732/J XXIV. GP

Eingelangt am 23.01.2009
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Walser, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin  für Unterricht, Kunst und Kultur

 

betreffend Neue Mittelschulen

 

Nach Jahrzehnten der bildungspolitischen Stagnation hat die SPÖ nach der Abwahl der schwarz-blauen Regierung Anfang 2007 der ÖVP die Zustimmung zu den Schulversuchen „Neue Mittelschule“ abgerungen. Die Durchführung dieses Schulversuchs geschieht aber leider in keinem einzigen Fall in Form einer wirklichen Gemeinsamen Schule aller 10- bis 14-Jährigen, in der die gesamte SchülerInnenpopulation einer Region erfasst wird. Zudem sind nur in vereinzelten Fällen auch AHS-Unterstufen beteiligt. In den meisten Bundesländern wurden darüber hinaus eigene Konzepte des Schulversuchs umgesetzt. Diese haben das von Ihnen postulierte Ziele der Gemeinsamen Schule teilweise konterkariert.

 

Ebenso traurig und unbestreitbar ist die Tatsache, dass die österreichische Bildungspolitik mit dem Schulversuch Neue Mittelschule das Problem der zu frühen Auslese nicht lösen, sondern verschärfen wird. Wie im dreigliedrigen Deutschland wird bei den Eltern eine Hierarchie der schulischen Attraktivität entstehen, an deren Spitze die Gymnasien und an deren Ende die "gewöhnlichen" Hauptschulen stehen; die Neuen Mittelschulen werden mit ihren schülerfreundlichen didaktischen Innovationen und ihren zusätzlichen Ressourcen einen respektablen zweiten Rang einnehmen.“ So Karlheinz Gruber, in einem Kommentar in der Tageszeitung Der Standard am 15.01.2009

 

 

Im Dezember haben Sie Vorarlberg in Bezug auf die Schulversuche als „Reformmotor“ bezeichnet und am 19. Jänner 2009 die Zusicherung gegeben, künftig 51 von 56 Hauptschulstandorten als Schulversuch geführt werden können. An der Formulierung „Reformmotor“ gab es heftige Kritik von Eltern und LehrerInnen, da für den Schulversuch „Vorarlberger Mittelschule“ einige der als „Mindestanforderung“ für eine „Neue Mittelschule“ bezeichneten Voraussetzungen nicht oder kaum zutreffen. Darüber hinaus stellt Karlheinz Gruber ebenfalls in seinem Kommentar im Standard am 15.1.2009 fest: „Hinter den ungewöhnlich vielen Ansuchen Vorarlberger Hauptschulen um den Status Neue Mittelschule dürfte weniger die Begeisterung stehen, die Gesamtschule zu erproben, als das nüchterne alemannische Interesse an den mit dem Schulversuch verbundenen zusätzlichen finanziellen Mitteln.“

 


Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE:

 

 

  1. In § 7a Abs. 3 des Schulorganisationsgesetzes heißt es in Bezug auf das Modell der Neuen Mittelschule: „Die Schüler können nach Schulstufen oder schulstufenübergreifend durch Maßnahmen der inneren und temporär der äußeren Differenzierung individuell gefördert werden.“ Demnach ist in den Modellschulen maximal eine „temporäre“ äußere Differenzierung in Form von Leistungsgruppen zulässig.

 

a)     Warum wurde das Vorarlberger Modell vom Bundesministerium für Unterricht genehmigt, obwohl im Pädagogischen Konzept des Landesschulrates für Vorarlberg von Vorneherein festgehalten war: „Alle Schüler/innen, denen die AHS-Reife attestiert wird, werden in allen leistungsdifferenzierten Pflichtgegenständen (Deutsch, Mathematik und Englisch) mit Schuljahresbeginn in die erste Leistungsgruppe eingestuft. Bei allen anderen Schüler/innen erfolgt die Einstufung in die erste, zweite oder dritte Leistungsgruppe auf Grund der Volksschulnote und einem verpflichtenden Austausch zwischen dem/der Volksschullehrer/in und dem/der verantwortlichen Hauptschullehrer/in.“ An eine Aufhebung der Leistungsgruppen war demnach von Vorneherein nicht gedacht. Ist das aus Ihrer Sicht mit den gesetzlichen Bestimmungen im Einklang?

