107/SBI XXIV. GP

Eingebracht am 21.05.2013
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Stellungnahme zu Bürgerinitiative


 

Am 6. März 2013 hat der Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen beschlossen, zur Bürgerinitiative Nr. 56 „Festplattenabgabe jetzt“ (56/BI)) und zur Bürgerinitiative Nr. 57 „Kampf gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit, Antisemitismus und Islamophobie sowie gegen Homophobie“ (57/BI) jeweils eine Stellungnahme des Justizressorts einzuholen.

Zur Bürgerinitiative ,,Festplattenabgabe jetzt“ (56/BI)

Geänderte wirtschaftliche, technische und rechtliche Rahmenbedingungen haben zu einer Reihe von urheberrechtlichen Reformanliegen geführt, die u.a. in die Forderungsliste der von österreichischen Kunstschaffenden getragenen Initiative „Kunst hat Recht“ Eingang gefunden haben. Besonderes Augenmerk hat die Initiative auf die - auch in der Bürgerinitiative Nr. 56 „Festplattenabgabe jetzt“ angesprochene - Ausweitung der „Leerkassettenvergütung“ für die private Vervielfältigung auf Festplatten bzw. auf alle für die private Vervielfältigung geeigneten Speichermedien gelegt.

Bundesministerin Dr. Beatrix Karl hat sich dieser Anliegen in ihrer Rede in einer Enquete am 26. April 2012 anlässlich des Welttags für geistiges Eigentum angenommen und in der Folge Gespräche mit dem Ziel geführt, eine ausgewogene und vernünftige Reform des Urheberrechts vorzubereiten. Im Juli und Oktober 2012 wurden diese Gespräche in kleineren Gruppen durchgeführt. Im Dezember 2012 wurde ein erster Arbeitsentwurf in zwei Sitzungen diskutiert, zu denen umfassend am Urheberrecht interessierte Personen und Stellen eingeladen wurden.

Dabei hat das Bundesministerium für Justiz auch die Erweiterung der Leerkassettenvergütung nach § 42b Urheberrechtsgesetzes auf eine Speichermedienvergütung zur Diskussion gestellt. Bedauerlicherweise ist dieser Vorschlag auf starke Ablehnung insbesondere der Sozialpartner gestoßen. In dieser Legislaturperiode verbleibt für die aller Voraussicht nach intensiven und umfassenden Gespräche und eine Annäherung der Standpunkte nicht ausreichend Zeit, sodass nur mehr EU-rechtliche Vorgaben im Urheberrechtsgesetz umgesetzt werden können. Die weiteren Neuerungen im Urheberrecht sollten auf einem möglichst umfassenden Konsens aller beteiligten Interessenvertreter beruhen. Darauf wird das Bundesministerium für Justiz hinarbeiten.

 

Die Modernisierung des Urheberrechts wird daher auch in der 25. Legislaturperiode ein wichtiges Anliegen bleiben.

Zur Bürgerinitiative Nr. 57 „Kampf gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit. Antisemitismus und Islamophobie sowie gegen Homophobie“ (57/BI)

Diese Initiative betrifft den Vollziehungsbereich des Justizressorts nur in Teilbereichen.

So fiele die Vorbereitung eines bundesweiten Antidiskriminierungsgesetzes nicht in die federführende Zuständigkeit des Bundesministeriums für Justiz (BMJ). Unabhängig davon bestehen bereits jetzt ausreichende Normen, die - insbesondere auch für den Personalbereich - eine diskriminierungsfreie Handhabung der Personalaufnahme und Rekrutierung sowie der Aus- und Fortbildung sicherstellen, wie beispielsweise das Bundes- Gleichbehandlungsgesetz und die darauf fußenden Frauenförderungspläne, das auch für den öffentlichen Dienst geltende Behinderteneinstellungsgesetz sowie die zahlreichen Regelungen zur beruflichen (Grund-) Ausbildung und zur laufenden Fort- und Weiterbildung, welche allesamt zu einem diskriminierungsfreien Miteinander am Arbeitsplatz beitragen.

