1916/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 23.11.2016
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ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

der Abgeordneten Helene Jarmer, Georg Willi, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Bau des überfälligen zweiten Liftes zur Oberfläche zur Sicherung der Barrierefreiheit am meistfrequentierten Wiener U-Bahn-Knoten „Stephansplatz“ in Wien im Zuge der Neugestaltung des Stephansplatzes

 

 

 

Im „Nationalen Aktionsplan Behinderung 2012-2020, Strategie der Österreichischen Bundesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention“ (die für Österreich seit vielen Jahren rechtlich bindend ist) ist auf S. 38 ff im Kapitel Verkehr unter anderem zu lesen:

Öffentlicher Verkehr ist ein zentraler Faktor, um Mobilität und damit auch selbstbestimmtes Leben für mobilitätseingeschränkte Personen zu ermöglichen. Zu diesen zählen neben Menschen mit Behinderungen z.B. Menschen mit Kinderwagen, Menschen mit schwerem Gepäck, Menschen mit geringen Kenntnissen der Landessprache, Menschen mit zeitlich begrenzten Bewegungseinschränkungen (z.B. nach einem Beinbruch) und nicht zuletzt ältere Menschen. Der Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung steigt und damit auch die Zahl an Menschen mit altersbedingten Mobilitätseinschränkungen und Orientierungsschwierigkeiten.

Barrierefreiheit erhöht die Qualität des Öffentlichen Verkehrs und macht den Öffentlichen Verkehr für alle Reisenden attraktiver: „Barrierefreiheit ist essentiell für 10% der Bevölkerung, notwendig für 40% der Bevölkerung und komfortabel für 100% der Bevölkerung“ (BMVIT: Leitfaden für den barrierefreien Verkehr, 2009)

(...)

Die Sicherstellung eines Grundangebots im Schienenpersonennah- und Regionalverkehr fällt in den Aufgabenbereich des BMVIT, die Zuständigkeit für die übrigen Verkehrsdienste liegt bei den Ländern. Das BMVIT setzt eine Vielzahl von Maßnahmen, den öffentlichen Verkehr für alle Nutzer und Nutzerinnen barrierefrei zu gestalten. (...)

 

3.3.2. Zielsetzungen

* Zur Attraktivierung des öffentlichen Nahverkehrs gilt es prioritär das Angebot sowohl in qualitativer als quantitativer Hinsicht zu verbessern, ...

* Die Bestellung von Verkehrsleistungen soll verstärkt an die Anforderungen der Barrierefreiheit geknüpft werden.

...

* In die Diskussionen über Entwicklungen und Problemstellungen werden Menschen mit Behinderungen und deren Organisationen miteingebunden.


In der Anfragebeantwortung 9616/AB XXV.GP vom 10.10.2016 sagen Sie selbst:

Aufgrund des Eisenbahngesetzes sind Eisenbahnanlagen (wie U-Bahnstationen) nach dem Stand der Technik zu errichten, wobei sich der Stand der Technik nach dem Zeitpunkt der Einreichung des Baugenehmigungsantrages richtet. In § 4 Abs. 5 der Straßenbahnverordnung 1999 wird die barrierefreie Herstellung als allgemeine bauliche Anforderung festgelegt.

Sie führen weiters aus, dass das Übereinkommen zwischen Bund und Stadt Wien seit 2012 einen Zuschuss zum U-Bahn-Bau von 78 Mio. € jährlich vorsieht.

 

Eine Recherche bzgl. der Liftausstattung von sehr frequentierten Wiener U-Bahn-Stationen hat ergeben:

Stephansplatz: 3 Lifte à 21 Personen (gesamt 63) bis zur Ebene -1, aber: Nur 1 Lift von dieser Ebene -1 zum Stephansplatz à (max.) 10 Personen. Das ist das absolute Nadelöhr! Und das an der mit ca 230.000 Fahrgästen pro Werktag am stärksten frequentierten U-Bahn-Station Wiens.

Ein Ausfall dieses Einzellifts zur Oberfläche führt dazu, dass dieser wichtige U-Bahn-Knoten nicht barrierefrei benutzbar ist. Auch die häufige mengenmäßige Überlastung dieses Lifts dann wenn er nicht defekt ist führt im Endeffekt zu demselben Ergebnis.

