und offene Fragen rund um die Causa MÁV-Cargo

 

 

Vor bald drei Jahren kauften die ÖBB über die Rail Cargo Austria (RCA) die MÁV Cargo, Güterverkehrssparte der ungarischen Staatsbahn (inzwischen in RCA Hungária umbenannt). Ziel dessen war – wie bei den zuvor gescheiterten Bemühungen in der Slowakei – der Aufstieg in die Güterbahn-Europaliga und das Aufputzen der RCA für die seit der schwarzblauen ÖBB-Reform ventilierte und auch von SPÖ-Seite wiederholt nicht ausgeschlossene (Teil-)Privatisierung.

Der Kaufvertrag wurde am 2.1.2008 unterzeichnet und der Kauf schließlich nach der erfolgten EU-Wettbewerbsprüfung mit 2.12.2008 abgeschlossen; der Kaufpreis betrug stolze 407 Mio Euro, nachdem das Anbot in der letzten Runde verdoppelt (!) und der nächstliegende Bieter damit um angeblich 100 Mio Euro (!) überboten wurde.

Damit wurde nicht nur laut in „Format“ zitierten ÖBB-Kreisen mindestens 100 Mio Euro – der damalige ungarische Verkehrsminister hatte den Wert der MÀV Cargo gar nur auf ca. 240 Mio Euro geschätzt – zu viel bezahlt: Mit den zusätzlich zum Kaufpreis übernommenen Verbindlichkeiten und Investitionsverpflichtungen betragen die Gesamtkosten des MÁV-Deals sogar etwa 700-800 Mio Euro.

 

ÖBB-Chef Kern hielt mittlerweile öffentlich fest, dass zu teuer gekauft wurde, die Dinge nicht so wie geplant gelaufen sind, aber auch die eigenen Hausaufgaben nicht gemacht wurden, etwa beim Heben der dem Kauf samt Kaufpreis zugrundeliegenden potenziellen Synergien durch Zusammenführung der beiden Unternehmen, die statt unmittelbar nach dem Kauf erst jetzt, drei Jahre später, eingeleitet wurde.

Vom derzeitigen ÖBB-Buchwert der Ungarn-Beteiligung von 380 Mio Euro wird laut Kern ein offensichtlich nicht geringer Teil ergebnisrelevant abzuschreiben sein. Dies könnte den 2010er-Verlust der ÖBB-Gütersparte in existenzbedrohende Höhen von über 200 Mio Euro treiben, nachdem die RCA in den letzten drei Jahren ca. 650 Mio Eigenkapital eingebüßt und sich keineswegs nur infolge der Krise von der Cash-Cow zum ÖBB-Sorgenkind entwickelte.

Zugleich ist selbst damit immer noch nicht gesichert, ob die ÖBB die zugekaufte ungarische Güterbahn halten können, die allein 2010 33 Mio Euro Verlust beisteuern dürfte. ÖBB-Chef Kern dazu am 12.11.2010 in den „Salzburger Nachrichten“: „Könnte ich die Zeit zurückdrehen, dann hätten wir uns das Geschäft gern entgehen lassen. Die RC Hungária ist ein Sanierungsfall. Zuerst müssen wir das operative Geschäft sanieren, dann überlegen wir, ob wir einen Dritten brauchen.“

 

Zahlreiche ÖBB- und RCA-Spitzenmanager betrieben das Zustandekommen des teuren Geschäfts mit teilweise auffälligem Nachdruck, vernachlässigten dann aber scheinbar ihre „Hausaufgaben“. Sie sind ebenso wie der Präsident des ÖBB-Aufsichtsrats Horst Pöchhacker weiterhin als hohe Verantwortungsträger oder gutbezahlte Konsulenten bei der Bahn in Amt und Würden, obwohl sie offenbar Teile des Geschäfts an Teilen des RCA-Vorstands ebenso wie an Teilen des Aufsichtsrats vorbeischleusten.

Allerdings musste ÖBB-Chef Kern bereits öffentlich beklagen, dass von den seinerzeit federführend Involvierten nun niemand beim Abschluss des Geschäftes und der Formulierung der Verträge dabeigewesen sein mag. Dies betrifft die erwähnten überwiegend SPÖ-nahen Weiterhin-Aktiven ebenso wie mittlerweile mit guten Gründen verabschiedete ÖVP-Parteigänger wie ÖBB-Exchef Martin Huber und seinen Holding- und RCA-Finanzchef Erich Söllinger, die davor durchaus aktiv am Zustandekommen des Kaufs mitgewirkt hatten, es aber just zum Zeitpunkt der Kaufvertragsunterzeichnung vorzogen, auf Urlaub zu sein, wie jüngst das Fachmagazin 'Report Plus' berichtete.

