9526/J XXIV. GP

Eingelangt am 20.10.2011
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Dringliche AnFRAGE

gem. § 93 Abs. 2 GOG-NR

 

der Abgeordneten Josef Bucher, Mag. Ewald Stadler
an den Bundeskanzler
betreffend Veto jetzt, Herr Bundeskanzler!

Der Finanzsprecher der SPÖ, Kai Jan Krainer, ist – laut einem Zeitungsartikel der Tageszeitung „Kurier“ – im Besitz eines so genannten „non-papers“ über die Pläne der Kommission für den 23. Oktober 2011. Nach Kenntnis dieses Papiers spricht Krainer von einem Big-Bang-Gipfel, bei dem, so Krainer, „echte Hämmer auf uns zukommen“.

Einer der „Hämmer“ (© Krainer) ist offenbar die geplante Hebelung der EFSF-Mittel von 440 Mrd. Euro auf 2.500 Mrd. Euro, d.s. 2,5 Billionen Euro. Während die Ausweitung der Haftungen auf rund 29 Mrd. Euro im Rahmen des EFSF noch vom Nationalrat beschlossen wurde, soll diese Hebelung am Parlament vorbei geschehen. Damit bestätigen sich die Befürchtungen des BZÖ, das schon im Rahmen der Beschlussfassung über die Ausweitung der EFSF-Mittel davor gewarnt hat, dass das österreichische Parlament in Hinkunft keinerlei Mitbestimmung über die Mittelverwendung haben wird.

Die Hebelung soll über den Ankauf von Staatsanleihen durch den EFSF erfolgen, der diese Staatsanleihen bei der EZB als Sicherheit hinterlegt und dafür die „gehebelten“ Mittel ausbezahlt bekommt. Damit kann Österreich „blühen“, dass es nicht nur die Mittel und Haftungen für den Rettungsschirm beisteuern muss, sondern auch über die Nachschusspflicht zum Grundkapital der EZB ein zweites Mal in fünffacher Höhe zur Kassa gebeten werden kann. Ganz abgesehen davon, dass diese Art der Geldschöpfung über kurz oder lang in Form von Inflation von den Österreicherinnen und Österreichern getragen werden muss.

Ein weiterer „Hammer“ (© Krainer) sind geplante Durchgriffsrechte auf die nationale Budgetgestaltung bis hin zur kommissarischen Zwangsverwaltung eines Landes.

Wenig verwunderlich, dass der Finanzsprecher der SPÖ, Kai Jan Krainer, nunmehr ebenfalls zur Überzeugung gelangt ist, dass eine Volksabstimmung – so wie schon vom BZÖ seit längerem gefordert – notwendig ist.


Interessant ist auch, dass offenbar ein weiterer Hammer (© Krainer), nämlich ein Schuldenschnitt für Griechenland in der Höhe von 40 bis 60 Prozent, geplant ist. Wobei den Schuldennachlass nur jene Gläubiger leisten sollen, die tatsächlich auf griechischen Staatsanleihen sitzen. In erster Linie sind das Banken und die EZB. Dabei zeichnet sich schon zum heutigen Zeitpunkt ab, dass die heimischen Banken einen derartigen Schuldenschnitt nur mit staatlicher Hilfe überstehen werden.

Die Erste Group hat vor einigen Tagen der Öffentlichkeit offenbart, dass sie Verluste von 700 bis 800 Mio. Euro schreiben wird, auch die Österreichische Volksbanken AG hat bereits Verluste angekündigt. Einer Studie der Großbank Credit Suisse zufolge werden auch die Raiffeisen Bank International und die BAWAG frisches Kapital benötigen. Insgesamt wird ein Betrag von 4 Mrd. Euro erwartet, wobei sich die Erste mit 1,3 und die Raiffeisen Bank International mit 1,2 Mrd. Euro voraussichtlich zu Buche schlagen werden.