Wenn wie zB kürzlich bei der benachbarten U-Bahn-Station Herrengasse der einzige Lift zwischen der Ebene -1 und der Oberfläche für fast 4 Wochen defekt ist, ist diese Station fast 4 Wochen lang nicht barrierefrei – der zweite Aufgang aus der Station ist weit entfernt und für Menschen mit eingeschränkter Mobilität kein brauchbarer Ersatz!

Bei der meist frequentierten Station des Wiener U-Bahn-Netzes am Stephansplatz sind die Folgen eines solchen Ausfalls sogar noch gravierender, weil die Frequenz viel höher ist und keine, auch keine weit entfernte, „Ausweichmöglichkeit“ besteht!

 

Zum Vergleich ist die Ausstattung an anderen Knotenpunkten des U-Bahn-Netzes deutlich umfangreicher und damit durch Redundanzen weitestgehend ausfallssicher:

Station Westbahnhof: 2 Lifte von Ebene -3 zur Ebene 0 à 10 Personen (gesamt 20). 3 Lifte von Ebene -3 zur Ebene -1 à 20 Personen (gesamt 60). 4 Lifte von Ebene -2 zur Ebene 0 à 10 Personen (gesamt 40).

Station Karlsplatz: 2 Lifte von U2 zur Passage à 10 Personen (gesamt 20). 2 Lifte von U1 zur Passage à 18 Personen (gesamt 36). 1 Lift von U4 zur Passage à 18 Personen. 1 Lift von der Passage zum Kärntner Ring à 13 Personen.

Station Landstraße: 1 Lift von U2 zur Mittelebene (-2) à 10 Personen. 2 Lifte von der Mittelebene zu den ÖBB-Bahnsteigen à 10 Personen (gesamt 20). 1 Lift von der Mittelebene zu U4 à 13 Personen. 1 Lift von U4 zur Gigergasse à 21 Personen.

Station Schwedenplatz: 1 Lift von U1 zur Rotenturmstraße über die mittlere Etage à 21 Personen. 1 Lift von U4 zur mittleren Etage à 21 Personen.

Station Praterstern: 2 Lifte von U1 zur Passage à 21 Personen (gesamt 42). 1 Lift von der Passage zur Heine Straße. 3 Lifte von U2 über Passage zum Bhf. Praterstern à 21 Personen (gesamt 63). 1 Lift von U2 zur Venediger Au à 21 Personen.

Hauptbahnhof: 2 Lifte von U1 à 20 Personen zu den Bahnsteigen der ÖBB (gesamt 40). 1 Lift von der mittleren Etage zum Südtiroler Platz à 21 Personen.

 

Leider scheint es trotz massiver Kofinanzierung des U-Bahnbaus über das Bundes-Verkehrsbudget mit derzeit 78 Mio Euro pro Jahr und trotz der anhaltenden Proteste der Betroffenen in der alleinigen Entscheidungsmacht der Wiener Linien zu liegen, ob an einem höchstfrequentierten U-Bahn-Knoten wie dem Stephansplatz ein zweiter Lift zur Oberfläche nötig ist und gebaut wird. Dies selbst dann, wenn die öffentlichen Finanziers der U-Bahn-Baumaßnahmen anderer Ansicht sind bzw. die vollständige Erfüllung ihrer Verpflichtungen in Sachen Barrierefreiheit durch diese Blockadehaltung in Frage gestellt ist.

Die anstehende Neugestaltung des Stephansplatzes, die in Kürze starten soll, sollte unbedingt für die bauliche Lösung dieser Frage genutzt werden.

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie wird aufgefordert, auf die Verantwortlichen der Stadt Wien und auf die Wiener Linien einzuwirken, damit im Zuge der Neugestaltung des Stephansplatzes die von der Wiener Landesregierung vorgesehenen zusätzlichen Liftkapazitäten auch tatsächlich errichtet werden können und damit die Vorgaben des Nationalen Aktionsplan Behinderung umgesetzt werden.

 

Sollten sich die Wiener Linien weigern, möge der Herr Bundesminister den Vertrag/Sideletter mit der Stadt Wien zur Mitfinanzierung des U-Bahn-Baus durch den Bund aufkündigen, um die offenkundig nötigen Klarstellungen in Sachen Barrierefreiheit durchzusetzen.

 

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Verkehrsausschuss vorgeschlagen.