 

Neben den gewaltigen wirtschaftlichen Belastungen der RCA und der ÖBB insgesamt durch den MÁV-Cargo-Kauf sorgten bereits Anfang 2008 Schmiergeld- und Bestechungsgerüchte rund um den Deal für öffentliches Aufsehen.

Offiziell für Lobbying-Zwecke war mit der laut Registrierung dazu gar nicht befugten Budapester Küchentisch-Firma Geuronet Bt. am 29.6.2007 ein Vertrag abgeschlossen worden, wobei ein Honorar von 1,75% des – siehe oben, letztlich auffällig überhöhten – Kaufpreises gewährt wurde; insgesamt geht es finanziell offiziell um gut 7 (!), inoffiziell jedoch laut „Die Presse“ um rund 13 (!!) Mio Euro.

Hinter der mit gerade ca. 120 Euro Stammkapital ausgestatteten Geuronet steht offiziell eine Budapester Sprachlehrerin, de facto jedoch ihr Sohn András Gulya, der (Zitat „profil“) „in Budapest als geschickter Wendehals gilt, der es seit jeher verstanden hat, seine Kontakte in alle politischen Lager in ebenso lukrative wie kurzfristige Bankiersposten umzusetzen“.

Der Vertrag der Rail Cargo Austria mit diesem offenkundigen Glücksritter mit Kontakten von Russland über die Ex-DDR und die deutsche CDU bis zu heimischen SPÖ- und ÖVP-Kreisen kam zustande, obwohl zwei damalige RCA-Vorstände (Ferdinand Schmidt, Erich Söllinger) die Unterschrift verweigert hatten, angeblich wegen vorenthaltener Informationen zu den Hintergründen. Es unterschrieben seitens der ÖBB/RCA schließlich der damalige RCA-Vorstandsvorsitzende und langjährige Ost-Güterverkehrs-Profi Gustav Poschalko und der RCA-Prokurist Gerhard Leitner.

Zudem wurde dieser Vertrag offenbar an (großen) Teilen des Aufsichtsrats vorbeigeschleust: Es wurde im Aufsichtsrat am 26.6.2007 nur allgemein beschlossen, dass zur Begleitung der MÁV-Cargo-Übernahme grundsätzlich externe Beratungsunternehmen engagiert werden dürfen. Der konkrete Vertragsentwurf mit Geuronet wurde vom damaligen RCA-Chef Poschalko hingegen am 4.7.2007 nur an ÖBB-Aufsichtsratschef Pöchhacker übermittelt, dann jedoch offenbar weder dem restlichen Aufsichtsratspräsidium zugeleitet noch – wie es laut Aufsichtsrats-Geschäftsordnung nötig gewesen wäre – einer Beschlussfassung durch den Aufsichtsrat zugeführt. Poschalko zur Frage, ob es einen formellen Beschluss gebe: „Einen schriftlichen nicht … das ist nicht möglich.“

Die Firma Geuronet soll ungarischen Medienberichten zufolge ihren Sitz im Frühjahr 2009 in die Vereinigten Arabischen Emirate verlegt haben, es soll demnach auch Geld des MÁV-Deals in diese Richtung abgeflossen sein.

Aus der Anordnung für die am 4.10.2010 abgewickelten Durchsuchungen geht laut „Der Standard“ hervor, dass am 2.3.2009 mit über 5,9 Mio Euro der Löwenanteil der Summe von der RCA an die Geuronet ging, überdies auf ein dem persönlichen Zugriff von András Gulya vorbehaltenes, anderes Konto der Geuronet als die bis dahin bereits erfolgten Zahlungen. Da der vielfach als Schlüsselfigur der gesamten MÁV-Transaktion betrachtete Gustav Poschalko bereits im Februar 2008 vom RCA-Chef zum ÖBB-Holding-Vorstand aufgestiegen war und für RCA-Konten nicht mehr zeichnungsberechtigt war, dürfte diese Groß-Überweisung nach Ungarn jemand anderer gefertigt haben. Der RCA-Vorstand bestand im März 2009 aus Ferdinand Schmidt, Günther Riessland und Friedrich Macher.