Es stellt sich die Frage, ob die Republik diesmal den Banken nicht in Form direkter Beteiligungen helfen soll. Dies umso mehr, als einzelne Banker bereits heute ankündigen, dass sie, um die höhere Kapitalquote zu erreichen, das Geschäft reduzieren, d. h. weniger Kredite an die Wirtschaft vergeben wollen. Diesem Erpressungsversuch gilt es seitens der Politik jedenfalls entschieden entgegenzutreten.

Insgesamt zeigt sich ein Bild, das fatal an die Ballade vom Zauberlehrling erinnert. „Die Geister, die man rief, man wird sie nicht mehr los.“

Dazu kommt noch der unerträgliche Zustand, dass offenbar die deutsche Bundeskanzlerin Merkel und der französische Ministerpräsident Sarkozy im Vorfeld der Verhandlungen in bilateralen Besprechungen – hinter dem Rücken der übrigen EU-Staaten – festlegen, was beim eigentlichen Gipfel nur mehr durchgewunken wird. Es bestimmen zwei und zahlen dürfen alle!

Im Interesse Österreichs wäre es allerhöchste Zeit die Notbremse zu ziehen und mit einem Veto beim EU-Gipfel am 23. Oktober 2011 für eine Nachdenkpause in der Eurozone zu sorgen. Sonst setzt die Bundesregierung die Zukunft unseres Landes und das Vermögen der Steuerzahler aufs Spiel und es droht eine gewaltige Belastungswelle für die nächsten Generationen.

 


Aus den genannten Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundeskanzler nachstehende

 

 

DRINGLICHE ANFRAGE

 

 

 

 

 

1. Wollen Sie bei der Schuldenkrise in Griechenland weiterhin nicht über eine Pleite des Landes oder einen "Haircut" (Schuldennachlass) reden, wie Sie es in der ORF-Pressestunde vom 26. Juni dieses Jahres gesagt haben?

 

2. Sind Sie - insbesondere in Hinblick auf den kommenden Schuldenerlass für Griechenland - auch der Meinung von Finanzministerin Maria Fekter, dass die  Griechenlandhilfe für Österreich, so die Zusammenfassung des ORF, ein „gutes Geschäft“ sei und, wenn ja, wie begründen Sie dies?

 

3. Wie erklären Sie angesichts der drastischen Entwicklungen in Griechenland Ihre diesbezüglich gegenüber dem Hauptausschuss in Angelegenheiten der Europäischen Union zum Ausdruck gebrachte eklatante Fehleinschätzung, als Sie dort noch am 24.03.2010 feststellten, dass Griechenland wahrscheinlich keinen Antrag auf etwaige Hilfe stellen werde?

 

4. Sind Sie im Besitz des sogenannten „non-Papers“ über die Pläne für den EU-Gipfel am 23.10.2011 bzw. kennen Sie dessen Inhalt?

 

5. Wenn nein, haben Sie nicht die Herausgabe des sogenannten „non-Papers“ über die Pläne für den EU-Gipfel am 23.10.2011 von Ihrem Parteikollegen Kai Jan Krainer verlangt, der nach Medienberichten bzw. nach eigener Angabe im Besitz dieses Papiers ist?

Wenn nein, warum nicht bzw. welche Gründe sprachen dagegen?

 

6. Werden Sie sicherstellen, dass ehestmöglich, spätestens jedoch bis zur Sitzung des Hauptausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union am 21.10.2011 auch den anderen Nationalratsabgeordneten das gegenständliche „non-Paper“ zur Verfügung gestellt wird?

 

7. Welche konkreten Inhalte hat das sogenannte „non-Paper“ über die Pläne für den EU-Gipfel am 23.10.2011? (Bitte einzeln aufzählen und erläutern.)


8. Stimmt es, wie Ihr Finanzsprecher Kai Jan Krainer gegenüber dem Kurier vom 15.10.2011 äußerte, dass im sogenannten „non-Paper“ über die Pläne für den EU-Gipfel am 23.10.2011 als Maßnahme vorgesehen ist, dass die EU mit einem „Hebel“ den EFSF von derzeit 440 auf 2500 Milliarden Euro in der Form aufstocken will, dass vom EFSF Staatsanleihen gekauft werden sollen, die dann bei der EZB hinterlegt werden, um dafür Kredit zu erhalten und damit Staatsanleihen kaufen zu können?

