2324/A XXV. GP

Eingebracht am 04.10.2017
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Antrag

Antrag gemäß § 26 Abs. 1 GOG-NR

der Abgeordneten Mag. Wolfgang Gerstl, Gabriele Tamandl

Kolleginnen und Kollegen

betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) geändert

wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930, zuletzt geändert durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl. I Nr. XXX/201X, wird wie folgt geändert:

1.              In Art. 29 Abs. 3 wird folgender zweiter Satz hinzugefügt:

„Außer bei Gefahr im Verzug kann nach Anordnung der Wahl durch die Bundesregierung der Nationalrat keine Gesetzesbeschlüsse fassen, die sich auf die Haushaltsführung des Bundes der nachfolgenden Gesetzgebungsperiode auswirken.“

2.              In Art. 41 Abs. 1 wird folgender zweiter Satz hinzugefügt:

„Außer bei Gefahr im Verzug ist der Öffentlichkeit und den betroffenen Institutionen Gelegenheit zur Stellungnahme binnen angemessener Frist vor Beschlussfassung zu geben. Abgegebene Stellungnahmen sind in geeigneter Form zu veröffentlichen.“

 


Begründung:

 

Zu Z 1 (Art. 29 Abs. 3 B-VG):

Um zu verhindern, dass kurz vor einer Wahl Entscheidungen mit budgetären Auswirkungen getroffen werden, die sich auf die nachfolgende Gesetzgebungsperiode auswirken und somit den neu gewählten Nationalrat einschränken, sollen ab Ausschreibung der Wahl (vgl. § 2 Abs. 2 NRWO) keine Gesetzesbeschlüsse mehr gefasst werden dürfen, die sich auf die Haushaltsführung des Bundes der nachfolgenden Gesetzgebungsperiode auswirken. Ein gegen diese verfassungsrechtliche Anordnung gefasster Gesetzesbeschluss führt zur Verfassungswidrigkeit der betroffenen Gesetzes.

Ausgenommen davon sollen Gesetzesbeschlüsse sein, deren Beschlussfassung vor Beginn der neuen Legislaturperiode zur Abwehr einer unmittelbar drohenden Gefahr notwendig ist. Unter „Gefahr im Verzug“ ist in diesem Zusammenhang eine Sachlage zu verstehen, bei der ein erheblicher Schaden eintreten würde, wenn nicht unmittelbar gehandelt würde (insbesondere Katastrophenfall, Bedrohung von außen, Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit).

Zu Z 2 (Art. 41 Abs. 1 B-VG):

Um zu garantieren, dass alle Bürgerinnen und Bürger, die von einem Gesetzesvorhaben betroffen sein können, die Möglichkeit haben, zu diesem Stellung zu nehmen, um das politische Geschehen insgesamt transparenter zu gestalten und um garantieren zu können, dass alle „Stakeholder“ im Gesetzgebungsprozess gehört werden, soll die seit Langem geübte Praxis bezüglich der Begutachtung von Ministerialentwürfen für alle Gesetzesvorschläge gemäß Art. 43 Abs. 1 B-VG einheitlich bundesverfassungsgesetzlich abgebildet werden.

Welche Form des Begutachtungsverfahrens zu wählen ist, wird durch die vorgeschlagene Verfassungsbestimmung nicht festgelegt. Im Besonderen ist für die Verfassungskonformität eines Bundesgesetzes nicht die Begutachtung einer bereits im Ministerrat beschlossenen Regierungsvorlage Voraussetzung; entsprechend der derzeit geübten Praxis entspricht auch die Begutachtung eines Ministerialentwurfs                                                              der                       vorgeschlagenen                         Regelung.             Jedoch

muss - sofern nicht Gefahr im Verzug vorliegt - jedenfalls ein Begutachtungsverfahren (z.B. Begutachtung eines Ministerialentwurfs; Beschluss eines Ausschusses des Nationalrates gemäß § 40 Abs. 1 GOG-NR) vor endgültiger Fassung eines Gesetzesbeschlusses im Nationalrat stattgefunden haben. Andernfalls wäre der Gesetzesbeschluss verfassungswidrig.