 

Die merkwürdigen und millionenschweren Geuronet-„Nebengeräusche“ des MÁV-Deals waren bereits Anfang 2008 Gegenstand einer parlamentarischen Anfrage der Grünen an den damaligen Verkehrsminister Werner Faymann (3813/J XXIII.GP): Wegen der bei allen betraglichen Unschärfen jedenfalls enormen Summe an einen fragwürdigen, nicht eben optimal beleumundeten Empfänger bei auch im zugrunde liegenden Dienstleistungsvertrag nicht klar erkennbarer Gegenleistung waren schon damals Schmiergeld-Vorwürfe laut geworden, was Ermittlungen in Ungarn sowie Medienberichte in Ungarn und dann auch Österreich auslöste. Faymann musste in der damaligen Anfragebeantwortung unter anderem bestätigen, dass neben den direkt involvierten ÖBB-Güterverkehrsmanagern auch sein enger Vertrauter und ÖBB-Aufsichtsratschef Pöchhacker bereits seit Mitte 2007 über die fragwürdige Geschäftsbeziehung informiert war.

 

Dass sich seit 2007 dennoch weder bei den ÖBB noch im BMVIT jemand so ernsthaft diesem dubiosen Geschäft widmete, dass in Österreich eine Aufklärung in Gang gekommen wäre, ist ein eigener Skandal für sich.

Es ist allerdings bekannt, dass in Werner Faymanns Zeit als Wiener Wohnbaustadtrat (1994-2007) zwischen ihm bzw. der Stadt Wien und dem Baukonzern Porr, dessen Chef Pöchhacker 1982-2007 war, eine enge Beziehung, um nicht zu sagen Verflechtung bestand. Die Stadt Wien ist nicht nur – neben dem Haupteigentümer, der aus der gemeindeeigenen Zentralsparkasse hervorgegangenen Bank Austria – selbst Aktionär der Porr sowie ihr Partner in Joint Ventures, sondern eigenen Aussagen zufolge auch „Großkunde von Porr“. Dass der vormalige langjährige mächtige Wiener Wirtschafts- und Finanzstadtrat und SPÖ-Vizebürgermeister Hans Mayr nach seinem Ausscheiden aus der Politik direkt in den Porr-Aufsichtsratsvorsitz wechselte, war ebenfalls sicher nicht von Nachteil für die folgende Umwidmung des abgelegenen Wiener Porr-Kranlagerplatzes neben der Südosttangente, aus dem so nach Tangenten-Überplattung das profitversprechende, ab 1999 errichtete Wohn- und Büroviertel „Monte Laa“ werden konnte. In dieses Areal wurden in den ersten Jahren dann zudem 36 Mio Wohnbauförderung der Stadt Wien gepumpt, die laut Büro des Wohnbaustadtrats Werner Faymann „als Triebfeder für die Entwicklung des Standorts wirkten“, die wiederum dem damaligen Stadtrat und heutigen Bundeskanzler viele Gelegenheiten für vorteilhafte Medienauftritte eröffnete. So schließt sich der Kreis, und die unübersehbare schützende Hand Faymanns ruht heute noch über Pöchhacker.

 

Infolge der Grasser-Meischberger-Hochegger-Steueraffären wurde bekannt, dass neben der im Umfeld des MÁV-Cargo-Kaufs beschäftigten Firma Geuronet im Hinblick auf die Zusammenführung der beiden Güterbahnen auch noch die PR-Agentur Hochegger einen Auftrag „mitnehmen“ konnte. Für „externe Kommunikationsberaterleistungen in Ungarn“ wurden laut Fachmagazin 'Report Plus' mit einstimmigem Beschluss des RCA-Aufsichtsrats am 13.10.2008 140.000 Euro zugesprochen.

Über das Ob und Wie der Gegenleistungen gibt es bisher unterschiedlichste Angaben.

Aus anderen Fällen ist bekannt, dass Lobbyisten dieser Art – die Medienberichten zufolge von heimischen Baulöwen an Staatsunternehmen und auch im Fall MÁV-Geuronet präsente Großbanken „weiterempfohlen“ wurden - in Ungarn beauftragt werden, weil sie über sogenannte „Kenntnisse der ortsüblichen Gebräuche und kulturellen Unterschiede“ verfügen.