Das Aufnahmeverfahren und die Personalauswahl sowie die Ausbildung für den öffentlichen Dienst im Allgemeinen und den Justizdienst im Besonderen ist durchgängig gesetzlich und zusätzlich durch sonstige transparente Bestimmungen (wie z.B. Grundausbildungsverordnungen geregelt). Bereits die vorhandenen Normen, wie insbesondere das Ausschreibungsgesetz, das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz, das Behinderteneinstellungsgesetz und das Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetz stellen eine gleichmäßige und diskriminierungsfreie Personalauswahl sicher. So liegt beispielsweise der Frauenanteil in der Justiz insgesamt bei rund 54%, bei den Staatsanwält/innen und Richter/innen bei 51% bis 53%.

Was die Aus- und Fortbildung von (künftigen) Richterinnen, Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten betrifft, so durchläuft jede/r Richteramtsanwärter/in als Teil der vierjährigen Ausbildung neben den Kernbereichen auch spezielle Fortbildungen zu den Themen Grund- und Menschenrechte, die auch Gegenstand der Richteramtsprüfung sind (§16 Abs. 4 Z 6 und 8 RStDG).

Dazu wurde von der Fachgruppe Grundrechte der Vereinigung der Österreichischen Richterinnen und Richter ein interdisziplinäres dreitägiges Grundrechtsmodul „Curriculum Grundrechte“ entwickelt, das gemeinsam mit dem Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte Wien, dem European Training- and Research Center for Human Right and Democracy Graz (ETC) und dem Österreichischen Institut für Menschenrechte Salzburg (ÖIM) veranstaltet wird und von allen Richteramtsanwärter/innen verpflichtend zu absolvieren ist. In diesem Rahmen werden u.a. die genannten Problematiken von Rassismus, Menschenfeindlichkeit, Antisemitismus, Islamophobie und Homophobie behandelt. Ergänzend besteht für die Richteramtsanwärter die Möglichkeit einer Studienreise zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR).

Zur vertiefenden Behandlung des Themenkomplexes des Antisemitismus, Rassismus und Nationalsozialismus wird außerdem das „Curriculum Justizgeschichte“ für Richteramtsanwärter/innen angeboten, das im Herbst 2013 und Frühling 2014 bereits zum dritten Mal in Zusammenarbeit mit der Forschungsstelle Nachkriegsjustiz abgehalten wird und u.a. Besichtigungen der Gedenkstätten „Am Spiegelgrund“ und Mauthausen beinhaltet. Das Curriculum soll Grundlagenwissen zur neueren Justizgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert vermitteln und zur Sensibilisierung der Teilnehmer/innen für politische Implikationen sowohl in zivil- als auch in strafrechtlichen Entscheidungen beitragen.

Um auch die Unterstützung von Opfern (von Diskriminierung) sicherzustellen, haben zukünftige Richter/innen und Staatsanwält/innen im Rahmen ihrer Ausbildung weiters ein zumindest zweiwöchiges Praktikum bei einer Opferschutz- oder Fürsorgeeinrichtung zu absolvieren (§ 9 Abs 4 RStDG).

Auch nach abgeschlossener Ausbildung besteht für Richter/innen und Staatsanwält/innen eine ausdrückliche Fortbildungsverpflichtung (§ 57 RStDG). Zu den gegenständlichen Themen werden laufend spezielle Fortbildungsveranstaltungen angeboten, in den Jahren 2012 und 2013 beispielsweise die Folgenden:

             Gleichbehandlungsrecht (eintägig)

             Dynamik des Grundrechtsschutzes - Herausforderungen für die nationale und europäische Rechtsprechung (eintägig)

             Grundrechtstag 2013 „Zukunft der Geschlechter“ (zweitägig)

             Ausländer/innen sind anders, Österreicher/innen auch - Wie wollen wir dem „Anderen“ begegnen? (dreitägig)

             Wien ist anders - Interkulturelle Wege (eintägig)

             Kommunikation mit Menschen aus unterschiedlichen Kulturen (zweitägig)

             Exkursion in die KZ-Gedenkstätte Mauthausen (eintägig)

Im Herbst 2011 wurde außerdem im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Justiz und Zeitgeschichte“ des BMJ die Ausstellung „Der Prozess - Adolf Eichmann vor Gericht“ im Justizpalast gezeigt und von zahlreichen Richteramtsanwärter/innen, Richter/innen und Staatsanwält/innen besucht. In diesem Zusammenhang fand auch ein Zeitzeugengespräch mit dem stellvertretenden Staatsanwalt im Prozess gegen Adolf Eichmann, Dr. Gabriel Bach, statt.

