852/A(E) XXV. GP

Eingebracht am 11.12.2014
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Bundesgesetz zum Schutz von Mensch und Umwelt vor Schäden durch nichtionisierende/elektromagnetische Strahlung

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

der Abgeordneten Dr.in Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

betreffend Bundesgesetz zum Schutz von Mensch und Umwelt vor Schäden durch nichtionisierende/elektromagnetische Strahlung

 

 

 

Das Wachstum am Telekommunikationsmarkt und die in rascher Folge präsentierten neuen Anwendungen, die auf drahtloser Übertragung in unterschiedlichen Frequenzbereichen beruhen, hatten zur Folge, dass insbesondere in den letzten anderthalb Jahrzehnten die Belastung von Mensch und Umwelt durch elektromagnetische Felder signifikant zunimmt. Die mittlere Strahlungsintensität in Ballungsräumen hat sich insbesondere durch den Auf- und Ausbau der Mobilfunknetze seit den Achtzigerjahren weit mehr als verzehnfacht. Die Einführung der UMTS-Technik und der Smartphones verstärkte dieses Problem noch wesentlich.

 

An biologischen und gesundheitlichen Wirkungen bei Menschen und zum Teil auch Tieren wird von der Wissenschaft unter anderem von Schlafstörungen, Ohrgeräuschen (Tinnitus), Kopfschmerzen, Herzrhythmus-Störungen, Unruhe, Konzentrations-, Lern- und Gedächtnisstörungen insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, Auswirkungen auf Blutdruck, Blutbild und besonders Immunsystem, Schwächung der Blut-Hirn-Schranke, DNS-Strang- und Chromosomenbrüchen, Auswirkungen auf die Schädel- und Gehirnentwicklung im Kindes- und Jugendalter berichtet. Unter anderem wird dabei auf die besondere biologische Wirksamkeit niederfrequent pulsmodulierter Strahlung verwiesen.

 

Aus den letzten Jahren ist unter anderem auf Studien in Dänemark (Auswirkung von Handystrahlung auf Embryonen) und Belgien (Auswirkung von Handy-Strahlung auf Tumorbildung bei Ratten), welche die gesundheitliche Beeinträchtigung erneut belegten und aktuell im Fall von Belgien zu gesetzlich verankerten niedrigen Grenzwerten führten, die um ein 14faches niedriger liegen als die Normen in Österreich, hinzuweisen.

Zusätzlich ist auch auf Arbeiten aus der Schweiz, die in ihrem Nationalen Forschungsprogramm NFP 57 zum Nachweis gelangten, dass das Nervensystem „immer“ beeinflusst werde, aus Frankreich und Kanada, zB zur Frage von Spermaschädigungen, hinzuweisen.

Weiters ist an die von der Europäischen Umweltagentur EEA mehrfach ergangenen „Frühwarnungen“ sowie die 2013 in „Late lessons from early warnings II“ zusammengefassten Aspekte zu Mobilfunk und Gesundheit zu erinnern – hier hält die EEA u.a. wörtlich fest, dass das Late-Lessons-Gesamtprojekt „illustriert, wie zerstörerisch und teuer Missbrauch oder Negieren des Vorsorgeprinzips sein können“.


 

Aktuell ist schließlich auf die Beiträge bei der unter anderem von der Bayerischen Landesärztekammer als Fortbildung zertifizierten Würzburger Konferenz „Langzeitrisiken des Mobil- und Kommunikationsfunks“ im April 2014 zu verweisen, die unter anderem die Frage des Gehirntumor-Risikos, des oxidativen Stress und der besonderen Gefahr für Kinder durch frühzeitigen Beginn der Expositions-Akkumulation betreffen.

Spezielle Aufmerksamkeit verdient schließlich der Beitrag Budzinski/Hutter „Mobilfunkschäden Ansichtssache?“ in der „Neuen Zeitschrift für Verwaltungsrecht“ (NVwZ), Ausgabe 7/2014 mit einer Vielzahl von Verweisen auf aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse sowie auf amtliche und gerichtliche Feststellungen zu Gesundheitsrisken. Dieser Artikel sieht Behörden und Gerichte im Konflikt mit dem gegenwärtigen Stand der Forschung, befasst sich mit den dazu führenden Mechanismen und weist darauf hin, dass Beweise der Harmlosigkeit fehlen, die aber für weiteres Bestreitenwollen der Gefahren unerlässlich wären.

