1335/A XXV. GP

Eingebracht am 23.09.2015
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ANTRAG

 

der Abgeordneten Judith Schwentner, Freundinnen und Freunde

 

 

betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (ALVG) geändert wird.

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Bundesgesetz, mit dem das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (ALVG) geändert wird.

Textfeld

 

Der Nationalrat hat beschlossen:

 

Das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (ALVG), BGBl 1977/609, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 118/2015 wird wie folgt geändert:

 

1. § 21 Abs. 3 erster Satz lautet:

„Als Grundbetrag des Arbeitslosengeldes gebühren täglich 70 vH des täglichen Nettoeinkommens, kaufmännisch gerundet auf einen Cent.“

 

2. In § 21 Abs. 5 wird die Zahl „80“ durch die Zahl „85“ und die Zahl „60“ durch die Zahl „75“ ersetzt.

 

3. Dem § 79 wird folgender Abs. 151 angefügt:

„(151) § 21 Abs. 3 und 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. XXX/201X treten mit 1. Jänner 2016 in Kraft.“

 

Begründung:

 

Arbeitslosengeld wie Notstandshilfe sind im österreichischen Recht als Überbrückungshilfe in kurzzeitigen Notlagen konstruiert. Dies drückt sich insbesondere in der niedrigen Nettoersatzrate von 55% aus: Wer arbeitslos ist, erhält pro Monat ein Zwölftel von 55% des vorherigen Jahresnettoeinkommens.

Ein derart niedriges Einkommen zur Sicherung der Existenz mag seinen Zweck erfüllen, so lange die Phase der Arbeitslosigkeit nur wenige Wochen andauert. Die Realität der letzten Jahre ist jedoch, dass nicht allein die Zahl der arbeitslosen Menschen steigt, sondern auch die Dauer der Arbeitslosigkeit bzw. die Dauer der Phasen, in denen Menschen mit derart wenig Geld ihre Existenz sowie die ihrer Familie sichern müssen. Zwischen 2008 und 2014 ist die durchschnittliche Verweildauer in der Arbeitslosenversicherung um 16 Tage (über 18%) gestiegen. Allein im Jahr 2015 ist diese Verweildauer abermals zwischen Jänner und August um durchschnittlich 9,5 Tage gestiegen.

 

Im August 2015 waren bereits 147.000 Menschen länger als ein Jahr von den niedrigen Leistungen des AMS abhängig. Sie sind in dringender Gefahr, in Armut abzugleiten. Der Anteil dieser langzeitbeschäftigungslosen Menschen stieg im letzten Jahr um 23% oder 27.000 Menschen.

 

Es ist ein Zeichen sozialer Ausgrenzung, über derart lange Zeit mit einem derart niedrigen Einkommen die Existenz sichern zu müssen. Aus diesem Grund haben praktisch alle Länder der EU mit Ausnahme der baltischen Länder und der Slowakei höhere Ersatzquoten in der Arbeitslosenversicherung als Österreich. Dies folgt der Erkenntnis, dass nur ein sozial abgesicherter Mensch sich effektiv entweder um einen neuen Job kümmern kann bzw. in der Lage ist, effektiv so genannte Vermittlungshemmnisse (wie etwa Ausbildungsdefizite, gesundheitliche Einschränkungen oder Betreuungsverpflichtungen) zu überwinden.

 

Die österreichische Nettoersatzrate in der Arbeitslosenversicherung ist somit nicht nur einzigartig in allen vergleichbaren modernen Sozialsystemen der EU, sie ist auch kontraproduktiv und behindert die berufliche Reintegration.

 

Angesichts der unerfreulich langen Abhängigkeit sehr vieler Menschen von Leistungen der Arbeitslosenversicherung ist es schon rein aus humanistischen Erwägungen unabdingbar, die Nettoersatzrate zu erhöhen und damit 850.000 Personen ein besseres Leben zu ermöglichen. Der Vorschlag, die Nettoersatzrate im Arbeitslosenversicherungsrecht auf den EU-Durchschnitt von 70% anzuheben, erhöht aber auch die Inlandsnachfrage und trägt somit zur Verbesserung der Steuereinnahmen, der Beitragseinnahmen und der Beschäftigungslage (15.732 zusätzliche Jobs mit entsprechenden Mehreinnahmen in der Sozialversicherung und der Lohnsteuer sowie Minderausgaben in der Arbeitslosenversicherung) bei.

 

Die vorgeschlagen Erhöhung der Nettoersatzrate verursacht € 732 Mio. an Mehrausgaben für die Arbeitslosenversicherung. Daraus resultieren budgetwirksame Mehreinnahmen…

 

...durch Maßnahme unmittelbar

Zusätzliche Einkommenssteuer

62

Zusätzliche Mehrwertsteuer

132

...durch neu geschaffene jobs

Minderausgaben ALV

216

Mehreinnahmen SV

166

Mehreinnahmen Est

47

Summe

623

 

Oder anders gesagt: allein die Wirkung sehr einfach darstellbarer Effekte der Anhebung der Nettoersatzrate auf 70% reduziert die tatsächlich budgetwirksamen Kosten der Anhebung auf € 109 Mio. im Jahr (die übrigens auch durch Konjunktureffekte „eingespielt“ werden).

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Ausschuss für Arbeit und Soziales vorgeschlagen.