Darüber hinaus stehen österreichischen Richter/innen und Staatsanwält/innen im Rahmen des internationalen Fortbildungsangebotes des European Judicial Training Networks (EJTN), bei dem Österreich Mitglied ist, zahlreiche Veranstaltungen aus diversen Programmen zu den genannten Themen offen. Zu nennen sind beispielsweise:

              Fight Against Discrimination - Seminarreihe mit mehreren Teilen, veranstaltet vom belgischen Institute of Judicial Training

             The Place of the Victim - Seminarreihe mit zwei Teilen, veranstaltet von der Europäischen Rechtsakademie (ERA)

              Operating Manual for the European Convention on Human Rights, veranstaltet von der französischen Justizschule (ENM)

             Judges Facing Societal Issues: Secularism, the Judge and the Law, veranstaltet von ENM

              Islam and Arabic actual World, veranstaltet von ENM

              Direct Application of European Convention of Human Rights by Domestic Courts in Cases Brought Before Them, veranstaltet vom rumänischen National Institute of Magistracy (NIM)

             Summer School “Ethics and Deontology”, veranstaltet von NIM

             Judicial Ethics - Foundations, Prospects, Global Comparison of Standards of Judicial Conduct, veranstaltet von der Deutschen Richterakademie

             The Juridicial Condition of Foreigners and Jurisdictional Safegueards of Fundamental Rights between National Law and Supranational Regulations, veranstaltet vom italienischen Consiglio Superiore della Magistratura

              Fundamental Rights and Private Law, veranstaltet vom italienischen Consiglio Superiore della Magistratura

              Protection of gypsies, migrants and refugees, veranstaltet vom italienischen Consiglio Superiore della Magistratura

Auch in den Ausbildungs- und Lehrplänen für die Justiz-Grundausbildungen wird auf Antidiskriminierungs- und Gleichbehandlungsinhalte besonderer Wert gelegt, ebenso in der weiteren beruflichen Fortbildung.

Die konkrete Umsetzung und Beachtung der im Rahmen von Ausbildungs- und Schulungsmaßnahmen vermittelten Inhalte bedarf selbstverständlich einer regelmäßigen Evaluierung im Rahmen der Dienstaufsicht. Im Zuge regelmäßiger Amtsnachschauen, im Rahmen der Inneren Revision, bei der Auswertung der Ergebnisse der

Mitarbeiter/innengespräche, im Zuge der Behandlung allfälliger Beschwerden im Rahmen der Dienstaufsicht, im Wege sonstiger Instrumente der Qualitätssicherung und der Dienstaufsicht (wie etwa bei den Justiz-Ombudsstellen der Oberlandesgerichte) sowie schließlich regelmäßiger IT-gestützter Analysen der Gerichtsregister in Bezug auf besonders auffällige (z.B. überdurchschnittlich lang anhängige) Verfahren und durch entsprechende Auswertungen im Rahmen des Personalcontrollings können allfällige Verstöße gegen Grund- und Menschenrechte sowie etwaige Fälle einer Verletzung von Antidiskriminierungsbestimmungen identifiziert und im Falle des Verdachts einer individuellen Personen zuordenbaren Verantwortlichkeit auch im Wege der geltenden dienstrechtlichen, disziplinarrechtlichen und gegebenenfalls strafrechtlichen Bestimmungen konsequent verfolgt werden.

