229/SPET XXIV. GP

Eingebracht am 04.07.2012
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Stellungnahme zu Petition

 

 

 

 


An die

Parlamentsdirektion

L1.3 – Ausschussbetreuung NR                                                           Wien, am 3. Juli 2012

Parlament

1017 Wien

E-Mail: stellungnahme.PETBI@parlament.gv.at           GZ. BMeiA-AT.3.16.04/0012-III.6/2012

 

 

 

 

Ressortstellungnahme zur Petition Nr. 157

 

Das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten nimmt zur Petition Nr. 157 („Keine Agrotreibstoffbeimengung ohne ausreichende soziale und ökologische Mindeststandards“) wie folgt Stellung:

 

1.    Zur Forderung eines Moratoriums der Beimischungsquoten auf EU-Ebene

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben gemeinsam mit der Europäischen Kommission ein System zur nachhaltigen Erzeugung von Rohstoffen für Biotreibstoffe ausgearbeitet, in dem Nachhaltigkeitskriterien festgelegt und soziale Fragen behandelt werden. Dadurch sollen negative soziale und ökologische Auswirkungen durch Rohstoffe, die innerhalb der EU produziert oder in die EU importiert werden, verhindert werden. Zusätzlich ist in der Richtlinie eine regelmäßige Überprüfung der Einhaltung der Kriterien vorgesehen.

Österreich hält an seiner Position fest, dass Nachhaltigkeitskriterien gewährleisten müssen, dass die Produktion von Biokraftstoffen für energetische Nutzung im Einklang mit den nationalen, EU- und v.a. den internationalen Zielen des Biodiversitäts-, Natur- und Umweltschutzes steht und diese Ziele nicht gefährdet werden. Im Lichte der Definition von „Nachhaltigkeit“ müssen neben ökologischen Gesichtspunkten auch soziale und sozioökonomische Aspekte Berücksichtigung finden.


2.    Zur Forderung der Herabsetzung der österreichischen Ziele der Beimischungsquoten sowie zur Aussetzung direkter Subventionen von Agrotreibstoffen

Die österreichischen Ziele der Beimischungsquoten entsprechen den Zielsetzungen der Klima- und Nachhaltigkeitspolitik der Europäischen Union. Im Rahmen des Klima- und Energiepakets der EU (2008) haben sich alle Mitgliedstaaten einstimmig für das Erreichen der festgelegten Ziele in den Bereichen Erneuerbare Energie und Klimaschutz ausgesprochen. Nachhaltig produzierte Biotreibstoffe flüssiger und gasförmiger Natur sollen einen wichtigen Beitrag zur Erreichung dieser Zielsetzungen leisten.

Die auf europäischer Ebene beschlossenen Maßnahmen sind vor ihrer Festsetzung einer sorgsamen Prüfung hinsichtlich ihrer Auswirkungen unterzogen worden. Eine neuerliche Evaluierung ist für 2014 vorgesehen.

 

3.    Zur Forderung einer Verschärfung der Erneuerbaren Energien Richtlinie hinsichtlich menschenrechtlicher Mindeststandards

Eine Überprüfung der Auswirkungen einer erhöhten Nachfrage nach Biotreibstoffen auf die soziale Kohäsion in den Mitgliedstaaten sowie in Drittstaaten ist bereits im Rahmen der Richtlinie 2009/28/EG vereinbart worden. Österreich hat sich während der Verhandlungen zu dieser Richtlinie stets für möglichst strenge, verpflichtende menschenrechtliche Mindeststandards im Sinne einer sozialen Nachhaltigkeit eingesetzt.

Die Gewinnung von Agrotreibstoffen ist mit einer Vielzahl von menschenrechtlichen Aspekten verbunden. So spielt etwa die Wahrung der Landnutzungsrechte benachteiligter und existenzgefährdeter Bevölkerungsgruppen bei der Frage der Produktion von „Biosprit“ eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Der VN-Sonderbeauftragte für das Recht auf angemessene Ernährung, Olivier de Schutter, hat anlässlich der Reform der Gemeinsamen Agrarmarktpolitik folgende Empfehlung abgegeben: "The EU should mitigate the negative impacts of increased biofuel production that are encouraged by EU subsidies and fiscal incentives and by the adopted target of 10 per cent of renewable energies in the transportation sector by 2020."

 

4.    Zur Forderung der Berücksichtigung der EZA-Ziele im Sinne eines kohärenzpolitischen Ansatzes

Für Entwicklungs- und Schwellenländer liegt in der Produktion von „Biosprit“ bei Vorliegen der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit auch eine Möglichkeit zur Armutsverringerung. Lokale Märkte werden gestärkt und die Abhängigkeit von Treibstoffimporten reduziert.

Weiters kann eine gesteigerte Produktion höhere Einkommen für die Bauern in Entwicklungs- und Schwellenländern bedeuten. Allgemein steigende Agrarpreise bzw. eine größere Nachfrage nach Agrargütern bieten Erzeugern aus Entwicklungs- und Schwellenländern einen gewissen Schutz vor Billigimporten.


Durch eine großflächig gesteigerte Biotreibstoffproduktion könnte andererseits eventuell der Kampf um Ressourcen wie Land und Wasser verschärft werden, und die Gefahr der Verdrängung von Kleinbauern sowie der indigenen Bevölkerung steigen.  Außerdem könnten Biodiversität und Bewaldung erheblich gefährdet werden.

 

5.    Zur Forderung der Berücksichtigung indirekter Landnutzungsänderungen und Emissionen

Konsultationen zwischen der Europäischen Kommission und den Mitgliedsstaaten zum Thema indirekter Landnutzungsänderungen haben bereits 2010 stattgefunden. In einem Bericht will die Europäische Kommission die Auswirkungen indirekter Landnutzungsänderungen auf Treibhausgasemissionen darlegen, dem ggf. ein Legislativvorschlag zur Einschränkung schwerwiegender Auswirkungen folgen wird.

 

6.    Zur Forderung eines verpflichtenden Reduktionszieles für den Energieverbrauch im Verkehrssektor von 20% bis 2020

Derzeit wird auf EU-Ebene ein Vorschlag für eine neue Energieeffizienzrichtlinie intensiv diskutiert. Eine rasche Umsetzung des 20% Energieeffizienzzieles der EU scheint jedenfalls aus Klimaschutzgründen notwendig.

Aus österreichischer Sicht muss in jedem Fall sichergestellt werden, dass die Anforderungen, die sich für alle Beteiligten aus diesen Richtlinien ergeben, unter Einhaltung unserer internationalen Verpflichtungen nicht zu Wettbewerbsverzerrungen bzw. Ungleichbehandlungen zwischen jenen Produkten, die innerhalb der EU, und jenen, die außerhalb der EU produziert werden, führen.

 

 

Für den Bundesminister:

KAINZ m.p.