 

Seit wenigen Wochen verdichten sich nun erneut die Hinweise, dass beim Geuronet-Lobbying-Auftrag nicht alles sauber sein könnte, nachdem in Ungarn rund um den jüngsten Regierungswechsel die 2007/08 gestarteten Ermittlungen wieder an Fahrt gewannen. Es geht weiterhin um mögliche Bestechungsvorgänge und Schmiergeldzahlungen („Verdacht der Bestechung ungarischer Amtsträger“, unter anderem in Richtung des vormaligen MÁV-Cargo-Chefs, der zum Zeitpunkt des Verkaufs zum Staatssekretär im ungarischen Verkehrsministerium aufgerückt war); aber auch mögliche Kickback-Zahlungen Richtung Österreich stehen im Raum, nachdem Medienberichten zufolge auch wegen „Verdacht der Untreue“ ermittelt wird.


Nach einem Amtshilfeersuchen der Budapester Oberstaatsanwaltschaft wurde nun doch auch in Österreich die Anti-Korruptions-Behörde aktiv, in Büros der involvierten Unternehmen ebenso wie in Privatwohnungen von 2008 federführend in den MÁV-Deal involvierten Managern fanden am 4.10.2010 Hausdurchsuchungen statt. Dabei wurde laut „Der Standard“ „laut Ermittlern jede Menge Material sichergestellt, das weitere ehemalige und amtierende RCA-Manager belaste.“ Auch die ÖBB-Konzernrevision wurde nun zum Tätigwerden gezwungen.

 

Der Kampf zwischen SPÖ- und ÖVP-Seite, der jeweils anderen Seite die möglichst volle Verantwortung zuzuschieben, ist dementsprechend in vollem Gange.

So wurde zuletzt unter anderem in einem von SPÖ-AkteurInnen und ÖBB mit Inseraten nicht eben stiefmütterlich versorgten Medium die Information platziert, dass der ehemalige, über Multifunktionen gestolperte ÖVP-Abgeordnete Josef Höchtl den Kontakt zwischen Pöchhacker und Geuronet-Mastermind Gulya hergestellt habe.

 

Vor allem aber ist ein Tonbandmitschnitt der ÖBB-Holding-Aufsichtsratssitzung vom 26.2.2008 aufgetaucht, bei der unter „Allfälliges“ auch der MÁV-Deal und seine Nebengeräusche zur Sprache kamen. Die Beantwortung der Frage, warum und auf wessen Veranlassung ausgerechnet bei dieser Sitzung, bei der unter „Allfälliges“ pikante Fragen aufs Tapet kamen, erstmals ein solcher Mitschnitt angefertigt wurde, könnte wohl zur Klärung der Angelegenheit beitragen. In „profil“ veröffentlichte Auszüge belegen mehr oder minder heftige Kritik einiger Aufsichtsräte am Vorgehen von RCA-Chef Poschalko und Aufsichtsratschef Pöchhacker, die wie erwähnt das Geschäft teilweise am Aufsichtsrat vorbei und teilweise ohne Schriftlichkeiten fixiert hatten. Interessanterweise konnte RCA-Chef Poschalko in dieser Sitzung mit einem Rechtsgutachten zu seiner punktgenauen Entlastung von Kritik und Vorwürfen aufwarten, obwohl das MAV-Geuronet-Thema gar nicht erkennbar auf der Tagesordnung gestanden hatte. Diesem Medien gegenüber auch von Aufsichtsrats-Vorsitzender Pöchhacker angesprochenen Gutachten zufolge ergibt sich kein Anhalt für einen „unzulässigen oder vom Inhalt her geschäftsunüblichen“ Vertrag RCA-Geuronet.

Vor allem aber gab Pöchhacker in dieser Sitzung freimütige Einblicke in die in Ungarn bei großen Geschäften üblichen Vorgehensweisen. Dabei schöpfte er primär aus seinem Erfahrungsschatz mit staatlichen ungarischen Großbauprojekten in seiner Zeit als Chef des Baukonzerns Porr: Im Zusammenhang mit dem Zuschlag für ein Großbaulos der Autobahn M6 laufen seit Sommer 2010 im Zusammenhang mit der Causa Hochegger/Meischberger initiierte Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Pöchhacker wegen Korruptionsverdacht. Man erhalte „keinen ungarischen Auftrag ohne irgendeinen ähnlichen Lobbying-Abschluss“, bei „ununterbrochenen“ Korruptionsvorwürfen gegen die Porr im Autobahnbereich „kam nichts heraus, obwohl wir Ähnliches gemacht haben wie hier“, „wir sollten uns nicht einer gewissen Naivität befleißigen … die Frage nach der Leistung eines Lobbyisten ist naiv … also das ist jetzt eine Grundsatzfrage, wenn wir das in Zukunft … alles ganz ernst nehmen, dann ist es gescheiter man verabschiedet sich … also wir sollten uns schon von einer gewissen Naivität verabschieden oder gewisse Strategien dann nicht verfolgen. Da gibt es nur ein Entweder-oder. Aber ein Leistungsverzeichnis von einem Lobbyisten … bitte das ist naiv.“

