738/J XXIV. GP

Eingelangt am 27.01.2009
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundeskanzler

 

betreffend Hobbies einer Minderheit von EU-Staaten als Entscheidungsleitung für Österreichs Regierung - was kommt nach der Verschrottungsprämie als Nächstes?

 

 

Im Zusammenhang mit der geplanten Einführung der „Verschrottungsprämie“ haben Sie beispielsweise am 20.1. Erfreuliches verlautbaren lassen (vgl. APA-OTS186, 20. Jän.09):

„Beim heutigen Ministerrat erklärte Bundeskanzler Werner Faymann neuerlich, dass die sogenannte Verschrottungsprämie nur im Einklang mit den anderen EU Staaten kommen werde. Österreich selbst verzeichne mehr Exporte aus der Zulieferindustrie als Autoimporte: "Deshalb ist die Sinnhaftigkeit einer solchen Maßnahme zu hinterfragen.““

 

Diese Sinnhaftigkeit ist tatsächlich höchst endenwollend, besonders verteilungspolitisch: Denn die ohne jede soziale Differenzierung konzipierte Prämie ist und bleibt ein Förderinstrument primär für Gutverdiener.

 

Obwohl Sie nahezu zeitgleich sozialen Ausgleich als oberstes Ziel der EU fordern, wollen Sie der Kfz-Lobby den verteilungspolitisch kontraproduktiven Wunsch der Verschrottungsprämie trotz dieser grundlegenden Fehlsteuerung und Schwäche zusammen mit Ihren Regierungsmitgliedern erfüllen. Darüberhinaus ist die Prämie auch ökonomisch, ökologisch und hinsichtlich ihrer Klima-Wirksamkeit höchst fragwürdig. Wie bei der bevorstehenden Steuerreform Ihrer Regierung, die vor allem Gutverdienern nützen soll, gehen Sie dennoch auch bei der Verschrottungsprämie eins zu eins auf die Forderungen hochrangiger ÖVP-Vertreter (WKÖ-Chef Leitl zur Verschrottungsprämie: „Österreich muss handeln – mit oder ohne EU“) ein. Denn die Verschrottungsprämie soll nun Ihren einleitend zitierten Aussagen vom EU-Gleichklang zum Trotz eingeführt werden, obwohl derzeit nur eine kleine Minderheit von EU-Staaten – konkret 8 von 27 – ein solches Instrument in unterschiedlicher Form kennt bzw. kannte.

(Die Mehrheit dieser Staaten hat im übrigen konservative bzw. konservativ geführte Regierungen – ein Zufall?)

 

Als zentrale Rechtfertigung für diesen Positionswechsel nach Kfz-Lobby-Wunsch haben Sie nach dem Ministerrat am 20.1.2009 formuliert: „Da aber nun etwa acht europäische Staaten diese Initiative ergriffen hätten, wolle man hier im Gleichklang mitziehen“.

 

Statt berechtigt skeptische Positionen durchzuhalten, reicht somit offensichtlich schon der „Gleichklang“ mit einer Minderheit von EU-Staaten aus, um anderslautende öffentliche Aussagen zB von einem EU-weiten Gleichklang zu revidieren und sachlich fragwürdige Festlegungen der von Ihnen geführten Bundesregierung zu rechtfertigen. Da dies Schule machen könnte, drängen sich einige weiterführende Fragen für weitere brisante Politikfelder von der Energie- bis zur Verkehrspolitik, womöglich bis hin zur Bündnis- oder Rüstungspolitik, auf.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE:

 

  1. Mehr als die Hälfte der Staaten der EU betreiben Atomkraftwerke, eine Minderheit von zehn (von 27) EU-Staaten hat keinen Ausstiegsbeschluss gefaßt, eine noch kleinere Zahl von EU-Staaten verfolgt offensive AKW-Ausbaupläne.

Nachdem zB bei der PKW-Verschrottungsprämie schon der „Gleichklang“ mit einer Minderheit von 8 EU-Staaten für ein „Mitziehen“ der Bundesregierung ausreicht: Ist – auch den Vorstellungen Ihres Beraters Hannes Androsch folgend – ein „Mitziehen“ der Bundesregierung mit den offensiven Atomkraft-Ausbau-Plänen einer vergleichbaren Minderheit von EU-Staaten zu erwarten?

 

  1. Während Österreich mit dem nach den letzten beiden Novellierungen brustschwachen und krass unzureichenden Ökostromgesetz und dem gesetzgeberisch nicht abgedeckten Bereich Ökowärme hinterherhinkt, haben bereits einige weitere EU-Staaten nach dem Vorbild von Deutschlands Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) umfassend zukunftsweisende Gesetze zum Ausbau erneuerbarer Energien beschlossen.

Nachdem zB bei der PKW-Verschrottungsprämie schon der „Gleichklang“ mit einer Minderheit von 8 EU-Staaten für ein „Mitziehen“ der Bundesregierung ausreicht: Ist ein „Mitziehen“ der Bundesregierung mit den offensiven Ausbau-Plänen einiger EU-Staaten für den Sektor Erneuerbare Energien nach Vorbild des deutschen EEG zu erwarten? Wenn nein, warum nicht?

 

  1. Während Österreich im Führerschein-Vormerksystem aus Lobby-Rücksichten wesentliche Deliktgruppen von Sanktionierung ausgeklammert hat und generell bei Zahl der Delikte ein Minimalmodell verfolgt hat, haben einige EU-Staaten wie Frankreich oder Italien wesentlich weitreichendere – und wie sich an der jeweiligen Entwicklung der Unfallbilanz zeigt, offensichtlich erfolgreiche – Modelle umgesetzt.

Nachdem zB bei der PKW-Verschrottungsprämie schon der „Gleichklang“ mit einer Minderheit von 8 EU-Staaten für ein „Mitziehen“ der Bundesregierung ausreicht: Ist ein „Mitziehen“ der Bundesregierung mit den offensiven Verkehrssicherheitsmaßnahmen einiger EU-Staaten insbesondere im Bereich Vormerksysteme/Punkteführerschein-Modelle zu erwarten? Wenn nein, warum nicht?

 

  1. In welchen übrigen Themenfeldern wird die von Ihnen geführte Bundesregierung Initiativen oder Erfolge einer Minderheit von EU-Staaten zum Anlass für die Revidierung eigener Positionen nehmen?

 

  1. Wie passen das intensive innerstaatliche Engagement von Mitgliedern Ihrer Regierung für eine Verschrottungsprämie und die keineswegs negativen Positionierungen vor dem informellen EU-Ministertreffen zu diesem Thema am 16.1.2009 mit Ihrer Beteuerung zusammen, dass Österreich die Prämie nicht offensiv betrieben habe (vgl. Ihre Aussagen nach dem Ministerrat am 20.1.2009)?

 

  1. In einer Aussendung der Sozialistischen Korrespondenz vom 20.1.2009 betonen Sie, dass der Automotive-Bereich daneben auch „durch Stärkung der Nachfrage (etwa mittels Steuermaßnahmen in Europa)“ unterstützt werden „müsse“.

Was bedeutet „Steuermaßnahmen in Europa“ in diesem Zusammenhang konkret, und welche Maßnahmen im einzelnen plant die von Ihnen geführte Regierung in diesem Bereich innerstaatlich bis wann umzusetzen?