1949/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 15.12.2016
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Birgit Schatz, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Maßnahmenpaket zur Behebung des Mangels an KöchInnen

 

 

 

 

BEGRÜNDUNG

 

Seit den letzten Wochen ist die Diskussion über den Kochmangel in den westösterreichischen Tourismusregionen voll in Gang. SpartenvertreterInnen sehen die Wintersaison in Gefahr, während GewerkschafterInnen zu Recht auf die schlechten Arbeitsbedingungen und Entlohnungsniveaus als Problemursachen hinweisen. Gerade einfache Gasthöfe, kleine Hotels und Pensionen sind derzeit in Bedrängnis geeignetes Personal vor Beginn der Wintersaison zu finden, während die Situation für die 4- und 5 Sterne Hotellerie etwas leichter ist.

Ein Blick in die Arbeitsmarktdaten offenbart eher einen Angebotsüberschuss als das kommunizierte Nachfrageproblem: 2.442 offenen Stellen stehen 22.680 arbeitslose KöchInnen und Küchengehilfen in ganz Österreich im November 2016 gegenüber (Bali, Abfrage).

 

Beide sozialpartnerschaftliche Argumentationslinien sind nachvollziehbar: es gibt offene Stellen, die so kurz vor der anlaufenden Wintersaison schwer zu besetzen sind und es gibt auch durch den jahrelangen Verlass auf Saisonkräfte und ArbeitnehmerInnen aus anderen EU-Staaten ein Versäumnis in puncto Arbeitsbedingungen, Entlohnung und Mitarbeiter-Unterkünften. Der Anteil an nicht-österreichischen Beschäftigten liegt mit 46% recht hoch (93.700 Personen im Jahresdurchschnitt 2015). Zunehmend wollen aber auch KöchInnen aus Deutschland, Ungarn und Polen nicht mehr im österreichischen Wintertourismus arbeiten, weil sich die Arbeitsmarktsituation in ihren Herkunftsländern verbessert hat.

Dieser Rückgang an Arbeitskräften aus dem Ausland verstärkt die ohnehin schon problematische Ausgangssituation im Tourismus: sinkende Ausbildungsorientierung der Tourismusbetriebe, geringe Entlohnungsstrukturen bei gleichzeitig langen Arbeitszeiten und Arbeitsbelastungen.

 

Das vorgeschlagene Grüne Maßnahmenpaket verfolgt folgende Zielsetzungen:

·        Erhöhung der Beschäftigungsqualität und -stabilität im Tourismus

·        Perspektivenplanung für einen eventuellen Branchenwechsel

·        Verzahnung von Beschäftigungsförderung und Regionalpolitik


Aus diesen Zielsetzungen gehen verschiedene Maßnahmen hervor, die kurz,- mittel und langfristige Wirkungsdimensionen erfüllen und an den Wurzeln der aktuellen Probleme ansetzen und durch Maßnahmensetzung der aktiven Arbeitsmarktpolitik unterstützt werden.

 

Die Arbeitsbelastungen im Tourismus sind vielschichtig. Lange Arbeitszeiten an Wochenenden und Abenden führen dazu, dass nur kurze Regenerationszeiten in Anspruch genommen werden und die Erholung auf die „Nachsaison“ verlagert wird. Ebenso ist das Arbeitsklima oft hierarchisch und belastend. Betriebe, die Interesse haben, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, könnten durch Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik unterstützt werden. Der grüne Vorschlag umfasst daher eine Form des Überstunden-Aufwertungskontos, in dem Überstunden um Zuschläge erhöht und angesammelt werden und dann in „arbeitsarmen“ Zeiten eingelöst werden. So wird die Beschäftigungsdauer verlängert und über das ganze Jahr möglich. Dies setzt eine kollektivvertragliche Regelung voraus, die die Detailgestaltung dieses Ganzjahresarbeitzeitmodells umfasst. Der Umstieg auf diese Ganzjahresarbeitsplätze wird durch die aktive Arbeitsmarktpolitik zeitlich und durch Qualitätskriterien (z.B. faire Entlohnung, vorausschauende Dienstplanung, Einhaltung des Verwendungsschutzes, etc.) befristet gefördert und wissenschaftlich evaluiert.

 

Die Arbeitsbedingungen im Tourismus sind oft durch hohe Mobilitätsanforderungen, kurzfristige Dienstplanung als auch die körperlichen und psychischen Arbeitsbelastungen anstrengend und mit steigendem Alter wegen Gesundheit und Familienleben oft unvereinbar. Bereits drei Jahre nach Lehrabschluss verlässt bereits ein Drittel der LehrabsolventInnen die Tourismusbranche (Dornmayr et. al 2016). Das bedeutet, dass selbst Ausbildungsbemühungen nur einen kurzzeitigen Effekt für den Fachkräfteverbleib haben. Daher ist es notwendig um Fachkräfte vorerst zu halten, geeignete Umstiegsperspektiven durch Beratung und Qualifizierung anzubieten. Ein Rechtsanspruch soll darauf z.B. nach sieben Jahren Branchenarbeit bestehen. Das Arbeitsmarktservice dient daher als Bildungs- und Orientierungsdrehscheibe, der Umstiegsfonds ermöglicht selbstgewählte Ausbildungsentscheidungen.