Alle Dienststellenleiter/innen und sonstigen Bediensteten in Leitungsfunktionen sind schon auf Grund des geltenden Dienst- und Organisationsrechts verpflichtet, allfällige Verstöße gegen Antidiskriminierungs- und Gleichbehandlungsbestimmungen in ihrem jeweiligen Aufgaben- und Zuständigkeitsbereich aufzugreifen und für eine entsprechende Abhilfe Sorge zu tragen.

Was die materielle und politische Förderung von zivilgesellschaftlichen Strukturen, die juristische und psychologische Begleitung und Betreuung von Opfern von Rassismus und Prozessbegleitung bieten, anlangt, so ist darauf hinzuweisen, dass im Strafverfahren auch Opfern von Rassismus und Menschenfeindlichkeit Prozessbegleitung offen steht, wenn durch eine vorsätzlich begangene Straftat Gewalt, gefährliche Drohung oder eine Beeinträchtigung der sexuellen Integrität verursacht worden sein könnten. Zumal die beiden erstgenannten Auswirkungen wohl häufig mit vorsätzlichem, strafrechtlich relevatem Verhalten aus derart niederen Motiven einhergehen, scheint ein großer Teil der Forderungen der Initiative für das Strafverfahren bereits erfüllt.

Das Bundesministerium für Justiz ist stets um eine Verbesserung des Schutzes der Opfer von Straftaten bemüht und steht diesbezüglich auch mit den Opferschutzeinrichtungen in engem Kontakt und intensivem Austausch. Verwiesen werden kann dabei auf die mittlerweile instituitonalisierten und vom Managementzentrum Opferhilfe (MZ.O) betreuten „Runden Tische Opferschutz - Prozessbegleitung“ am Sitz der Landesgerichte, die unter Beteiligung der Staatsanwaltschaften, der Polizei sowie der Opferschutzeinrichtungen einmal jährlich an jedem Standort abgehalten werden. Ziel ist es, Problemfelder zu erkennen und Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen sowie das wechselseitige Verständnis für die Anliegen und alltäglichen Probleme zu fördern. In einem zusammenfassenden Abschlussbericht, der dem Bundesministerium für Justiz vorgelegt wird, sind konkrete Reformvorschläge enthalten. Vor dem Hintergrund der bis 16. November 2015 in innerstaatliches Recht umzusetzenden Richtlinie Opferschutz (Richtlinie 2012/29/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über die Mindesstandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten sowie zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2001/220/JI) wird es auch eine Prüfung und Evaluierung der Prozessbegleitung geben.

 

Letztlich darf darauf verwiesen werden, dass es schon bisher gängige Praxis ist, selten aber doch auftretende konkrete Probleme im Zusammenhang mit der Gewährung der Prozessbegleitung (z.B. mangels Vorliegens der formellen gesetzlichen Voraussetzungen) einzelfallbezogen einer sachgerechten Lösung im Interesse aller Beteiligten zuzuführen.

Das Bundesministerium für Justiz steht konkreten Reformvorschlägen offen gegenüber und könnte diese - nach inhaltlicher Prüfung - im Zuge der Umsetzung der Richtlinie Opferschutz ein beziehen.

Im zivilrechtlichen Bereich ist schließlich noch auf das jüngste Projekt der Familiengerichtshilfe und Besuchsmittlung hinzuweisen. Durch das im Wesentlichen mit 1. Februar 2013 in Kraft getretene Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetz 2013 (KindNamRÄG 2013), BGBl. I Nr. 15/2013, wurde im Wege der neu eingefügten Bestimmungen der §§ 106a bis 106c des Außerstreitgesetzes die Grundlage zur Einrichtung einer Familiengerichtshilfe (beinhaltend auch die Besuchsmittlung) geschaffen, durch die nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum KindNamRÄG (ErläutRV S. 6f) die Qualität und Nachhaltigkeit der Streitschlichtung und der gerichtlichen Verfahren und Entscheidungen in Angelegenheiten der Obsorge und des Rechts auf persönlichen Verkehr verbessert werden soll.

Wien, 20. Mai 2013

Für die Bundesministerin:

Dr. Wolfgang Kirisits

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