 

b)     Wenn ja: Gibt es an den Modellschulen somit parallel Hauptschulen und „Neue Mittelschulen“ und wird somit aus dem zweigliedrigen Schulsystem in der Sekundarstufe I zumindest bis zum Ablauf der Schulversuche ein dreigliedriges System?

 

c)      Welche „Vorarlberger Mittelschule“ hat die Leistungsgruppen zugunsten er inneren Differenzierung aufgegeben, an welchen ist das vorgesehen?

 

d)     An welchen anderen Standorten des Schulversuchs in Österreich bleibt die Einteilung der SchülerInnen in Leistungsgruppen aufrecht?

 

  1. In einer Anfragbeantwortung von Landesrätin Mag. Dr. Beate Palfrader an den Abgeordneten des Tiroler Landtages, Ing. Franz Berger, betreffend Neue Schulmodelle in Tirol vom 24.11.2008 heißt es: „Die Erfahrung und der praktische Umgang mit äußerer Differenzierung in einzelnen Gegenständen – im besonderen Deutsch, Mathematik und Fremdsprache – in den vergangenen 25 Jahren hat gezeigt, dass die Gefahr besteht, dass eine äußere Differenzierung die vorhandenen Lernvoraussetzungen bei einzelnen Schülerinnen und Schülern eher verfestigt als fördert und weiter entwickelt. Die Antwort auf diese Problemlage kann selbstverständlich nicht in einem undifferenzierten, den Lernvoraussetzungen nicht berücksichtigenden Unterricht sein, sondern nur in einer Form von Unterricht, der in einer gemeinsamen Lerngruppe vielfältige Formen der inneren Differenzierung anbietet. Der Fachunterricht bzw. der Unterricht in den einzelnen Lernfeldern wird ohne äußere Differenzierung im Klassen- oder Stufenverband erteilt. Das schließt nicht aus, dass fallweise und zeitlich begrenzt einzelne Schülergruppen getrennt unterrichtet werden.“

 

a)     Stimmen Sie dieser Einschätzung zu? Wenn ja, warum werden Schulversuche genehmigt, welche die äußere Differenzierung in Leistungsgruppen aufrechterhalten?

 

b)     Sind Leistungsgruppen wie in der Hauptschule aus Ihrer Sicht pädagogisch sinnvoll oder sollten sie zugunsten von Modellen der inneren Differenzierung generell abgeschafft werden?

 

c)      An welchen Standorten des Schulversuchs Neue Mittelschule ist gewährleistet, dass SchülerInnen dort nicht in Leistungsgruppen unterrichtet werden?

 

  1. Als Ziel der Schulversuche wird in § 7a Abs. 1 SchOG angegeben: „Zur Individualisierung von Bildungslaufbahnen und im Sinne einer Verschiebung der Bildungslaufbahnentscheidung kann der zuständige Bundesminister auf Antrag eines Landesschulrates (Stadtschulrates für Wien) beginnend in den Schuljahren 2008/09 bis 2011/12 an allgemein bildenden Schulen Modellversuche zur Weiterentwicklung der Sekundarstufe I einrichten und durchführen.“ Müssen Schulversuche im Rahmen Ihres Modells Neue Mittelschule das Ziel haben, die „Bildungslaufbahnentscheidung“ zu verschieben?

 

  1. Halten Sie es für sinnvoll, wenn bei den Schulversuchen laut § 7a Abs. 2  SchOG gleichzeitig festgehalten wird, dass „(bestehende Allgemeinbildende höhere Schulen innerhalb des politischen Bezirkes (…) in erforderlicher Anzahl und Klassen weiterzubestehen (haben)“?