 

Das Arbeitsplatzangebot im Tourismus erfordert oft einen Wohnortwechsel. Um diesen für ArbeitnehmerInnen und deren Familien attraktiv zu gestalten, braucht es komplexe Angebote. Dazu gehören Wohnungen, Lebensmittelnahversorgung, Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulen und passende öffentliche Verkehrsangebote angepasst an die Bedürfnisse der touristischen Fachkräfte, um diese langfristig in der Region zu halten.

 

Der Tourismusbericht weist jährlich klar auf den wichtigen Wirtschaftsfaktor der Branche hin. 2016 gab es um 5% mehr Nächtigungen als 2016. Ebenso ist der Tourismus eine der wenigen wachsenden Beschäftigungsbranchen (+2,6% Beschäftigte 2015 mehr als 2014). Über 202.000 Beschäftigte haben im Jahresdurchschnitt 2015 in dieser Branche gearbeitet (Elis Abfrage). Die Arbeitsbedingungen und Gründe, warum die Branche oft von Fachkräften frühzeitig verlassen wird, sollten auch im Tourismusbericht durch eine empirische Erhebung gestützt, behandelt werden. Basierend darauf lassen sich faktenbasierte Gegenstrategien zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und des Wirtschaftsstandorts entwickeln. Denn es ist es zentral den Tourismus zu wieder zu einem attraktiven Arbeitsmarkt zu machen. Wir können auf die dort vorhandenen Arbeitsplätze nicht verzichten!


Grünes Maßnahmenpaket im Überblick:

Ziele

Maßnahmen

Wirkung

Erhöhung der Beschäftigungs-stabilität und -qualität

Kollektivvertragliche Verankerung eines Ganzjahresarbeitszeitmodelles zur Förderung durchgehender Beschäftigung. Gesetzeskonform geleistete Überstunden werden inklusive Zuschläge für die „arbeitsarmen“ Zeiten angesammelt. Dadurch entstandene Ganzjahresarbeitsplätze werden befristet gefördert.

kurzfristig

Perspektivenplanung für einen eventuellen Branchenwechsel

Einrichtung eines „Umstiegsfonds“ um vorerst Fachkräfte zu halten, gespeist von einem 1 Cent-Beitrag pro Arbeitsstunde durch die Arbeitgeber der Branche. Daraus erwächst die Möglichkeit nach z.B. sieben Jahren einen Rechtsanspruch auf eine selbstgewählte Ausbildung für eine berufliche Umorientierung zu bekommen. Das AMS setzt begleitende Maßnahmen und garantiert den Lebensunterhalt.

mittelfristig

Verzahnung von Beschäftigungs-förderung und Regionalpolitik

 

Regionale Entwicklungsprogramme zur Ansiedlung touristischen Personals. Wohnungsangebote, Kinderbetreuungseinrichtungen, Infrastruktur soll konkret für diese Zielgruppe zur Verfügung gestellt werden. Ein so begleiteter Zuzug hat auch Synergien für andere gesellschaftliche und politische Bereiche (Landschulen, öffentlicher Verkehr, Landflucht etc.).

langfristig

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft wird aufgefordert in Zusammenarbeit mit dem Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz folgende Schritte zu setzen:

 

·        Aufnahme von Verhandlungen mit den Sozialpartnern über die Entwicklung eines Ganzjahresarbeitszeitmodells, das durchgehende Beschäftigung durch angesammelte Überstundenzuschläge ermöglicht;

·        Aufnahme von Verhandlungen mit den Sozialpartnern um Möglichkeiten der beruflichen Umorientierung für touristische Fachkräfte auszuloten. Ein branchenspezifischer Umstiegsfonds könnte nach z.B. sieben Jahren Branchenarbeit Ausbildungsperspektiven ermöglichen;

·        Schaffung konkreter regionaler Entwicklungsprogramme zur langfristigen Ansiedlung von touristischen Fachkräften in Nachfrage-Regionen, sowie

·        Durchführung einer empirischen Erhebung der Gründe und Motive von Fachkräften und Lehrlingen, warum sie den Tourismus verlassen, und Aufnahme der Ergebnisse sowie der auf ihrer Basis entwickelten Gegenstrategien in den nächsten, an den Nationalrat zu erstattenden Tourismusbericht.

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Tourismusausschuss  vorgeschlagen.