Auch andere ÖBB-Aufsichtsräte zeigten sich in Sachen ungarische Geschäftspraktiken gut informiert. So merkte der Raiffeisen-Vertreter – der Raiffeisen-eigene Baukonzern Strabag sieht sich im Zusammenhang mit Ungarn-Projekten ähnlicher Kritik wie Pöchhacker/Porr ausgesetzt – an: “… wir sind ja alle keine Klosterbrüder hier, wir wissen ja, was unter Lobbying alles zu verstehen ist. Ja, das geht von – bis“, und der Raiffeisen-Mann fragte auch danach, ob auch „ein Frühstück um hunderttausend Euro“ dazugehöre, was Pöchhacker bejahte („Ja, alles Mögliche.“) Auch meinte der Raiffeisen-Vertreter „Ich kenn ja auch die Praxis, wie in Ungarn Geschäfte abgewickelt werden ...“, stellte zum MÁV-Deal das Risiko einer „Eruption wie bei den Eurofightern“ in Ungarn in den Raum und zeigte sich besorgt, „dass das nach Österreich rüberschwappt und wir plötzlich den Rechnungshof vor der Tür haben … wenn es denn nur der Rechnungshof ist und nicht gleich die Staatsanwaltschaft“. Der BMVIT-Vertreter fragte „… ganz umgangssprachlich: Sind das saubere Zahlungen? Lobbying? Was war der Hintergrund dieser Zahlungen?“

Pöchhackers Resümee am Ende dieser denkwürdigen Aufsichtsratsdiskussion: „Wenn wir alles infragestellen, was in diese Richtung geht, wenn das der Beschluss ist, weil wir Angst haben, dann hören wir mit gewissen Akquisitionen in den Ländern auf … Wir können aber auch nicht protokollieren, dass wir Schweinereien erlauben … Wir können natürlich so naiv sein, dass wir kein Geschäft mehr machen.“

 

Schließlich wurde – sozusagen als I-Tüpfelchen – noch der denkwürdige Dialog zwischen den beiden damaligen Aufsichtsräten Eduard Saxinger (ÖVP-Mann im Präsidium) und Leopold Specht (SPÖ) aufgezeichnet:

Saxinger: „… es mag das alles schön und gut sein, aber ich bin hier Aufsichtsrat und bin hier verantwortlich. Da kann ich nicht sagen: Na ja, das ist eh üblich, und das wissen wir alle. Das ist an sich nicht zulässig …“

Specht: „Was ist nicht zulässig?“

Saxinger: „Wenn es nicht Lobbyismus wäre, um das vielleicht freundlich zu sagen, das habe ich so beim Herrn Präsidenten (Pöchhacker, Anm.) durchgehört …“

Specht: „Das habe ich zum Beispiel nicht durchgehört.“

Im schriftlichen Protokoll der Sitzung blieb dieser Dialog gänzlich unberücksichtigt, es ist nur davon die Rede, dass Saxinger sich „aufgrund fehlender Informationen noch kein vollständiges Bild machen“ könne. Kein Wunder, ist doch tonbandmäßig verewigt, dass Pöchhacker sich abschließend dem Schriftführer gegenüber doch Sorgen machte: „Wir dürfen nicht protokollieren, dass wir Schweinereien erlauben, gell, Sie lassen Specht eh nochmals übers Protokoll drüberschauen. Also … die Formulierung dieses Punktes ans Präsidium, relativ rasch, und Sie sind einverstanden, wenn Herr Dr. Specht auch ein Auge darauf wirft.“

Specht, der zur Zeit von Werner Faymann als Verkehrsminister in den Aufsichtsrat einzog, geht heute auf Distanz und stellt in Abrede, dass er an der Protokollerstellung mitgewirkt hätte, das Protokoll sei „vom Protokollführer in Absprache mit dem Präsidium des Aufsichtsrats erstellt“ worden, wie er „profil“ jüngst mitteilte.

 

Nach wie vor ist nicht klar, wie viel Geld an die von der ÖBB-Rail Cargo AG beschäftigte fragwürdige Lobbyistenfirma Geuronet geflossen ist, wo dieses Geld verblieben ist und was von der Firma eigentlich konkret geleistet wurde.