 

a)     In Vorarlberg wird jedes Jahr Kindern mit AHS-Reife die Aufnahme in ein Gymnasium wegen Platzmangels verwehrt. Welche Maßnahmen möchten Sie ergreifen, um in Vorarlberg im kommenden Schuljahr die erforderliche Anzahl an Klassen bereitzustellen?

 

  1. Auf der Homepage des BMUKK ist auf die Frage „Ist die Neue Mittelschule eine Ganztagsschule?“ zu lesen: „In vielen Fällen ja.“ Auch praktisch alle international renommierten Fachleute sehen in der Ganztagsschule mit verschränktem Unterricht eine wesentliche Verbesserung des bildungspolitischen Angebots.

 

a) An welchen Modellschul-Standorten wurde die Ganztagsschule eingeführt? Bitte nach ganztägigem verschränkten Unterricht und Vormittagsschule mit Nachmittagsbetreuung in den einzelnen Bundesländern aufschlüsseln.

 

b)     An welchen Modellschul-Standorten soll die Ganztagsschule bis zum Schuljahr 2009/10 eingeführt werden? Bitte nach ganztägigem verschränkten Unterricht und Vormittagsschule mit Nachmittagsbetreuung in den einzelnen Bundesländern aufschlüsseln.

 

  1. In Ihren Werbe- und Informationsbroschüren bzw. dem Webauftritt „Neue Mittelschule“ heißt es auf die Frage: „Welche Lehrerinnen und Lehrer unterrichten? AHS- und Hauptschullehrerinnen und -lehrer?“: „Beide – und hier ein weiterer großer Vorteil der Neuen Mittelschule - AHS- und Hauptschullehrerinnen und -lehrer arbeiten in Teams. Dadurch profitieren die Schülerinnen und Schüler von dem akademischen Fachwissen der AHS-Lehrerinnen und -Lehrer und der wertvollen pädagogischen Grundausbildung der Pflichtschullehrerinnen und Pflichtschullehrer.“

 

a)     An wie vielen Standorten der „Neuen Mittelschule“ in Österreich wird dieses Versprechen auch wirklich umgesetzt? Welche sind das?

 

b)     An wie vielen Standorten der „Neuen Mittelschule“ in Österreich wird dieses Versprechen nicht umgesetzt? Welche sind das?

 

  1. Im von Ihnen am 28. Jänner 2008 genehmigten „Modellplan Vorarlberg in der Fassung vom 23. Jänner 2008“ heißt es: „Innerhalb von maximal drei Jahren werden sieben Wochenstunden in der zweiten Fremdsprache angeboten. (…) Der Sprachunterricht kann nur durch Lehrpersonen mit entsprechender Lehramtsbefähigung erteilt werden. An der Pädagogischen Hochschule wird bereits im Schuljahr 2008/09 ein entsprechendes Zusatzstudium angeboten.“

 

a)     An welchen Pädagogischen Hochschulen ist dieses Zusatzstudium im laufenden Studienjahr angeboten worden?

 

b)     Nach welchem Lehrplan wird unterrichtet?

 

c)      Wie viele TeilnehmerInnen gibt es derzeit? Bitte um Aufschlüsselung nach den einzelnen Studienrichtungen (Französisch oder Spanisch) und Hochschulen.

 

d)     Können Sie gewährleisten, dass bis zum Schuljahr 2010/11 die erforderliche Anzahl an Lehrkräften für eine Zweite Lebende Fremdsprache zur Verfügung steht?

 

  1. Im von Ihnen am 28. Jänner 2008 genehmigten „Modellplan Vorarlberg in der Fassung vom 23. Jänner 2008“ heißt es: „Für den Modellversuch ist grundsätzlich die vorgesehene Stundenkontingentierung verbindlich; pro geführter Modellklasse werden 6 Wochenstunden in Form von Werteinheiten zusätzlich zur Verfügung gestellt.

 

a)     Sind diese Werteinheiten auch tatsächlich für alle geführten Modellklassen zur Verfügung gestellt worden?

 

b)     Wie erklären Sie sich die Klagen vieler LehrerInnen, dass zumindest teilweise nur zwei Werteinheiten bei den SchülerInnen „ankommen“?