 

Dennoch werden die immer klareren wissenschaftlichen Aussagen bisher von wirtschaftlicher, administrativer und politischer Seite sowie im Umfeld der Verursacher zurückgewiesen, ohne dass sie tatsächlich widerlegt werden konnten. Nicht umsonst ist es seit vielen Jahren nicht möglich, sich gegen gesundheitliche Wirkungen zB des Mobilfunks zu versichern, was gar keinen anderen Schluss zulässt, als dass es sich - nicht nur nach Grüner Ansicht - ebenso wie bei der Kernenergienutzung um eine Risikotechnologie handelt. Mit Forschungsanträgen, die gezielte Beiträge zur noch besseren Fundierung der ausständigen konkreten Vorsorgemaßnahmen leisten könnten, wird zudem sehr restriktiv umgegangen, was auf eine zu wenig zielstrebige Beschäftigung der politisch Verantwortlichen mit dieser wichtigen Materie schließen lässt.

 

Der Staat ist hier massiv säumig in der Umsetzung seiner Verpflichtung zum umfassenden Gesundheitsschutz seiner BürgerInnen.

 

Diese Verpflichtung kann nicht auf die/den Einzelne/n abgewälzt werden: Während BenutzerInnen von Mobiltelefonen und anderen Empfangsgeräten das Risiko über die Anschaffung und Nutzungsintensität weitgehend selbst steuern können, belasten Emissionen von Mobilfunk-Basisstationen vulgo „Handymasten“, aber auch Langwellenfunkmasten oder Einrichtungen zur drahtlosen Überbrückung diverser „letzter Meilen“, etwa beim Internetzugang, die Allgemeinheit im jeweiligen Einzugsbereich des Strahlungsemittenten in weitgehend unbeeinflussbarer Weise.

Analog dem NichtraucherInnenschutz muss es auch einen Schutz für Nicht-MobiltelefoniererInnen geben, wobei zu bedenken ist, dass immer noch der größere Teil der Bevölkerung zeitlich überwiegend zur Gruppe der Nicht-MobiltelefoniererInnen gehört. Die bestehende Rechtslage auf Gemeinde-, Landes- und Bundesebene bietet keine ausreichende Handhabe zur zielführenden Berücksichtigung der Vorsorgenotwendigkeiten aus Gesundheits- und Strahlenschutzsicht.

 

In angrenzenden und anderen Ländern mit ähnlichen technologischen Standards sind zum Teil deutlich strengere Grenzwerte in Geltung – siehe das Beispiel Belgien - und/oder es gibt weitreichende rechtliche Festlegungen zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung, die sogar in Verschärfung begriffen sind.

Österreich kennt hingegen nur die wegen ihrer Bezogenheit auf die thermischen Strahlungswirkungen aus vorsorgemedizinischen Erwägungen völlig unzureichenden Grenzwertempfehlungen von WHO und EU. Wenn man berücksichtigt, dass ein Handy-Telefonat noch bei einer Energieflussdichte von 1 Picowatt/m2, also 10-12 Watt/m2 (ein Millionstel des sog. Salzburger Vorsorgewerts für Innenräume von 1 Mikrowatt/m2) möglich ist, ist es klar, dass auch eine radikale Senkung der Grenzwerte möglich ist, ohne die Versorgung mit Mobilkommunikation in Frage zu stellen.


 

Gleichzeitig ist zu bedenken, dass nach neueren Erkenntnissen der Biophysik bei der Wirkung elektromagnetischer Wellen auf den Menschen nicht nur die Strahlungsenergie, sondern auch andere Parameter, z.B. die Art der Modulation, die Pulsung und auch die Wahl der Übertragungsfrequenz selbst eine große Rolle, wenn nicht sogar die Hauptrolle spielen.

 

Angesichts der hohen Marktdurchdringung, frühen und weiten Verbreitung und zunehmenden Nutzungsintensität im Mobilfunk ist Österreich zudem in besonderem Maße gefordert, zweckdienliche Schritte zu setzen. Vorhandene Erfahrungen mit Vorsorgemaßnahmen und andere Bezugsarbeiten wie der bereits Anfang 1999 im damaligen Konsumentenschutzministerium entwickelten Gesetzesentwurf sowie international verfügbare Beispiele sollten es eigentlich leicht machen, in der nötigen ressortübergreifenden Vorgehensweise zügig zu einem Ergebnis zu gelangen. Dabei muss anstelle des derzeit stillschweigend angewandten Nachsorgeprinzips für die österreichische Bevölkerung vorgesorgt und die Gesundheit, der Schutz vor Strahlen und die verantwortbare Versorgung mit Telekommunikationsdiensten gesichert werden.

 

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

 

 

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

 

 

Der Nationalrat wolle beschließen:

 

Die Bundesregierung wird aufgefordert, zügig ein „Bundesgesetz zum Schutz vor nicht-ionisierender/elektromagnetischer Strahlung“ ressortübergreifend zwischen Gesundheits- und Verkehrsressort, nötigenfalls unter Einbindung anderer Ressorts, vorzubereiten und dem Nationalrat zur Beschlussfassung vorzulegen.

 

 

 

In formeller Hinsicht wird die Zuweisung an den Gesundheitsausschuss vorgeschlagen.