 

a. Wenn ja, wie beurteilen Sie eine derartige Maßnahme?

 

b. Stimmen Sie der diesbezüglichen Aussage Ihres Finanzsprechers Kai Jan Krainer „Ich halte diesen Weg prinzipiell für falsch.“ zu?

Wenn nein, warum nicht?

 

c. Stimmen Sie der Aussage Ihres Finanzsprechers Kai Jan Krainer „Undenkbar ist aber, dass auf diesem Weg das Risiko für die Steuerzahler vervielfacht wird, ohne dass unser Parlament zustimmt.“ zu bzw. ist dies Parteilinie der SPÖ?

 

d. Wenn ja, würden Sie einer solchen Maßnahme auch ohne vorherige Beteiligung des österreichischen Parlaments zustimmen?

 

e. Wären Sie bereit, vor der Zustimmung zu einer solchen Maßnahme eine Volksabstimmung vorzuschlagen?

 

 

9. Können Sie ausschließen, dass der jeweilige Vertreter der österreichischen Bundesregierung einer Hebelung der Mittel des EFSF die Zustimmung erteilen wird?

 

10. Werden Sie im Falle einer weiteren Änderung von EU-Primärrecht, wie von Merkel und Sarkozy, aber auch der Europäischen Kommission angekündigt, im Zuge des innerstaatlichen Ratifizierungsverfahrens eine diesbezügliche Volksabstimmung vorschlagen?

Wenn nein, warum nicht?

 

11. Stimmen Sie der Aussage Ihres Finanzsprechers Kai Jan Krainer „Ein neuer EU-Vertrag dieses Inhaltes wird ohne Volksabstimmung nicht möglich sein.“ bezüglich möglicher Durchgriffsrechte der EU auf die nationale Budgetgestaltung bis hin zur kommissarischen Verwaltung eines Landes zu bzw. ist es – wie Krainer fordert – Parteilinie, dass die SPÖ in einem solchem Fall ein neues EU-Wahlrecht in der Form voraussetzt, dass die Wähler EU-Politiker direkt wählen können (Krainer, in Kurier vom 15.10.2011: „Es ist undenkbar, dass demokratisch legitimierte Parlamente durch eine nicht demokratisch legitimierte EU-Kommission ersetzt werden.“)?

 

12. Werden Sie Vorschlägen betreffend die Einführung von Bestimmungen zur Stärkung der Überwachung der Wirtschafts- und Haushaltspolitik von Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets, wie sie seitens der Europäischen Kommission am 12. Oktober 2011 gemacht wurden, die Zustimmung erteilen?

Wenn ja, warum?

 

13. Werden Sie der seitens der Europäischen Kommission jüngst unterbreiteten Forderung nach einer Vorabprüfungsmöglichkeit von Haushaltsentwürfen der Mitgliedstaaten zustimmen?

Wenn ja, warum?


14. Stimmen Sie der Aussage Ihres Finanzsprechers Kai Jan Krainer „Es ist gängige Meinung in der SPÖ, dass es nur mehr Verstaatlichung gibt. Steuergeld bekommen Banken nur mehr für Eigentümerrechte.“ bezüglich des EU-Planes zur  Bankenrekapitalisierung, wonach Banken zuerst Geld am Markt auftreiben sollen und im Falle des Nichtgelingens die Staaten und zuletzt der EFSF einspringen solle, zu bzw. ist dies Parteilinie der SPÖ?

Wenn nein, warum nicht?

 

15. Wenn ja, gilt dies auch für Hilfen, die aus den noch nicht ausgeschöpften Mitteln des Bankenrettungspaketes gewährt werden (nach Berichten ca. 6 Milliarden Euro)?

Wenn nein, warum nicht?

 

16. Werden Sie angesichts der enormen Verlustprognose der Erste Group und der Österreichischen Volksbanken AG sowie den sich abzeichnenden Problemen der Raiffeisen Bank International und der BAWAG-PSK einen inländischen Bankenstresstest unter Zugrundelegung der Annahme eines 60 %-igen Schuldennachlasses für Griechenland durchführen lassen?

