9004/J XXIV. GP

Eingelangt am 07.07.2011
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Mag. Roman Haider

und weiterer Abgeordneter

 

an die Bundesministerin für Finanzen

betreffend die Höhe der TARGET2-Salden der Österreichischen Nationalbank ÖNB

 

 

Am 18.06.2011 erschien in „Die Presse“ folgender Artikel von Hans-Werner Sinn:

 

Die riskante Politik der EZB und die Droge des billigen Geldes

 

Die Kredite der Staatengemeinschaft verhindern durch die Weiterfinanzierung der Leistungsbilanzdefizite die notwendigen Anpassungen von Griechenland, Irland, Portugal und Spanien – solange sie reichen. Und dann?

Die Target-Salden zu verstehen ist nicht einfach. Sie seien bedeutungslos, weil sie sich im Euroraum aufheben, schrieb die Bundesbank. In der Tat, zwischen Schuldner und Gläubiger heben sich die Forderungssalden immer auf. Das ist zwar wahr, beruhigt aber den Gläubiger nicht. Genauso wenig beruhigt es, dass die Europäische Zentralbank (EZB) die Target-Salden in ihrer Bilanz gar nicht verbucht und man in den nationalen Bilanzen der Zentralbanken nachschauen muss, weil ihr Nettobetrag über alle Euroländer addiert null ist.

Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schreibt, die Target-Salden bildeten „keine Gefahr“. Diese Einschätzung der Situation verkennt, dass es sich bei den Target-Salden um verzinste öffentliche Kredite zur Finanzierung von Leistungsbilanz-defiziten handelt, die die von den Parlamenten bereits genehmigten Rettungskredite an Griechenland, Irland und Portugal in den Schatten stellen.

Deutschland hat bis Februar 2011 für 321 Mrd. Euro Target-Forderungen gegen die EZB aufgebaut, und die GIPS-Länder – also Griechenland, Irland, Portugal und Spanien – haben bis zum Ende des Jahres 2010 für rund 340Mrd. Euro verzinsliche Target-Verbindlichkeiten gegen die EZB angesammelt. Diese Verbindlichkeiten sind im Wesentlichen seit der zweiten Jahreshälfte 2007 entstanden, als der Interbankenmarkt das erste Mal zusammengebrochen war.

Die Target-Verbindlichkeit eines Landes zeigt jenen Teil der Kreditvergabe der nationalen Notenbank an, der nicht der Bereitstellung der nationalen Zentralbankgeldmenge diente, sondern für Zahlungen an das Ausland verwendet wurde. (Grob gesprochen ist sie definiert als Überschuss der Summe aus Kreditvergabe im Zuge von Offenmarktgeschäften und den erworbenen Devisen, Goldbeständen und Staatspapieren über die nationale Zentralbankgeldmenge im Besitz der Privaten und der Geschäftsbanken.) Damit misst sie zugleich jenen Teil der früheren Leistungsbilanzdefizite mit anderen Euroländern, der durch eine über


die nationale Geldversorgung hinausgehende Kreditvergabe seitens des Zentralbankensystems finanziert wurde.

Das Leistungsbilanzdefizit eines Landes ist jener Teil des Überschusses der Importe über die Exporte, der nicht über laufende Transfers, also Geschenke, aus dem Ausland finanziert ist. Es gleicht deshalb dem Kapitalimport eines Landes. Reicht der private Kapitalimport nicht aus und steht auch noch kein Hilfskredit der Staatengemeinschaft zur Verfügung, kann sich das Land nur helfen, indem es seine Notenbank veranlasst, ihm neues Geld zu leihen. Dieses Leihgeschäft wird durch die Target-Salden abgebildet.

Das akkumulierte Leistungsbilanzdefizit der GIPS-Länder in den Jahren 2008, 2009 und 2010 betrug 365 Mrd. Euro und war damit ungefähr so groß, wie es die Target-Schulden dieser Länder waren, die sich von 30 Mrd. Euro Mitte 2007 auf etwa 340 Mrd. Euro Ende 2010 aufgebaut hatten. Das zeigt, dass die Europäische Zentralbank die privaten Kapitalströme zur Finanzierung der Leistungsbilanzsalden der GIPS-Länder praktisch vollständig durch eine eigene Kreditvergabe ersetzt hat. Der Kreditersatz war ein Bail-out durch die Staatengemeinschaft, lange bevor die Parlamente davon wussten. Er hat es den GIPS-Ländern ermöglicht, weiterhin über ihre Verhältnisse zu leben. Das Risiko: Deutschland haftet für 33 Prozent der von der EZB an die GIPS-Länder verliehenen 340 Mrd. Euro, nämlich 114 Mrd. Euro, wenn es der EZB nicht gelingt, ihre Forderungen gegen die GIPS-Länder einzutreiben.

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Finanzen folgende

 

Anfrage

 

 

1.    Welche Höhe hatte der TARGET2-Saldo der Österreichischen Nationalbank (ÖNB) im Jahr 2005 und wie hoch waren dabei die Verbindlichkeiten bzw. wie hoch die Forderungen, die zur Berechnung des Saldos einander gegenübergestellt wurden?

2.    Welche Höhe hatte der TARGET2-Saldo der ÖNB im Jahr 2006 und wie hoch waren dabei die Verbindlichkeiten bzw. die Forderungen, die zur Berechnung des Saldos einander gegenübergestellt wurden?

3.    Welche Höhe hatte der TARGET2-Saldo der ÖNB im Jahr 2007 und wie hoch waren dabei die Verbindlichkeiten bzw. die Forderungen, die zur Berechnung des Saldos einander gegenübergestellt wurden?

4.    Welche Höhe hatte der TARGET2-Saldo der ÖNB im Jahr 2008 und wie hoch waren dabei die Verbindlichkeiten bzw. Forderungen, die zur Berechnung des Saldos einander gegenübergestellt wurden?

5.    Welche Höhe hatte der TARGET2-Saldo der ÖNB im Jahr 2009 und wie hoch waren dabei die Verbindlichkeiten bzw. die Forderungen, die zur Berechnung des Saldos einander gegenübergestellt wurden?

6.    Welche Höhe hatte der TARGET2-Saldo der ÖNB im Jahr 2010 und wie hoch waren dabei die Verbindlichkeiten bzw. die Forderungen, die zur Berechnung des Saldos einander gegenübergestellt wurden?

7.    Welche Höhe hatte der TARGET2-Saldo der ÖNB bis dato in den einzelnen Monaten im Jahr 2011 bzw. im ersten Halbjahr und wie hoch waren dabei jeweils die Verbindlichkeiten bzw. die Forderungen, die zur Berechnung des Saldos einander gegenübergestellt wurden?