130/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 29.01.2014
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

der Abgeordneten Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde

 

betreffend gesetzliche Verankerung der Netzneutralität

 

 

 

 

BEGRÜNDUNG

 

Die Erbringung von Internetzugangsdienstleistungen wird in der Regel von privatwirtschaftlichen TelekommunikationsdienstanbieterInnen organisiert. Da dabei wirtschaftliche Interessen eine zentrale Rolle spielen, ist eine heftige Debatte um die Gleichbehandlung von Datenpaketen im Netz ausgebrochen.

Unter dem Stichwort „Netzneutralität“ wird debattiert, ob alle Datenpakete im Internet unverändert und gleichberechtigt übertragen werden sollen, unabhängig davon, woher diese stammen oder welche Anwendungen die Pakete generiert haben oder ob es TelekommunikationsdienstanbieterInnen erlaubt sein soll in den Datenfluss ihrer KundInnen einzugreifen.

Netzneutralität garantiert die Gleichbehandlung aller Datenpakete. Die ökonomisch motivierte Privilegierung bestimmter Internetinhalte würde die Idee des Internets aushöhlen, die Innovationsfähigkeit und den Wettbewerb im Internet einschränken und den Telekommunikationsunternehmen zumindest mittelbar Einfluss auf Inhalte des Internets ermöglichen. Die neutrale Datenübermittlung ist eine Bedingung für den freien Transport von Daten und Informationen.

Ziel muss es daher sein, dass Datenpakete auch künftig „neutral“ übermittelt werden. Die InternetnutzerInnen müssen selbst frei entscheiden können, welche Inhalte sie senden und empfangen bzw. welche Dienste und Anwendungen sie nutzen. TelekommunikationsdienstanbieterInnen sollen nicht in die Kommunikationen ihrer NutzerInnen eingreifen dürfen. Die Beeinflussung von Verfügbarkeit, Priorisierung, Bandbreite, Volumenbegrenzung oder Abrechnungsart weitergeleiteter Daten darf sich nicht nach Inhalten der Datenpakete oder der Art der Anwendungen richten. Ohne garantierte Netzneutralität würde möglicherweise der Inhalt oder der Absender den Weg eines Datenpakets beeinflussen.

Zuletzt wurde das Prinzip der Netzneutralität in den USA, in Europa und in Brasilien heftig diskutiert. Telekommunikationsbetreiber nutzen zusehends diskriminierende Geschäftspraktiken um etwa konkurrierende Internetdienste gegenüber ihren eigenen Angeboten zu benachteiligen oder einzelnen Unternehmen unlautere Bevorzugungen zu verkaufen. Laut einer Studie des Gremiums europäischer Regulierungsbehörden (BEREC) sind bereits 50% der EU-Bevölkerung im mobilen und 20% im Festnetz von Einschränkungen der Netzneutralität betroffen.[1]

Ohne eine gesetzliche Verankerung der Netzneutralität werden für Telekommunikationsbetreiber falsche Investitionsanreize gesetzt. Diskriminierende Geschäftsmodelle erfordern eine künstliche Verknappung von Bandbreiten und Kapazitäten. Dies wurde durch den Fall der Deutschen Telekom verdeutlicht, welche rund um die Einführung von Volumensbegrenzungen in allen Festnetz-Tarifen auch eine Ausnahme von dieser Begrenzung für bezahlte Partnerdienste auf den Markt brachte. Ein ähnlicher Vorstoß ist in den USA von AT&T zu verzeichnen, welche mit dem Begriff "sponsored data" ebenfalls Ausnahmen von Volumensbegrenzungen an Dienstanbieter verkaufen wollen.[2]

Die Aussagen von Telekom-Austria-Chef Hannes Ametsreiter im Wall Street Journal 2012 über die Entscheidungsgewalt seines Unternehmens darüber welche Daten über die ehemals staatlich finanzierten Leitungen fließen dürfen, lassen keinen Zweifel daran, dass auch in Österreich Handlungsbedarf besteht.[3]

In den vergangenen Jahren haben bereits zwei europäische Länder nationale Gesetze zur Netzneutralität verabschiedet. Dies ist auch als Reaktion auf die lang anhaltende Untätigkeit der EU-Kommission in dieser Thematik zurückzuführen.

Inzwischen wird jedoch ein Verordnungsvorschlag auf EU-Ebene diskutiert, der wider früherer Aussagen von Kommissarin Neelie Kroes eine komplette Abschaffung der Netzneutralität mit sich bringen und keinen adäquaten Schutz für die europäische Wissensgesellschaft bieten würde. Kommerzielle Diskriminierungen wären nach dem vorliegenden Gesetzesentwurf in fast jeder denkbaren Form zulässig. Telekombetreibern wird demnach weiters die Befugnis und Aufgabe zu Teil sich um die Abwehr und Verhinderung schwerer Straftaten zu kümmern, dies jedoch ohne Richtervorbehalt oder gesetzliche Grundlage im Einzelfall.[4] Regulierungsbehörden, Organisationen des KonsumentInnenschutzes und der Zivilgesellschaft üben deshalb teils heftige Kritik am Verordnungsentwurf.          

 

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 


 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie wird aufgefordert,

·        sich auf europäischer Ebene für eine Überarbeitung der Bestimmungen zur Netzneutralität im Verordnungsvorschlag 2013/0309 (COD) in dem Sinne einzusetzen, dass eine klare Definition von Specialised Services gemäß den Vorgaben von GEREC geschaffen wird und die Artikel 19 und 23.5.a. zur privatisierten Rechtsdurchsetzung und dem Zwei-Klassen Internet gestrichen und alle Bestimmungen zur Freiheit von Endnutzern durch Rechte von Endnutzern ersetzt werden.

 

·         für den Fall des Scheiterns des Verordnungsentwurfes dem Nationalrat eine Novelle des Telekommunikationsgesetz 2003 vorzulegen, welche das Prinzip der Netzneutralität nach dem Vorbild der Niederlande und Sloweniens absichert.“ 

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Forschung, Innovation und Technologie  vorgeschlagen.

 



[1] https://ec.europa.eu/digital-agenda/sites/digital-agenda/files/Traffic%20Management%20Investigation%20BEREC_2.pdf

[2] http://www.theverge.com/2014/1/6/5279894/at-t-announces-net-neutrality-baiting-sponsored-data-mobile-plans

[3] http://blogs.wsj.com/tech-europe/2011/02/24/telekom-austria-ceo-dismisses-net-neutrality/?mod=WSJBlog&mod=

[4] siehe Artikel 23.5.a. "um einer Rechtsvorschrift oder einem Gerichtsbeschluss nachzukommen oder um schwere Verbrechen abzuwehren oder zu verhindern;"