7912/J XXIV. GP

Eingelangt am 14.03.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Gabriele Binder-Maier, Dr. Johannes Jarolim

Genossinnen und Genossen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend

die Anwendung des Haager Kindesentführungsübereinkommens (HKÜ)

Seit Dezember 2008 befindet sich Coralie B. mit ihren zwei Söhnen Alexander und Maximilian in Österreich (siehe Bericht Kurier vom 31.1.2011). Nach ihrer Flucht aus Frankreich vor ihrem gewalttätigen Ex-Lebensgefährten und Vater ihrer Zwillinge möchte sie hier wieder ein normales Leben führen. Doch noch ist nicht gesichert, ob sie mit ihren Kindern in Österreich bleiben darf. Die inhaltliche Richtigkeit des zitierten Berichts vorausgesetzt, wurden die Kinder in Frankreich während der Abwesenheit der Mutter vom Vater missbraucht, von ihm sogar in ein Haus gebracht, in dem sie von zwei Männern nackt fotografiert wurden. Zwei Gutachter bestätigen in Wien "ein offensichtliches übergriffiges Verhalten des Vaters". Dennoch entschied der OGH, dass die Kinder aufgrund des Haager Kindesentführungsübereinkommens nach Frankreich zurückgeführt werden müssen.

In diesem Zusammenhang richten die unterzeichneten Abgeordneten folgende

Anfrage:

1.       Wie wurde das Haager Kindesentführungsübereinkommen (HKÜ vom 25. 10. 1980) in Österreich umgesetzt?

2.       Wie wird das Haager Kindesentführungsübereinkommen durch die zuständigen Gerichte angewandt?

3.       Welche Erfahrungen gab es mit dem HKÜ in der Vergangenheit?

4.       Wie ist die Definition der "widerrechtlichen Verbringung" nach dem HKÜ und wie ist das damit verbundene "Sorgerecht" der Eltern auszulegen?

5.       In welchem rechtlichen Verhältnis steht die Brüssel IIa Verordnung vom 27.11. 2003 zum HKÜ?

6.       Gilt für die Brüssel IIa Verordnung nicht Anwendungsvorrang vor dem HKÜ?

7.       Wie ist die "widerrechtliche Verbringung" nach der Brüssel lla Verordnung auszulegen? Welche Anknüpfungspunkte sind demnach bei der rechtlichen Prüfung zu beachten?

8.       Nach welcher Rechtsgrundlage wird beurteilt, ob der ohne Kinder zurückgebliebene Elternteil seine Zustimmung zur Übersiedlung des Kindes ins Ausland geben musste oder nicht ?

9.       Wie wird das Kindeswohl im HKÜ definiert und wie unterscheidet sich die Definition von der österreichischen Rechtsprechung?

10.   Welche Grundsätze ergeben sich aus der österreichischen Rechtssprechung um im Sinne des Kindeswohles zu entscheiden ?

11.   Welche Ausnahmeklauseln bezüglich Gewalt gegen Kinder und miterlebter Gewalt werden angewendet?

12.   Welche Rechtssprechung gibt es im Zusammenhang mit "widerrechtlichen Verbringungen" und Gewalt gegen Minderjährige?

13.   Welche Schritte werden Sie setzen um dem Kindeswohl in solchen Fällen Vorrang einzuräumen und klarzustellen, dass dann keine Kindesentführung vorliegt, wenn die Mutter glaubhaft macht, vor familiärer Gewalt geflohen zu sein?

14.   Welche Schritte werden Sie setzen um eine Rückführung in diesen Fällen zu unterbinden und die familienrechtlichen Verfahren in dem Land zu führen, in das der betroffene Elternteil mit den Kindern geflohen ist?

15.   Wieso setzt die österreichische Judikatur den französischen Begriff "autorité  parental" mit dem Begriff "Mit-Obsorge" gleich, obwohl es diesen Ausdruck in der österreichischen Rechtsordnung nicht gibt?

16.   Warum fehlt es im Fall B. am Rechtsschutzinteresse, obwohl es stichhaltige Indizien eines Missbrauchs der Kinder durch den Vater gjbt?