Der Kreis der zum Begutachtungsverfahren einzuladenden Institutionen (z.B. Organe des Bundes, der Länder und der Gemeinden wie Bundesministerien, Landesregierungen, Landtage, Gerichte bzw. Gerichtshöfe; andere Körperschaften des öffentlichen Rechts wie Kammern; Interessenvertretungen) ist nach objektiven Gesichtspunkten festzulegen bzw. ergibt sich aus gesetzlichen Bestimmungen. Dasselbe gilt für die Festsetzung einer Frist zur Abgabe einer Stellungnahme, wobei die derzeit für die Begutachtung eines Ministerialentwurfs übliche Frist von 6 Wochen jedenfalls dem Kriterium der Angemessenheit entspricht. Darüber hinaus müssen bei der Beurteilung der Angemessenheit der Frist andere gesetzlich oder unionsrechtlich zu beachtende Verpflichtungen (z.B. Art. 51 Abs. 3 B-VG) berücksichtigt werden.

Der zu begutachtende Gesetzesvorschlag ist in geeigneter Art und Weise der Öffentlichkeit zur Kenntnis zu bringen; der Öffentlichkeit ist in geeigneter Art und Weise Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme einzuräumen. Die derzeit geübte Praxis, wonach im Sinne einer Entschließung des Nationalrates aus dem Jahr 1961 sowohl die ausgesendeten Ministerialentwürfe als auch die abgegebenen Stellungnahmen dem Präsidium des Nationalrats übermittelt werden, und wonach die Begutachtungsentwürfe (Ministerialentwürfe und Initiativanträge bzw. Anträge des Bundesrates oder Anträge eines Drittels der Bundesräte), die im Zuge des Begutachtungsverfahren abgegebenen Stellungnahmen auf der Internetseite des Parlaments veröffentlicht und so der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden, sowie wonach jedermann die Möglichkeit hat, eine Stellungnahme abzugeben, entspricht der vorgeschlagenen Regelung.

Wird ein Gesetzgebungsvorhaben, das einer Begutachtung unterzogen worden ist, erst zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgegriffen, ist die Durchführung eines neuerlichen Begutachtungsverfahrens dann notwendig, wenn die Annahme naheliegt, dass die zur Begutachtung berufenen Stellen im Hinblick auf die Änderung maßgebender Umstände nun einen anderen Standpunkt einnehmen könnten. Maßgebende Umstände können sich insbesondere aus wirtschaftspolitischen oder sozialpolitischen Erwägungen oder aus einer mittlerweile eingetretenen Änderung der Rechtslage ergeben. Die Durchführung eines neuerlichen Begutachtungsverfahrens ist auch dann notwendig, wenn der zur Beschlussfassung im Nationalrat vorgeschlagene Text in inhaltlichen Aspekten im Verhältnis zum begutachteten Text wesentlich verändert wurde, etwa im Zuge der Beschlussfassung im Ministerrat oder mittels Abänderungsantrag. Von der Durchführung eines neuerlichen Begutachtungsverfahrens kann jedoch dann Abstand genommen werden, wenn sich die Änderungen aus im Zuge des Begutachtungsverfahrens abgegebenen Stellungnahmen eindeutig ableiten lassen. Ebenso ist ein Gesetzesantrag eines Ausschusses (§ 27 Abs. 1 GOG-NR) nicht von dieser Bestimmung betroffen, weil ein derartiger Antrag in einem inhaltlichen Zusammenhang mit dem im Ausschuss zu behandelnden Gesetzesvorschlag, zu dem ein Begutachtungsverfahren stattzufinden hat, stehen muss und sich damit eine separate Begutachtung erübrigt.

Ausgenommen von der Pflicht zur Durchführung eines Begutachtungsverfahrens sind Gesetzesvorschläge, deren sofortige Beschlussfassung zur Abwehr einer unmittelbar drohenden Gefahr notwendig ist. Unter „Gefahr im Verzug“ ist in diesem Zusammenhang eine Sachlage zu verstehen, bei der ein erheblicher Schaden eintreten würde, wenn nicht unmittelbar gehandelt würde (insbesondere Katastrophenfall, Bedrohung von außen, Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit).

Bedeckungsvorschlag: Allfällige Mehrkosten werden aus den Mitteln der jeweiligen Ressorts bedeckt.

Zuweisungsvorschlag: Es wird vorgeschlagen, diesen Antrag dem Verfassungsausschuss zuzuweisen.