 

17. Welche budgetären und belastungsmäßigen Auswirkungen werden allfällige seitens Österreichs in diesem Zusammenhang erforderliche „Bankenhilfspakete“ nach sich ziehen?

 

18. Bei welchen Sitzungen auf Europäischer Ebene war Österreich in Zusammenhang mit der Vorbereitung der Schlussfolgerungen für den Europäischen Rat durch wen vertreten?

 

19. Haben Vorgespräche mit anderen Mitgliedstaaten im Vorfeld dieses Gipfels zur allfälligen Abstimmung der Positionen für den bevorstehenden EU-Gipfel stattgefunden?

Wenn ja, mit welchem Ziel?

Wenn nein, warum noch nicht?

 

20. Haben Sie persönlich mit anderen Regierungschefs Kontakt aufgenommen bzw. persönliche Gespräche zur allfälligen Abstimmung der Positionen für den bevorstehenden EU- Gipfel geführt?

Wenn ja, mit welchem Ziel?

Wenn nein, warum noch nicht?

 

21. Sind Ihnen die konkreten zwischen Deutschland und Frankreich getroffenen Vereinbarungen in Hinblick auf den Europäischen Rat bzw. die Sitzungen der Euro-Gruppe bekannt?

Wenn ja, um welche Vereinbarungen handelt es sich dabei?

 

22. Welche konkreten Inhalte wurden oder werden noch in Zusammenhang mit der Vorbereitung der Schlussfolgerungen für den Europäischen Rat am 23. Oktober 2011 seitens der österreichischen Bundesregierung eingebracht bzw. blockiert?

 

23. Welche konkreten Inhalte werden in den vorbereitenden Sitzungen des Ausschusses der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten vom österreichischen Vertreter bzw. seitens der österreichischen Bundesregierung im Zusammenhang mit der Erstellung der Schlussfolgerungen für den Europäischen Rat eingebracht bzw. blockiert werden?


24. Werden Sie beim EU-Gipfel auch den 290 Millionen Euro teuren Protzpalast für den Europäischen Rat sowie seinen Ratspräsidenten Herman van Rompuy, ansprechen?

 

25. Was halten Sie - nicht zuletzt in Hinblick darauf, dass die Kronenzeitung demgegenüber negativ eingestellt sein dürfte - davon, in Sparpaketszeiten einen neuen Glaspalast für den Europäischen Rat sowie seinen EU-Ratspräsidenten zu errichten?

 

26. Können Sie ausschließen, dass der jeweilige Vertreter der österreichischen Bundesregierung einer Haftungsausweitung für den Rettungsschirm die Zustimmung erteilen wird?

 

27. Können Sie ausschließen, dass der jeweilige Vertreter der österreichischen Bundesregierung einem Schuldenschnitt für Griechenland die Zustimmung erteilen wird?

 

28. Um wie viel müsste die Steuer- und Abgabenbelastung für die Österreicherinnen und Österreicher hinaufgeschraubt werden, um die im Falle des Schlagendwerdens der von Österreich übernommenen Haftungen bzw. des Ausfalls von gewährten Krediten steigende Verschuldung einzufangen?

 

29. Wird Österreich bei den in dieser Woche stattfindenden Treffen der Eurogruppe die Überweisung der nächsten Kreditrate vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Griechenland die erwarteten Sparziele nicht erreicht hat, ablehnen?

Wenn nein, warum nicht?

 

30. Teilen Sie die Ansicht Ihrer Finanzministerin, wonach beim EFSF keine Kontrolle durch die Rechnungshöfe notwendig sei?

 

31. Können Sie es gegenüber den Österreicherinnen und Österreichern verantworten, dass der EFSF – wie vom Präsidenten des Rechnungshofes jüngst kritisiert – über keine externe Kontrolle über die ordnungsgemäße Verwendung der Steuergelder verfügt?

Wenn ja, wie begründen Sie dies?

 

 

 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93 Abs. 2 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt dringlich zu behandeln und dem Erstanfragesteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.