61/SBI XXIV. GP

Eingebracht am 23.04.2012
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Stellungnahme zu Bürgerinitiative

An die

Parlamentsdirektion

L1.13 – Ausschussbetreuung NR

1017 Wien

via E-Mail: stellungnahme.PETBI@parlament.gv.at

Betrifft:     Bürgerinitative Zl. 37/BI , XXIV.GP-NR, Stoppt die Vorratsdatenspeicherung Bürgerinneninitiative zur Abschaffung der EU-Richtlinie 2006/24/EG und Evaluation sämtlicher Terrorgesetze“; Stellungnahme des BMJ

Das Bundesministerium für Justiz erstattet zu der im Betreff genannten Bürgerinitiative nachfolgende Stellungnahme:

Mit BGBl. I Nr. 33/2011 wurden in Umsetzung der Richtlinie 206/24/EG über die Vorratsdatenspeicherung und korrespondierend zu den Änderungen des Telekommunikationsgesetzes 2003 (BGBl. I Nr 27/2011; TKG) Änderungen in der Strafprozessordnung (StPO) und im Sicherheitspolizeigesetz (SPG) vorgenommen.

Durch die Änderungen der StPO werden die erforderlichen strafprozessualen Regelungen für den Zugriff auf Vorratsdaten geschaffen und die übrigen Änderungen des TKG betreffend Ersuchen um Übermittlung von Stammdaten und Anordnungen über Auskunft von Stamm- und Zugangsdaten nachvollzogen. Die Anordnung einer Auskunft über Vorratsdaten (§§ 134 Z 2a und 135 Abs. 2a StPO), also die Auskunft über jene Daten, die nach § 102a Abs. 2 bis 4 TKG von den Anbietern zu speichern sind, ist nach gerichtlicher Bewilligung (§ 137 Abs. 1 StPO) in den Fällen des § 135 Abs. 2 Z 2 bis 4 StPO zulässig:

a)    mit Einverständnis des Inhabers des Endgeräts, das Ursprung oder Ziel einer Nachricht war oder sein wird, wenn zu erwarten ist, dass die Aufklärung einer vorsätzlich begangenen, mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedrohten Straftat gefördert werden kann;

b)    ohne Einverständnis, wenn zu erwarten ist, dass dadurch die Aufklärung einer vorsätzlich begangenen, mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Straftat gefördert werden kann und

c)      zur Aufenthaltsermittlung von flüchtigen oder abwesenden Beschuldigten, die einer vorsätzlichen mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung dringend verdächtig sind.

Dabei ist die Kontrolle der Anordnungen, Bewilligungen und Durchführungen jedweder Auskünfte über Vorratsdaten und damit auch der Schutz von Berufsgeheimnisträgern (§ 157 Abs. 1 Z 2 bis 4 StPO) durch den Rechtsschutzbeauftragten (§ 147 Abs. 1 StPO) systemgerecht gewährleistet.

In den Fällen von Auskünften über Stamm- und Zugangsdaten (§ 76a Abs. 2 StPO) sind Anbieter auf Grund einer schriftlichen und begründeten Anordnung der Staatsanwaltschaft (§ 102 StPO), die sich auf die Aufklärung des konkreten Verdachts einer Straftat einer bestimmten Person bezieht, und zwingend der Revision gemäß § 5 Abs. 5 StAG unterliegt (Wahrung des Vier-Augen-Prinzips), zur Auskunft über folgende Daten des Inhabers der betroffenen technischen Einrichtung verpflichtet, wobei § 99 Abs. 5 Z 2 TKG eine ausdrückliche Verarbeitungsermächtigung für die bezughabenden Daten enthält:

a)              Name, Anschrift und Teilnehmerkennung des Teilnehmers, dem eine öffentliche IP-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt unter Angabe der zugrunde liegenden Zeitzone zugewiesen war, es sei denn, dass diese Zuordnung eine größere Zahl von Teilnehmern erfassen würde;

b)              die bei Verwendung von E-Mail Diensten dem Teilnehmer zugewiesene Teilnehmerkennung;

c)              Name und Anschrift des Teilnehmers, dem eine E-Mail-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt zugewiesen war, und

d)              die E-Mail-Adresse und die öffentliche IP-Adresse des Absenders einer E-Mail.

Darüber hinaus stehen in den Fällen von Auskünften über Stamm- und Zugangsdaten (§ 76a Abs. 2 StPO) Beschuldigten oder anderen von der Maßnahme betroffenen Personen die nach §§ 138 Abs. 5 und 139 StPO normierten Informations-, Einsichts- und Antragsrechte ausdrücklich zu.

In ihrem Bericht vom 18. April 2011 (KOM 2011, 225 endgültig) an den Rat und das Europäische Parlament über die Bewertung zur Richtlinie 2006/24/EG über die Vorratsdatenspeicherung beurteilte die Europäische Kommission die Richtlinie 2006/24/EG über die Vorratsdatenspeicherung als ein notwendiges und nützliches Instrument für die Strafrechtspflege. Dennoch kritisierte die Europäische Kommission, dass das gewünschte Ziel der Richtlinie, nämlich die Harmonisierung der unterschiedlichen Speicherverpflichtungen in den Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Harmonisierung des Binnenmarktes verfehlt worden sei. Des Weiteren seien die nationalen Vorschriften bezüglich des Zugriffs auf die gespeicherten Daten unterschiedlich ausgestaltet. Die Europäische Kommission kündigte vor diesem Hintergrund die Ausarbeitung und Vorlage eines Vorschlags zur Abänderung der Richtlinie 2006/24/EG über die Vorratsdatenspeicherung an.

In mehreren Mitgliedstaaten wurde die nationale Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG über die Vorratsdatenspeicherung verfassungs- bzw. höchstgerichtlich einer Überprüfung unterzogen. Richtig ist auch, dass in mehreren Mitgliedstaaten die nationalen Umsetzungsgesetze einer Überprüfung nicht standhielten und aufgehoben wurden. Allerdings haben sich in keinem dieser Verfahren die Höchstgerichte bisher veranlasst gesehen, die Richtlinie selbst zu bemängeln.

Wien, 20. April 2012

Für die Bundesministerin:

Dr. Wolfgang Kirisits

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