In einer Sitzung des parlamentarischen Rechnungshof-Ausschusses ließ BM Bures die Frage, ob der ÖBB-Aufsichtsrat grünes Licht für Bestechungsgelder gegeben habe, trotz Nachfrage unbeantwortet.

Gustav Poschalko, der nach dem ursprünglichen Abschluss mit MÁV zum Holding-Vorstand aufgewertet wurde, wurden zwar – angeblich aufgrund der MÁV-„Begleitgeräusche“ – drei ihm zugesicherte Aufsichtsratsmandate entzogen, er erhielt aber im Gegenzug zu seinem Vorstands-Abgang im Mai 2010 einen zweijährigen Konsulentenvertrag.

 

Nachdem András Gulya sich 2009 mit Poschalko offenbar überworfen hatte, weil – offiziell wegen Forint-Euro-Wechselkursschwankungen – nur etwa 6 statt 7,1 Mio Euro überwiesen wurden, kontaktierte Gulya kundige Anwälte am Gerichtsstand Wien. Diese machten ihn – so „Die Presse“ – darauf aufmerksam, dass er auf Basis des RCA-Geuronet-Vertrags nicht nur die Differenz auf 7,1 Mio, sondern auf rund 13 Mio einklagen könne. Dies wollte Gulya aber partout nicht tun, vielmehr entzog er den Anwälten postwendend die erteilten Mandate. Warum ist offen - es könnte hier aber etwas vor der Enttarnung gestanden sein, was noch weniger jemals hätte öffentlich werden sollen als die in Höhe und Konstruktion bereits sehr erstaunliche „offizielle“ Erfolgsprämie für Gulya/Geuronet.

 

Für alle erwähnten Personen gilt die Unschuldsvermutung.

 


Von SPÖ und ÖVP ist dringend die Aufklärung des seit drei Jahren verschleppten RCA-MAV-Skandals ohne weitere falsche Rücksichtnahme auf 'Parteifreunderl' zu fordern. Auch die Frage eventueller Rückflüsse Richtung Österreich aus den Geuronet-Millionen muss lücken- und schonungslos geklärt werden.

Es stellt sich weiters die Frage der politischen Gesamtverantwortung dafür, dass derartige Vorgehensweisen im öffentlichen Bereich im (2007 und 2008 von Werner Faymann verantworteten!) BMVIT-Zuständigkeitsfeld jahrelang ohne politische Reaktion bleiben und immer auf die Staatsanwaltschaft gewartet und verwiesen wird – ganz so als ob gerade im öffentlichen Bereich, wo es direkt um Steuergelder geht, nur glasklar erwiesene und abgeurteilte Korruption und nicht auch schon ihr wiederholter strenger Geruch verpönt sein sollte.

 

Seit Übernahme der Spitzenfunktion im ÖBB-Aufsichtsrat durch Ihren guten Geschäftsfreund aus Wiener Stadtrats-Zeiten Horst Pöchhacker kam es bereits mehrfach zu merkwürdigen, schwer nachvollziehbaren Entscheidungen, bis hin zum Ignorieren der dringenden Anregung des Rechnungshofs (und vieler erboster SteuerzahlerInnen, nebst den Grünen), den letztlich dafür verantwortlichen früheren ÖBB-Chef Martin Huber (der freilich davor Porr-Manager und somit Pöchhacker-Kollege war) rechtlich und finanziell für die 300 Mio Verluste aus dem ÖBB-Spekulations-Flop in die Pflicht zu nehmen.

 

„Stellt sich die Frage, warum die SPÖ weiter ihre schützende Hand über den angeschlagenen ÖBB-Aufsichtsratschef hält. Vielleicht weil zu Pöchhackers Zeit bei der mit öffentlichen Aufträgen gesegneten Porr einer gewisser Herr Werner F. Wohnbaustadtrat von Wien war? Und alte Liebe bekanntlich nicht rostet?“

(so der unter das Leitmotiv „ÖBB – ‚A Show Biz ans Ende‘“ gestellte Leitartikel im „Weekend Magazin“ vom 12./13.11.2010)

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

1.    Warum halten Sie trotz der diversen höchst kritikwürdigen Vorkommnisse der letzten vier Jahre bis hin zum MÁV-Geuronet-Deal und zur denkwürdigen Plauderei über Schweinereien bzw. Lobbying in der Aufsichtsratssitzung am 26.2.2008 Ihren persönlichen Schutzschirm über ÖBB-Aufsichtsratschef Horst Pöchhacker?